sechs kleine Biergläser mit Bier in unterschiedlichen Farbtöten, eines wird von einer Hand gegriffen
Einen Vorteil hätte künstliche Intelligenz als Biertesterin: Sie kann sich nicht betrinken.
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Künstliche Intelligenz steht derzeit im Verdacht, uns nicht nur langweilige Aufgaben abzunehmen, sondern auch solche, die Menschen für gewöhnlich Freude und Erfüllung bieten. Ein Beispiel dafür ist KI-generierte Kunst, von Bildern aus Programmen wie Midjourney oder Dall-E bis hin zu Videos, die die Filmindustrie in Aufruhr versetzen. Ähnliches könnte sich auch für das Testen neuer Biersorten abzeichen.

Zumindest könnte man das aus einer aktuellen Studie schließen, die im Fachjournal "Nature Communications" veröffentlicht wurde. Dahinter steht ein belgisches Forschungsteam um den Molekularbiologen Kevin Verstrepen von der Katholischen Universität Leuwen. Die Gruppe wollte eine effiziente und günstige Methode entwickeln, um Geschmacksrichtungen für Bier so weiterzuentwickeln, dass sie auf dem Markt gut ankommen. Und das sowohl für alkoholische als auch für alkoholfreie Biere.

Die Aufgabe der Biertests wird bisher etwa von geschulten Verkostern durchgeführt, die mit relativ hohen Kosten verbunden seien, hält das Forschungsteam fest. Auch Gruppen von Konsumentinnen und Konsumenten werden für das Bewerten von Bier befragt. Diese seien aber oft ineffizient und in ihrer Aussagekraft eingeschränkt. Immerhin gibt es äußerst viele chemische Verbindungen, die den Geschmack beeinflussen und sich in Wechselwirkung auch noch gegenseitig verstärken oder abschwächen können.

Objektive Zahlen

Noch dazu spielen die Rahmenbedingungen des Tests eine große Rolle. Und befragt man viele Menschen per Onlinetool, sind nicht nur diese Rahmenbedingungen noch diverser: Die Meinung über ein Bier wird zudem beeinflusst durch den Preis oder die Affinität zu einer bestimmten Marke. Das spiegelt sich nur schlecht in Eigenschaften wie "Fruchtigkeit" wider. "Als Wissenschafter will ich objektive Zahlen, mit denen ich vergleichen und vorhersagen kann, wie ein Bier wirklich schmeckt", wird Verstrepen in einer Aussendung zitiert. Die üblichen Beschreibungen, etwa "fruchtig", seien oft nicht neutral und unbeeinflusst.

Biologe und Biertester Kevin Verstrepen.
Biologe und Biertester Kevin Verstrepen (links) mit Kollegen und Kolleginnen bei der Arbeit.
Kevin Verstrepen

Daher soll die technische Auswertung helfen. Die Forschungsgruppe nahm die beachtliche Anzahl von 250 belgischen Bieren zur Hand, die 22 Kategorien wie Blond oder Lager abdeckten. "Wir begannen das Projekt mit weniger als hundert Bieren und merkten schnell, dass dies nicht ausreichen würde, um die unglaubliche Biervielfalt Belgiens zu erfassen", sagt Studienautor Miguel Roncoroni. Fünf Jahre dauerten die Tests. Für die Biersorten wurden 200 verschiedene chemische Eigenschaften eruiert.

Gute Bewertung für KI-Bier

Dann stützte sich das Team wiederum auf menschliche Einschätzungen: Die Biersorten wurden von 15 geschulten Personen charakterisiert, die 50 Kriterien festhielten, etwa Hopfen- und Malzaromen sowie weitere Gewürznoten. Außerdem verknüpfte es die Sorten mit Einschätzungen aus mehr als 180.000 öffentlichen Bewertungen aus einer Datenbank namens "Rate Beer".

Mit diesen Daten fütterten die Forschenden zehn Machine-Learning-Systeme. Sie sollten vorhersagen, wie ein Bier mit bestimmten abgewandelten Charakteristika schmeckt und ob das trinkfreudige Publikum daran Gefallen finden dürfte oder eher nicht.

Ein Modell war dabei erfolgreich und konnte zentrale Aromen und die Einschätzung der Konsumentinnen und Konsumenten präzise vorhersagen, ohne dass das Bier vorab von Menschen getestet wurde. Diese Informationen wurden genutzt, um ein belgisches Ale zu verbessern. In Blindtests wurde dieses angepasste Bier von geschulten Testern tatsächlich etwas besser bewertet als das ursprüngliche Getränk.

Keine Abhängigkeit fördern

Zudem bestätigt die Studie laut den Autorinnen und Autoren, dass eine hohe Geschmacksstoffkonzentration nicht unbedingt bedeutet, dass diese auch stark wahrgenommen werden. Solch komplexe Zusammenhänge würden bei der üblichen Vorgehensweise, neue Sorten zu kreieren, oft nicht berücksichtigt.

Für die Anwendung sei nötig, mehr Daten in die KI-Systeme einzuspeisen. Kausalitäten zwischen Rezeptur und Geschmack wertet sie nicht aus, wie die Fachleute betonen, sondern nur Korrelationen. Aber prinzipiell berge die Methode das Potenzial, auch bei ganz anderen Lebensmitteln bessere Rezepturen vorzuschlagen oder solche zu testen. Die Forschungsgruppe warnt jedoch vor Missbrauch: Derartige Ansätze sollten nicht genutzt werden, um Kundinnen und Kunden stärker von Alkohol abhängig zu machen.

Sowohl bei der Bewertung von Bier als auch bei Bildern muss künstliche Intelligenz zunächst mit Daten aus dem menschlichen Erfahrungsschatz gefüttert werden. Wie gut sie funktioniert und ob KI tatsächlich so angewandt wird, dass Biertesterinnen und Biertester "wegrationalisiert" werden, liegt in der Entscheidungsmacht der Menschen. (sic, red, 26.3.2024)