Junge Ärztin mit Kopftuch unterhält sich mit Kollegen
Antimuslimischer Rassismus und Vorurteile gegenüber Menschen, die als fremd wahrgenommen werden, treffen laut Gleichbehandlungsanwältin SandraKonstatzky besonders häufig Frauen.
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"In der Öffentlichkeit wollen viele Unternehmen divers wahrgenommen werden, für Vielfalt stehen. In der Realität sieht es aber oft anders aus", sagt Sandra Konstatzky, Leiterin der Gleichbehandlungsanwaltschaft. Ein Beispiel dafür lieferten in der Vorwoche die Personalvermittlung It-Works und der Konzern Rewe.

Für eine neue Billa-Corso-Filiale im Wiener Bezirk Döbling werde im Auftrag von Billa ab April eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter für den Feinkostverkauf gesucht – für maximal 30 Stunden pro Woche und zu Kollektivvertragsbedingungen. "Erfahrung in der Feinkost ist nicht unbedingt notwendig, Lernbereitschaft und Lernfähigkeit jedoch auf jeden Fall", heißt es dazu in einer internen Mail. Eine weitere Anforderung sind zudem "gute Deutschkenntnisse". Und der Hinweis: "Leider ist das Personal mit Kopftuch in diesem Bezirk nicht erwünscht."

SPÖ-Bezirksrat Muhammed Yüksek beklagte die diskriminierende Äußerung öffentlich. "Die Vielfalt, die uns Billa immer öffentlich verkauft, scheint nichts anderes zu sein als leere Werbeslogans", schrieb er auf X (vormals Twitter) und forderte eine Stellungnahme ein. Auf STANDARD-Anfrage hieß es von It-Works, man bedauere den Vorfall zutiefst, und dieser sei auf "ein internes Missverständnis" zurückzuführen. Rewe antwortete auf Nachfrage, man stelle selbstverständlich Personen mit Kopftuch ein und sei selbst irritiert.

Gesetzliche Grundlage

Im öffentlichen Diskurs gibt es aber nicht nur Verständnis für die Aufregung um den Vorfall. Immer wieder schreiben Personen im Kommentarspalten auf Social Media, Firmen sollten frei entscheiden dürfen, wen sie einstellen oder welche Kundschaft sie bedienen. Ist das so? "Unternehmen dürfen ihr Personal und ihre Kundschaft selbst auswählen. Aber sie dürfen Menschen nicht einfach aufgrund bestimmter Merkmale ausschließen", sagt Konstatzky.

Das Gleichbehandlungsgesetz gibt Diskriminierungsverbote vor und soll verhindern, dass Menschen aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, des Alters oder der sexuellen Orientierung diskriminiert werden. Zur Veranschaulichung nennt die Expertin ein Beispiel: "Wenn eine Person mit Kopftuch eine höhere Geldstrafe beim Schnellfahren bekommt als eine Person ohne, wäre das ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz. Das ist wohl für viele offensichtlich. Wenn eine Hijab-Trägerin nur wegen ihres Kopftuchs einen Job nicht bekommt, ist das Diskriminierung und damit das Gleiche."

Mehrfach diskriminiert

Wie oft kommt so etwas überhaupt vor? Jede und jeder Fünfte in Österreich hat schon einmal Diskriminierung im Arbeitskontext erlebt. Das zeigt eine repräsentative Befragung der Arbeiterkammer und des Sora-Instituts von 2019. Muslime (33 Prozent), körperlich Beeinträchtigte (30 Prozent), Befragte mit Migrationshintergrund (28 Prozent) und Personen, die sich "weiter unten" in der Gesellschaft sehen (27 Prozent), werden demnach besonders häufig benachteiligt.

Betroffene mittleren Alters und Personen mit Kindern unter 14 Jahren erleben laut der Umfrage meist eine Benachteiligung beim Zugang zur Arbeit sowie soziale Diskriminierung in Form von Ausgrenzung. Von einer sogenannten strukturellen Diskriminierung – zum Beispiel durch Jobverlust, unfaire Bezahlung oder schlechtere Karrierechancen – berichten häufiger junge Betroffene. Migranten und Menschen mit Behinderung erleben hingegen in allen drei genannten Bereichen des Arbeitslebens Benachteiligungen.

In der Statistik nicht erfasst sind Fälle von Mehrfachdiskriminierung. Diese nimmt die Gleichbehandlungsanwaltschaft aber verstärkt wahr. "Jede fünfte Frau, die sich wegen einer Bewerbungsdiskriminierung bei uns meldet, trägt ein Kopftuch", sagt Konstatzky. Antimuslimischer Rassismus und Vorurteile gegenüber Menschen, die als fremd wahrgenommen werden, treffe ihrer Erfahrung nach besonders häufig Frauen.

Strukturelle Benachteiligung

Welche Möglichkeiten haben Betroffene? Im Fall der internen Mail sieht Rechtsanwältin Yara Hofbauer wenig rechtliche Handhabe, da die Vorgabe nie öffentlich in einer Stellenanzeige genannt wurde. "Gegen diese versteckte Diskriminierung vorzugehen ist schwieriger geworden – weil Unternehmen genau wissen, wie sie sich nach außen hin geben müssen", sagt sie. Habe eine Hijab-Trägerin sich jedoch kürzlich für eine Stelle in dieser Filiale beworben, liege zumindest nahe, dass Diskriminierung der Grund für eine Absage sei könnte, wenn alle anderen Anforderungen an den Job erfüllt worden seien.

Kommt ein Arbeitsverhältnis aufgrund eines sogenannten verpönten Motivs nicht zustande, entsteht Schadenersatz für Betroffene. Was vielen aber dennoch verwehrt bleibt, ist der Zugang zum Arbeitsmarkt. "Gewinnt man einen solchen Rechtsstreit, bekommt man zwar eine Schadenersatzzahlung, aber man kann sich nicht in ein Unternehmen hineinklagen. Das heißt: Von Diskriminierung Betroffene stehen in der Regel trotzdem noch vor dem Problem, von gesellschaftlicher Teilhabe durch eine Arbeit ausgeschlossen zu sein", erklärt sie.

Beide Expertinnen kritisieren im Gespräch mit dem STANDARD zudem die Wünsche der Kundschaft als Vorwand für diskriminierende Personalpolitik. "In den 1990er-Jahren hat es oft geheißen, Frauen bekommen einen Job oder einen Ausbildungsplatz beispielsweise in einer Werkstätte nicht, weil niemand sein Auto von einer Frau reparieren lassen möchte", erinnert sich Konstatzky. Heute sei die österreichische Gesellschaft beim Geschlecht schon weiter, hinke aber in anderen Bereichen noch deutlich hinterher, betont auch Yara Hofbauer: "Wenn akzeptiert wird, dass ein Unternehmen eine Frau mit Kopftuch nicht einstellt, weil die Kundschaft in Döbling nicht von ihr beraten werden will, dann wird strukturelle Diskriminierung nicht nur hingenommen, sondern aufrechterhalten." (Anika Dang, 27.3.2024)