Dragons Dogma 2
"Dragon's Dogma 2" hätte ohne die Mikrotransaktionen-Debatte sicher bessere Rezensionen bekommen.
Capcom

Wiederbeleben 0,99 Euro. Einmal ein Portal benutzen 2,99 Euro. Einmal ein Campingzelt aufstellen 2,99 Euro. Was klingt wie ein kostenloses Mobile-Game, ist tatsächlich eine Preisliste, die im Zuge des Releases von "Dragon's Dogma 2" auf der Vertriebsplattform erschienen ist. Das von den meisten Kritikern und Spielern hochgelobte Rollenspiel sackte nach Veröffentlichung dieser "Preisliste" in der Gunst massiv ab und steht auf Steam bei über 7.000 Rezensionen derzeit bei "ausgeglichen", nachdem es vorher auf "sehr positiv" stand.

Ein Beispiel gefällig? "Was zum **** ist das?! 65 Euro für.. SOWAS?! Man kann sich nur EINEN EINZIGEN Charakter erstellen, und wisst ihr was? Wenn ihr das Aussehen eures Charakters ändern wollt, MÜSST ihr saftige 2 Euro bezahlen. Es ist ein ******* Singleplayer-Spiel!"

Wenn es ums Geld geht, dann hört sich der Spaß nicht nur bei Videospielern auf. Seit jeher ist der Preis von digitalen Games eine gute Basis für Diskussionen. Von der Raubkopienkultur der C64-, Amiga- und Atari-ST-Zeiten über via Bazar organisierte gebrannte CDs für die ersten beiden Playstations bis hin zu diversen Keys von Fremdplattformen, die heute noch Spiele günstiger anbieten, als sie auf offiziellen Kanälen kosten. Fast immer gab es Wege, für Spiele nicht den Vollpreis zu zahlen, bis pfiffige Hersteller "always on" und andere Sicherheitsbarrieren einbauten, um zumindest einen Großteil der illegal verbreiteten Spiele in den Griff zu bekommen.

Die Diskussion rund um den initialen Preis eines Spiels wurde in den letzten Jahren aber vor allem durch Mikrotransaktionen in Vollpreisspielen erweitert. Ein Reittier um 100 Euro für das Action-Rollenspiel "Diablo IV" sorgte ebenso für zorniges Feedback im Internet wie das aktuelle Beispiel von Capcom und "Dragon's Dogma 2". Die Frage, ob diese Transaktionen aus reiner Geldgier eingebaut werden oder anders der Preis für Spiele zumindest verdoppelt werden müsste, wird an dieser Stelle nicht zur Gänze geklärt werden können. Die Frage, wie viel wir für Spiele bereit sind zu zahlen, können wir aber offen besprechen. Vielleicht lesen die Entwickler ja mit.

Steam / Dragons Dogma 2
Eine Preisliste von Funktionen, die man extra dazukaufen kann, wenn man sie im Spiel selbst nicht "grinden" will. Damit hat sich Capcom keinen Gefallen getan.
Steam / Dragons Dogma 2

40 Euro reichen

80 Euro seien viel für das kürzlich erschienene "Final Fantasy VII Rebirth", meinte letztens ein Freund zu mir. "Ist es gut?", fragte ich. "Super Spiel", war die kurze Antwort. Ob er auch 100 Euro dafür zahlen würde, frage ich weiter. Diverse "Special Editions" von Spielen verlangen das ja bereits heute. Ein zögerliches "Vielleicht" kommt ihm über die Lippen, so richtig überzeugt wirkt er nicht.

