Kellnerin serviert Nudeln.
Im Gastgewerbe benötigt man keinen Befähigungsnachweis, wenn man eine Ghost-Kitchen betreibt, also Speisen bloß ausliefert.
AP/Luca Bruno

Im Gastbeitrag erklärt Jurist Lukas Wieser, warum manche Regelungen in der Gewerbeordnung schwer nachvollziehbar sind.

Der Gastgewerbe-Befähigungsnachweis für Akademiker ist seit der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs Ende Februar Geschichte. Ein genauso erwartbares wie richtiges Ergebnis, weil es evident verfassungswidrig ist, den Zugang zu Gewerben mit Befähigungsnachweis zu gewähren, wenn die absolvierte Ausbildung – wie ein Maschinenbau- oder Numismatikstudium – keine einschlägigen Fähigkeiten vermittelt. Entscheidet sich der Gesetzgeber für den Befähigungsnachweis, müssen Anforderungsprofil und ausgeübte Tätigkeit einander entsprechen.

Schade ist allerdings, dass der VfGH die Gelegenheit nicht gleich dazu nutzte, generell über die Verfassungskonformität des Befähigungsnachweises im Gastgewerbe nachzudenken. Denn sowohl aus Perspektive der Erwerbsfreiheit als auch des Gleichheitssatzes ist die Reglementierung für das Gastgewerbe durchaus kritisch zu sehen –vor allem im Hinblick auf so manche Widersprüchlichkeit in der Gewerbeordnung (GewO).

Historischer Grund

Dass der Gewerbegesetzgeber das Gastgewerbe 1859 der Konzessionspflicht – ohne Befähigungsnachweis – unterwarf, lag in der Hauptsache daran, dass er Orte der Zusammenkunft in der Monarchie kontrollieren wollte. "Bedenkliche" Personen konnten so vorab ausgefiltert werden. Aus ähnlichem Grund – wider die Revolution – unterwarf die GewO 1859 etwa auch das Druckergewerbe einer Bewilligungspflicht.

Dass der Gewerbegesetzgeber mit der Novelle 1907 dann auch noch den Befähigungsnachweis etablierte, war einer Forderung bereits tätiger Gastwirte und damit dem Konkurrenzschutz geschuldet. Die Gesetzesmaterialien halten dazu fest, "[d]ie Forderung eines [Befähigungsnachweises] wird seit langer Zeit in den Kreisen der praktischen Interessenten erhoben und wurde in den [...] Beschlüssen der Reichskonferenzen der Gastwirte in Wien [...] mit besonderem Nachdrucke geltend gemacht". Die Einführung des Gastgewerbe-Befähigungsnachweises war aber durchaus umstritten, weil negative Auswirkungen auf das "Hotelwesen" befürchtet wurden. Dieses harrte – in damaliger Sprache – "noch dringend seines weiteren Aufschwunges". Die Letztentscheidung wurde deswegen an den Handelsminister im Einvernehmen mit dem Innenminister delegiert, der Ausnahmen vom Befähigungsnachweis vorsehen sollte.

Die historischen Zweifel an der Sachgerechtigkeit des Befähigungsnachweises für das Gastgewerbe werden durch Widersprüche im geltenden Gewerberecht verstärkt. Etwa bedarf es für weite Teile der Lebensmittelerzeugung keines Befähigungsnachweises: Sowohl die Erzeugung von Speiseeis als auch von Fisch- und Feinkostprodukten, Teigwaren oder Nahrungsergänzungsmitteln sowie die Verarbeitung von Obst und Gemüse stellt die GewO frei. Um die Lebensmittelsicherheit kann es also nicht gehen.

Auslieferer ausgenommen

Zudem benötigt man im Gastgewerbe keinen Befähigungsnachweis, wenn man eine Ghost-Kitchen betreibt, also Speisen bloß ausliefert. Schutzhüttenwirte werden ebenso vom Nachweis der Fachkunde dispensiert wie Personalchefs.

Als maßgeblicher Gesichtspunkt für den Gastgewerbe-Befähigungsnachweis verbleibt dann im Wesentlichen nur noch die "Konsumentenzufriedenheit". Warum sollte diese aber ausgerechnet beim Besuch einer Gastwirtschaft geschützt werden? Schließlich brauchen auch Hufschmiede, Fotografen, Personal Trainer oder Energetiker keinen Nachweis. Kinderbetreuungsagenturen stellt die GewO ebenso frei. Auch im Nagelstudio, Fitnesscenter oder Solarium wird Konsumenten kein gewerberechtlicher Schutz zuteil, obwohl dort gesundheitliche Risiken lauern.

Der Gleichheitssatz gebietet es, Gleiches gleich und Ungleiches ungleich zu behandeln. Es bleibt fraglich, warum Gastwirte eine Befähigung nachweisen müssen, wenn die GewO so viele andere Gewerbetreibende von dieser Pflicht entbindet. (Lukas Wieser, 26.3.2024)