Sechs Tore, sechsfacher Jubel. Es wurde nicht fad.
APA/EVA MANHART

Wien – Es war ein weiterer EM-Test, ein Fußballmatch, um zusätzliche Erkenntnisse zu gewinnen. Österreich empfing am Dienstagabend im Wiener Ernst-Happel-Stadion die Türkei. Die Sympathien der 38.000 Fans waren gleich verteilt, es war eine Art neutrales Heimspiel. Die wichtigste Erkenntnis lautete: Die Mannschaft ist fast schon unheimlich, sie ist in der Lage, sich im Laufe einer Partie extrem zu steigern. Es wurde ein triumphaler 6:1-Erfolg, der fünfte Sieg in Serie.

Fünf Startelf-Änderungen

Teamchef Ralf Rangnick hat im Vergleich zur Slowakei-Partie fünf Änderungen vorgenommen. Ein Tausch war nicht vorgesehen, Kapitän Marcel Sabitzer wurde von einem grippalen Infekt heimgesucht. Romano Schmid ersetzte ihn. Einser-Goalie Alexander Schlager kehrte anstelle von Patrick Pentz ins Tor zurück, die Abwehr wurde zu 50 Prozent verändert. Stefan Lainer und Leopold Querfeld raus, Stefan Posch und Max Wöber rein, der Gladbach-Legionär bildete mit Kevin Danso die Innenverteidigung.

Laufmaschine Xaver Schlager erhielt im defensiven Mittelfeld den Vorzug gegenüber Florian Grillitsch, das war keine Überraschung, sondern ein Fall von Logik. Konrad Laimer durfte sich die Kapitänsschleife um den Oberarm binden, das war ein äußeres Zeichen, denn laut Rangnick hat die österreichische Nationalmannschaft viele Chefs. David Alaba, quasi der verhinderte Oberchef mit Kreuzbandriss, wurde eine halbe Stunde vor Anpfiff erst zum zehnten Mal als Österreichs Fußballer des Jahres ausgezeichnet. Seine EM-Teilnahme ist äußerst unwahrscheinlich.

Wieder frühe Führung

In den ersten sieben Sekunden ist trotz Anstoßes für die Gastgeber nichts passiert. Just Christoph Baumgartner, der am Samstag in Bratislava beim 2:0 gegen die Slowakei das Weltrekordtor erzielt hatte (in der siebenten Sekunde), machte einen Fehlpass, vielleicht hat er sich selbst zu viel Druck auferlegt. Aber 103 Sekunden sind auch nicht schlecht: Balleroberung Schmid gegen Salih Özcan (allerdings leicht foulverdächtig), Baumgartner schießt fest und platziert, Keeper Ugurcan Cakir reagiert gut, Xaver Schlager staubt trotzdem wuchtig zum 1:0 ab.

Die Türken steckten den Schock weg, sie erspielten sich eine Dominanz. 25. Minute: Der VAR erkennt im Gegensatz zu Schiedsrichter Daniele Chiffi aus Italien ein klares Handspiel von Danso im Strafraum, Kapitän Hakan Calhanoglu fetzt den Elfer zum 1:1 unter die Latte. Es war das erste Gegentor für Österreich nach 416 Minuten.

Das Schnürchen

Die Türkei bestimmte weiter das Geschehen, sie ließ den Ball in den eigenen Reihen wie am berühmten Schnürchen laufen, die technische Überlegenheit war nicht zu verheimlichen. Österreich war zwar überhaupt nicht schwach und durchaus bemüht, bei Ballbesitz fehlten aber doch die zündenden Ideen.

44. Minute: Nicolas Seiwald gewinnt einen Zweikampf, der Ball rollt zu Michael Gregoritsch. Der Mittelstürmer zieht aus 16 Metern ab, der Schuss ist gut genug, um Cakir zu bezwingen. Das 2:1 fällt unter die Rubrik Tormannfehler, das trübte die Freude von Gregoritsch über seinen 13. Treffer im Team natürlich nicht. Fußball ist ein Ergebnissport.

Gregoritsch traf dreifach, Österreich setzte sich überzeugend in Szene.
EPA/CHRISTIAN BRUNA

Und die Österreicher wissen das. 48 Minute: Corner Schmid, Gregoritsch köpfelt das 3:1, die Nummer 14 für ihn. Die Mannschaft hat eben Klasse. Und sie wurde angesichts des Vorsprungs spielerisch stärker, die Kombinationen flossen, sie hatte der Türkei das Schnürchen genommen.

59. Minute: Laimer wird im Strafraum von Kaan Ayhan gefoult, der VAR hebt das angebliche Abseits auf, also Elfer. Gregoritsch, wer sonst, stellt auf 4:1, die Nummer 15. Rangnick nahm erst in der 70. Minute den ersten Tausch vor, Alexander Prass ersetzte Phillipp Mwene.

Turbulente Tonart

Danach wurde es turbulent. 74. Minute: Baris Yilamz verkürzte auf 2:4. Aber nicht wirklich. Denn im Angriff davor wurde Posch im gegnerischen Strafraum gefoult – dem VAR entgeht nichts. 79. Minute: Baumgartner erhöht per Penalty auf 5:1, das war kein Weltrekord. Es war schon da der höchste Sieg in der Ära Rangnick. Aber Joker Max Entrup machte sogar noch das halbe Dutzend voll (95.).

"Speziell in der zweiten Hälfte war es eine extrem energetische Leistung von uns. Ob der Sieg auch in dieser Höhe verdient war, weiß ich nicht", sagte Weltrekordtorschütze Baumgartner.

Für die türkischen Spieler war es ein gebrauchter Abend.
APA/EVA MANHART

Jetzt ist Pause. Am 29. Mai beginnt in Windischgarsten die intensive Vorbereitung auf die EM. Am 4. Juni wird in Wien gegen Serbien getestet, am 8. Juni in St Gallen gegen die Schweiz. Am Tag davor muss der EM-Kader bekannt gegeben werden (drei Torhüter, 20 Feldspieler). Am 12. Juni wird das Quartier in Berlin bezogen, am 17. Juni wird es ernst. In Düsseldorf steigt das erste Gruppenspiel gegen Vizeweltmeister Frankreich. (Christian Hackl, 26.3.2024)

Fußball-Länderspiel:
Österreich – Türkei 6:1 (2:1).
Wien, Ernst-Happel-Stadion, 38.500, SR Chiffi (ITA)

Tore: 1:0 (2.) X. Schlager
1:1 (25.) Calhanoglu (Elfmeter)
2:1 (44.) Gregoritsch
3:1 (48.) Gregoritsch
4:1 (59.) Gregoritsch (Elfmeter)
5:1 (78.) Baumgartner (Elfmeter)
6:1 (95.) Entrup

Österreich: A. Schlager - Posch, Danso (88. Daniliuc), Wöber, Mwene (70. Prass) - Seiwald, X. Schlager - Laimer (88. Cham), Baumgartner (82. Wimmer), Schmid (81. Weimann) - Gregoritsch (82. Entrup)
Türkei: U. Cakir - Müldür, Demiral, Ayhan, Özkacar (77. Celik) - Özcan (61. Kökcü), Calhanoglu (88. Yüksek) - I. Kahveci (61. Akgün), Arda Güler (77. Ömür), Aktürkoglu (61. B. A. Yilmaz) - Yildiz
Gelbe Karten: A. Schlager, Posch bzw. Calhanoglu, Arda Güler, Kökcü