Seit Jahren jammert die Branche, dass speziell die großen Titel zu teuer geworden sind. 100 Millionen Dollar und mehr sind für Produktionen wie "Spider-Man", "Diablo" oder "Resident Evil" keine Ausnahme mehr. Vielen Studios hat das in den letzten Monaten den Hals gekostet. Ein Flop, und die Sperrung wurde vollzogen. Nicht umsonst versuchen möglichst frühe Vorbestelleraktionen der Publisher die Nachfrage abzufragen. Dass dann trotzdem die Server überlastet sein können, haben Erfolgstitel wie "Helldivers 2" oder "Last Epoch" bewiesen. Beides keine Vollpreistitel, sei am Rande erwähnt.

Aber was soll die Branche machen, wenn 80 Euro vielen schon zu viel sind? Für mehr Speicherstände oder Heiltränke zwei Euro verlangen kann ja nun wirklich nicht der Weisheit letzter Schluss sein. In den nächsten Tagen wird jemand von Capcom mit Sicherheit Stellung zu den Mikrotransaktionen in "Dragon's Dogma 2" beziehen. Hoffe ich zumindest. Ein technisch sicher nicht perfektes, aber spielerisch offenbar mehr als zufriedenstellendes Produkt aufgrund von solchen Methoden in die Kritik zu spülen kann nicht das erklärte Ziel vom erfolgsverwöhnten Publisher aus Japan sein.

Lösung ist kompliziert

Also weder mehr Geld für einzelne Spiele verlangen können noch Mikrotransaktionen einbauen dürfen – was bedeutet das mittelfristig für die Spielentwicklung? Vielleicht wieder weniger auf großes Kino setzen, das fünf bis sieben Jahre in Entwicklung ist und dann doch nicht die Erwartungen erfüllt. Vielleicht ein fertiges Produkt anbieten, das von der ersten Minute an Spaß macht und die Liebe der Entwickler zu ihrem Produkt spürbar macht. "Helldivers 2" ist nicht perfekt, speziell was die Abwechslung betrifft, aber das Spielkonzept macht einfach Laune, auch wenn es zu einem Großteil von wahnsinnig großen Explosionen profitiert. Auch der virale Faktor darf 2024 nicht unterschätzt werden, auch wenn das manchmal nur zu kurzfristigen Hypes führt, wie am Beispiel "Palworld" deutlich wird. Aber auch das "Pokémon mit Waffen" hat sich mit 25 Millionen Spielern mit Sicherheit refinanziert und erlaubt den Entwicklerneulingen, am Spiel weiterzufeilen, ohne für Pokébälle oder wie sie in "Palworld" heißen zwei Euro verlangen zu müssen.

Ich traue mich zu behaupten, dass "GTA VI" auch 100 Euro kosten kann und vielleicht sogar wird, sich im kommenden Jahr aber trotzdem viele Millionen Mal verkaufen wird. Andere sollten diesem Beispiel aber aus diversen Gründen nicht folgen und lieber im Produktionsvolumen sparen und Spiele machen, die sich auch mit ein paar Hunderttausend verkauften Kopien einigermaßen refinanzieren. Dann kann man ja noch immer diverse Season-Passes anbieten, die einen Mehrwert für zahlende Kunden bieten, ohne das Spiel für das Stammpublikum zu beschneiden.

Gute Beispiele gibt es mittlerweile genug. "Elden Ring" und "Baldur's Gate 3" haben viele in den letzten Jahren als Herzeigetitel genannt, die einfach ein fertiges Spiel bieten, das herausragend ist und maximal durch umfangreiche DLCs erweitert wird. Auch bei "Helldivers 2" oder "Rainbow Six Siege" kann ich mir mit Echtgeld zwar schneller neue Waffen oder Kostüme freischalten, wenn ich das nicht brauche, bekomme ich trotzdem ein fertiges Spiel ohne versteckte Kosten. Man darf gespannt sein, in welche Richtung sich die Branche entwickeln wird. 100-Euro-Spiele werden es aber wohl nicht sein – und hoffentlich auch keine, in denen ich nach dem initialen Kauf auch noch für grundlegende Spielfunktionen zur Kasse gebeten werde. (Alexander Amon, 23.3.2024)