Susanne Raabs Job ist gut bezahlt, dafür mitunter schwierig. Aktuell wurde die Integrationsministerin von Bundeskanzler Karl Nehammer (beide ÖVP) damit beauftragt, eine österreichische "Leitkultur" zu erarbeiten.

Susanne Raab
Susanne Raab ist Frauen- und Integrationsministerin, jetzt soll sie die österreichische Leitkultur ausarbeiten.
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Grundlage dafür ist ein Punkt aus dem "Österreich-Plan" des Chefs der Volkspartei: Darin fordert er bis 2030 "eine österreichische Leitkultur, die sich auch als nationales Kulturgut gesetzlich widerspiegeln soll". Sie solle sicherstellen, "dass Symbole und Verhaltensweisen, die unseren Grundwerten entgegenstehen, rechtlich differenziert behandelt werden können".

"Werte des Zusammenlebens"

Um das nationale Kulturgut innerhalb der nächsten sechs Jahre gesetzlich widerzuspiegeln, hat Raab in einem ersten Schritt eine Expertenrunde zusammengetrommelt, die am Donnerstag tagt. Unter dem Titel "Österreichische Identität und Leitkultur: Werte des Zusammenlebens" gehe es beim ersten Termin um einen einleitenden Austausch, heißt es aus Raabs Büro. Die Ministerin selbst werde bei einem Doorstep vor dem Gespräch umreißen, was ihr Zugang zum Thema sein wird.

Eine vollständige Liste der Teilnehmerinnen und Teilnehmer war vorerst nicht zu bekommen, drei Namen wurden im Kanzleramt aber bestätigt.

Wer Teil der Runde ist

Da ist einerseits die Linzer Juristin Katharina Pabel, die von der türkis-blauen Regierung 2018 als Richterin am Europäischen Gerichtshof nominiert worden war, den Job dann aber nicht angetreten ist.

Hinzu kommt Rainer Münz, der für die Erste Bank gearbeitet und Jean-Claude Juncker als Präsident der EU-Kommission beraten hat. Münz ist in der Migrationsforschung aktiv und Gastprofessor an der Central European University.

Mazal: "Konsens finden"

Der dritte vorab bekanntgemachte Name ist jener Wolfgang Mazals. Er ist Professor am Institut für Arbeits- und Sozialrecht an der Uni Wien, äußert sich immer wieder zu politischen Vorschlägen. Er sprach in der Vergangenheit ÖVP-Politikern seine Unterstützung aus, kritisierte aber auch den türkisen Vorstoß für die Kürzung von Sozialleistungen.

Eine rotweißrote Fahne wird mit einer Nähmaschine genäht
Österreichische Identität reiche von "Blasmusik bis Philharmoniker", glaubt der ÖVP-Generalsekretär.
HERBERT NEUBAUER / APA / picture

Im Gespräch mit dem STANDARD erklärt Mazal, mit welchen Vorstellungen er in den Termin am Donnerstag geht: "Das Gespräch soll dazu dienen, Konsens in der Gesellschaft darüber zu finden, was uns wichtig ist und welche Form des Zusammenlebens wir pflegen sollen."

Debatte als "Reflexionsprozess"

Er vermisse nämlich seit langem eine breite Diskussion über diese Themen. Es stimme zwar, dass geltende Gesetze ein Ausdruck der Regeln seien, auf die sich eine Gesellschaft geeinigt hat. "Aber es muss nicht alles im Gesetz festgeschrieben sein." Er sehe die Leitkulturdebatte als "Reflexionsprozess".

Kritik am Begriff "Leitkultur" teilt Mazal nicht: Aus seiner Sicht gehe es dabei nicht darum, eine Kultur über andere zu stellen. Ähnlich wie das Leitbild in einem gut geführten Unternehmen solle eine "Leitkultur" die "grundlegende Richtung" einer Gesellschaft vorgeben.

Die Volkspartei gestaltet ihre begleitende Kommunikation wesentlich rigider. Generalsekretär Christian Stocker erklärte in einem Facebook-Video zuletzt, die österreichische Identität sei "das, was uns ausmacht". Das gehe "von A bis Z", beispielsweise von der Blasmusik bis zu den Wiener Philharmonikern. Auch "wie wir unsere Feiern und Festtage begehen", zähle zur Identität. Und "wer das alles nicht akzeptieren will, der kann gerne wieder gehen".

Wer Lebensart ablehnt, "muss gehen!"

Insgesamt fokussiert die Volkspartei die Debatte sehr stark auf das Thema Migration. Stocker sagt etwa im Zusammenhang seiner Ausführungen zur Identität, dass jene, "die zu uns gekommen sind", das freiwillig getan hätten. "Sie haben sich für dieses Land entschieden, und daher müssen sie auch akzeptieren, wie wir in diesem Land leben, welche Tradition und Identität wir haben."

In Social-Media-Sujets hält die Partei außerdem Dinge fest wie: "Wer glaubt, einer Frau nicht die Hand zu geben, weil sie 'unrein' ist, muss gehen." Oder: "Wer unsere Art zu leben ablehnt, muss gehen!" Spielregeln gelte es einzuhalten.

Rechtliche Umsetzung offen

Auch diese Slogans dürften sich ausschließlich auf Personen mit nichtösterreichischer Staatsbürgerschaft beziehen – schließlich können Österreicherinnen und Österreicher nicht einfach außer Landes gebracht werden.

Die Volkspartei bleibt überhaupt Vorschläge schuldig, wie die Ausweisung von Menschen wegen der Verweigerung eines Handschlags oder der Ablehnung der türkisen Vorstellungen einer österreichischen Lebensart rechtlich umgesetzt werden soll. Aber zunächst will Susanne Raab ohnehin nur diskutieren. (Sebastian Fellner, 28.3.2024)