Vieles im Leben des Stefan Pierer ist bemerkenswert. Man muss dem 67-jährigen Oberösterreicher Respekt dafür zollen, wie er KTM ab den 1990er-Jahren saniert und zum größten Motorradhersteller Europas gemacht hat. Auch sein politisches Engagement wäre prinzipiell zu begrüßen. Unternehmer sollen ihre Perspektiven einbringen, und es spricht nichts dagegen, wenn sie offen Parteien unterstützen, solange das nicht den Wettbewerb verzerrt oder zu maßgeschneiderten Gesetzen führt.

Pierer
KTM-Chef Stefan Pierer.
FOTOKERSCHI.AT/WERNER KERSCHBAUM

Das öffentliche Bild, das Pierer inszeniert, ist allerdings schwer mit seinem Verhalten in Steuerfragen in Einklang zu bringen. In einer Selbstanzeige vom Dezember 2017, deren Inhalt nun bekannt wurde, räumen Pierers Steuerberater ein, dass ihr Mandant wohl seit den 1990er-Jahren bei Geschäftsaktivitäten in Liechtenstein Abgaben verkürzt hat. Für jene Abgabenschulden, die nicht verjährt sind – 2007 bis 2013 – wurde eine Rückzahlung von mehr als sechs Millionen Euro schlagend. Die Möglichkeit, sein unversteuertes Vermögen im Jahr 2013 legal nach Österreich zu bringen, ergriff Pierer nicht. Erst vier Jahre später, unter heftigem Druck der Finanzprüfer, stellte er die Selbstanzeige.

Bedingungslose Loyalität

Trotzdem mischte Pierer politisch mit. Während auf seinen Konten Vermögen lag, das eigentlich Steuerabgaben in Höhe von mehr als sechs Millionen Euro bedingt hatte, unternahm er folgende Dinge: Er war Teil einer Expertengruppe zum Thema Steuerreform, spendete 2017 im Wahlkampf 530.000 Euro an die ÖVP und beriet die Partei bei den Koalitionsverhandlungen.

Als die SPÖ damals Pierers Steuerkonstruktionen kritisierte, betonte der Industrielle, stets korrekt gehandelt zu haben. Die ÖVP, die seit Jahrzehnten das Finanzministerium hält, sprang ihrem Großspender zur Seite – bis hin zu Minister Hans Jörg Schelling, der freilich zuvor als XXXLutz-Manager selbst Erfahrung mit steuerschonenden Konstruktionen gesammelt hatte.

Kein Opfer der Opposition

In Kombination erzeugt das ein verheerendes Bild. Nämlich nicht das eines erfolgreichen Unternehmers, der wegen seiner Nähe zur Kanzlerpartei niedergemacht wird, wie die ÖVP insinuierte. Sondern das eines Superreichen, der glaubte, mit steuervermeidenden Konstruktionen noch mehr Geld behalten zu können, und das einer Partei, die nach einer Spende bedingungslos zu ihrem Gönner hält. Verfolgt wurden nach ersten Verdachtsmomenten nämlich nur Steuerprüfer, die sich im Finanzministerium mit Pierer befasst hatten.

Es ist kein Wunder, dass sich bei einem solchen Zynismus immer mehr Menschen von der Politik abwenden. Noch dazu ist der Fall Pierer keine Ausnahme, sondern er zeigt ein Muster. Ob René Benko, Siegfried Wolf oder Novomatic: Die ÖVP war viel zu eng mit viel zu vielen Personen und Konzernen, deren Verhalten zumindest moralisch fragwürdig ist. Immer wieder trugen diese Menschen ihr Anliegen, noch reicher zu werden, persönlich bei hochrangigen ÖVP-Politikern wie Ministern vor. So entsteht das Bild einer eingeschworenen Gruppe, die es sich richten kann – und einer Partei, die vor allem dafür da ist, diese Clique zu servicieren. (Fabian Schmid, 27.3.2024)