Die Sache beschäftigte sogar den Finanzminister: Wenige Wochen vor der Nationalratswahl 2017 griff die SPÖ in Form von Finanzsprecher Jan Krainer den oberösterreichischen Unternehmer Stefan Pierer scharf an. Dieser stehe auf einer sogenannten Abschleicherliste und habe im Jahr 2013 gerade noch rechtzeitig Vermögen von Liechtenstein nach Österreich transferiert, ohne dass hohe Abgaben fällig gewesen seien.

Politisch war der Fall brisant, weil Pierer, Chef des Motorrad-Herstellers KTM, wenige Wochen zuvor 430.000 Euro an die ÖVP gespendet hatte. Dementsprechend nervös reagierte man dort. "Woher hat Krainer die Details zu Pierer?", schrieb der damalige Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) noch während der Nationalratssitzung an sein Team.

Stefan Pierer.
Pierer ist Präsident der oberösterreichischen Industriellenvereinigung.
FOTOKERSCHI.AT/WERNER KERSCHBAUM

Pierer selbst hatte immer betont, der Vermögenstransfer sei ordentlich gemeldet worden und korrekt abgelaufen. Das wiederholte der Unternehmer auch im Oktober 2020 im U-Ausschuss. Die ÖVP sprang ihm bei, der Abgeordnete Klaus Fürlinger sagte etwa, er sei "der tiefen inneren Überzeugung, dass Herr Pierer keine steuerrechtlichen Vergehen begangen hat".

Selbstanzeige eingebracht

Recherchen von STANDARD und ORF zeigen, dass Pierer im Zusammenhang mit seinen Geschäften in Liechtenstein jedenfalls Millionen Euro an Abgaben nachzahlen musste. Das geschah nach einer Selbstanzeige durch Pierer.

Diese Information ist von öffentlichem Interesse, weil Pierers Steuerangelegenheiten vor allem aufgrund seiner Spende an die ÖVP politisch diskutiert wurden. Zudem hat sich der Unternehmer selbst dazu geäußert. Außerdem war Pierer in der Zeit von Finanzminister Schelling Mitglied einer Expertengruppe, die "Input" zum Thema Steuerreform liefern sollte.

Pierer hatte im Jahr 2003 eine Lebensversicherung in Liechtenstein gegründet. Deren Vermögen wurde, vereinfacht gesagt, in einer Schweizer AG und einer Firma auf den British Virgin Islands angelegt. Die Erträge daraus wurden nicht versteuert.

Die Abschleicher

Im Jahr 2013 sollte ein Steuerabkommen mit Liechtenstein in Kraft treten. Dadurch wären die dort zuvor anonym gehaltenen Vermögenswerte offenbart worden. Zwei Wochen bevor das Abkommen schlagend wurde, kündigte Pierer die Versicherung und transferierte mehr als zwanzig Millionen Euro nach Österreich. Wäre das Abkommen schon in Kraft gewesen, hätte Pierer mehrere Millionen Euro an Abgaben zahlen müssen.

Zwei Jahre später beschloss die Regierung allerdings, dass alle Geldflüsse aus Liechtenstein rückwirkend gemeldet werden müssen. Daraus entstand die sogenannte Abschleicherliste, auf der sich auch Pierer befand.

Pierer hatte einst Sebastian Kurz (ÖVP) unterstützt und 430.000 Euro an die "neue ÖVP" gespendet
APA/HELMUT FOHRINGER

Die SPÖ thematisierte das dann im Wahljahr 2017, nachdem Pierer der ÖVP gespendet hatte. Daraufhin erstattete der Unternehmer, der bereits von der Großbetriebsprüfung geprüft wurde, eine Selbstanzeige bei der Finanz.

Insgesamt ergebe sich durch die Erträge der Versicherung in Liechtenstein zwischen 2007 und 2013 eine Abgabenverkürzung in Höhe von rund sechs Millionen Euro, dazu kämen Anspruchszinsen und eine Abgabenerhöhung. In Summe müsse Pierer somit mehr als acht Millionen Euro nachzahlen, hieß es in Dokumenten des zuständigen Finanzamts. Gegen die Zahlung von Anspruchszinsen und die Abgabenerhöhung legte Pierer eine Beschwerde ein, deren Ausgang nicht klar ist.

Abgaben, die vor 2007 fällig gewesen wären, seien verjährt. Bezüglich einer Stiftung in Liechtenstein sei es ab den 1990er-Jahren zu einer Verkürzung der Einkommenssteuer gekommen, schrieben Pierers Steuerberater.

Die Selbstanzeige erfolgte im Dezember 2017 und somit zwei Monate, nachdem Krainer im Nationalrat das Thema Abschleicherliste diskutiert hatte. Der Industrielle reagierte auf eine Anfrage nicht. 2017 hatte seine Sprecherin gesagt, Pierer sei "allen steuerlichen Verpflichtungen korrekt nachgekommen".

Interne Ermittlungen

Zu dieser Zeit suchte das türkise Finanzministerium intensiv nach undichten Stellen, die Informationen über Pierer nach außen getragen haben könnten. Das "Büro für interne Angelegenheiten" legte tausendseitige Akten über langjährige Mitarbeiter an und warnte Vorgesetzte, dass die verlangte Vorgehensweise "kontrovers und unprofessionell" sei, teils staatsanwaltschaftliche Ermittlungen konterkariere.

Kai Jan Krainer.
Kai Jan Krainer (SPÖ) hatte den Fall Pierer mehrfach thematisiert.
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Die internen Ermittlungen betrafen auch einen langjährigen Finanzbeamten, der vor drei Wochen im Cofag-U-Ausschuss befragt wurde. Er sprach davon, dass der damalige Sektionschef Eduard Müller, heute Vorstandsmitglied der Finanzmarktaufsicht (FMA), und Thomas Schmid "rechtswidrige Verfolgungsmaßnahmen" gegen ihn in Auftrag gegeben und die ÖVP über den Stand von Ermittlungen informiert hätten. Das Büro für interne Angelegenheiten bezeichnete der Steuerprüfer als "Eingreiftruppe", die keine gesetzliche Grundlage habe und nur per Erlass geregelt worden sei.

Pierer selbst hat sich trotz der türkisen Unterstützung offenbar von der Politik abgewandt. "Ich habe nicht die ÖVP unterstützt, sondern damals Sebastian Kurz. Es war eine Enttäuschung, das nehme ich zur Kenntnis", sagte er im Jahr 2022. Als Präsident der oberösterreichischen Industriellenvereinigung ist er nach wie vor aktiv. (Fabian Schmid, 26.3.2024)