Es ist ein ungewöhnliches Bild am Wiener Kohlmarkt. Auf Nummer 3 der Wiener Luxuseinkaufsmeile ranken sich bunte Blumen in verschiedenen Pastellfarben an der Fassade hinauf bis in das erste Stockwerk. Sie stammen aus der Feder des französischen Künstlers Martin Berger und wurden extra für die Eröffnung des Stores des französischen Luxusjuweliers Van Cleef & Arpels aufgestellt. Es ist die erste Niederlassung des zur Richemont-Gruppe gehörenden Unternehmens in Österreich. Am Kohlmarkt befindet man sich in bester Gesellschaft. Die Nachbarschaft ist gespickt mit teuren Läden. Wer etwas auf sich hält, ist hier präsent.

Der Store von Van Cleef & Arpels am Kohlmarkt hat diese Woche eröffnet.
Van Cleef & Arpels

Mit Van Cleef & Arpels' Übernahme des früheren Standorts der Giorgio-Armani-Boutique geht das Bäumchen-wechsel-dich-Spiel an den exklusivsten Adressen der Stadt auch 2024 weiter. Anfang dieses Jahres hat etwa die Luxusmodemarke Moncler auf der gegenüberliegenden Straßenseite des alten Geschäfts ein neues eröffnet. Das war aber nur ein Vorgeschmack darauf, was heuer noch folgen wird. Im Mai soll Cartier nach Umbauarbeiten die Boutique am Eck Kohlmarkt und Graben wieder aufsperren. Und auch neue Shops von Saint Laurent und Dior soll es noch heuer geben – zumindest suggerieren das die Planen vor den Baustellen.

Diskretes Geschäft

Dabei gab es bereits 2023 so viele Neuigkeiten rund um Graben und Kohlmarkt wie lange nicht. Für die größte Aufmerksamkeit sorgte der Umzug der Luxusmarke Louis Vuitton, die von René Benkos Goldenem Quartier ein paar Meter weiter ins Wüstenrot-Haus am Graben Nummer 20 zog. Hier war jahrzehntelang Julius Meinl beheimatet. Das Delikatessengeschäft gibt es zwar immer noch – es hat sich aber deutlich verkleinert.

Die Luxusimmobilienbranche ist eine sehr diskrete. Offen Auskunft darüber, wer hier demnächst die Kisten packen und umziehen könnte, will also niemand geben. Dem Vernehmen nach dürfte es aber auch im heurigen Jahr noch einige weitere Umzüge und Markteintritte geben. Nicht zuletzt deshalb, weil Dior im Herbst den früheren Standort von Louis Vuitton übernehmen wird. Die Umbauarbeiten laufen bereits hinter ausreichend Sichtschutz. Ziegelstaub und Luxusimage vertragen sich nicht. Wie gesagt: Diskretion ist das A und O.

Bei Dior wird schon länger umgebaut, hier ein Archivbild aus dem Vorjahr.
Heribert Corn

Die Fläche bleibt somit in der Familie, Dior und Louis Vuitton gehören beide zum französischen LVMH-Konzern. Und auch der bisherige Dior-Standort, der dann gegen Ende des Jahres also frei wird, wird konzernintern weitervergeben. Dem Vernehmen nach an eine Marke, die bisher noch nicht in Wien vertreten ist. Zuletzt war bereits Fendi im Gespräch. Dagegen spricht aber, dass die Marke bereits am Kohlmarkt 5 residiert.

Keine Kompromisse

Was bringen diese Umzüge in der teuersten Lage des Landes? "Es geht immer um die Sichtbarkeit", fasst Franziska Patay, Retail-Expertin bei EHL Immobilien, zusammen. Viele Unternehmen würden sich einen Standort in der Nähe jenes Hauses wünschen, in das vor kurzem Louis Vuitton eingezogen ist, also in jenem Eck, wo Kohlmarkt und Graben aufeinandertreffen. Kompromisse werden nur ungern eingegangen. Für viele Luxuslabels komme auch eine Adresse an der Kärntner oder der Rotenturmstraße nicht infrage. Und selbst jener Teil des Grabens in Richtung Stephansplatz sei vielen nicht mehr exklusiv genug.

Wer solche spezifischen Anforderungen hat, muss mitunter einiges an Geduld mitbringen. Denn passende Flächen sind rar, weshalb auch Bieterstreits unter Interessenten ausbrechen. Andere, besonders exklusive Flächen kommen gleich gar nicht offiziell auf den Markt und werden nur einem ausgewählten Publikum angeboten – angeblich gibt es auch aktuell die eine oder andere Fläche am Kohlmarkt, die offiziell gar nicht zu haben ist.

Tanja Tanczer, Retail-Chefin von Colliers, hat den 400 Quadratmeter großen Store am Kohlmarkt 3 an Van Cleef & Arpels vermittelt. Sie kennt die lange Vorlaufzeit, die eine Shop-Eröffnung in einem solchen Segment hat. Teilweise dauere es von der Unterzeichnung des Mietvertrags bis zur Eröffnung des Stores bis zu zwei Jahre – auch weil viele Häuser in der Innenstadt denkmalgeschützt sind und die Planung daher noch einmal aufwendiger ist. In diesem exklusiven Segment werden bis zu 10.000 Euro pro Quadratmeter in den Luxusausbau der Flächen investiert, dafür spielen diese dann beispielsweise mit Marmorboden und Seidentapeten aber auch alle Stückerln.

Alles gleich

Bis zu 600 Euro werden in der Lage pro Monat und Quadratmeter an Miete für kleine Flächen bezahlt, weil diese besonders begehrt sind, bis zu 250 Euro für größere, steht in einem Retail-Marktbericht von EHL Immobilien. Angesichts dieser Dimensionen ist es also nicht weiter verwunderlich, dass sich auf den Geschäftsflächen mittlerweile hauptsächlich internationale Konzerne breitmachen.

Eine der exklusivsten Adressen des Landes: der Kohlmarkt.
Heribert Corn

Eine häufig geäußerte Kritik ist, dass die Einkaufsstraßen auf der ganzen Welt deshalb mittlerweile gleich aussehen. Tanja Tanczer betont aber, dass es in Wien immer noch einige kleine Geschäfte mit unbefristeten Mietverträgen gebe, die seit Jahrzehnten in Familienhand seien. Insgesamt wird die Gegend mittlerweile allerdings von internationalen Labels dominiert. Österreichische Unternehmen würde es dann in der Inneren Stadt eher zum Hohen Markt, zum Neuen Markt, zur Brandstätte, in die Seilergasse oder die Spiegelgasse ziehen, sagt Retail-Expertin Patay.

An eine österreichische Eigenart haben sich internationale Konzerne laut Tanczer mittlerweile gewöhnt, nämlich die Mietvertragsvergebührung, bei der ein Prozent der gesamten Bruttomietkosten anfällt – also Miete, Betriebskosten und Umsatzsteuer auf die gesamte Laufzeit des Mietvertrags gerechnet. Bei den hier üblichen Miethöhen kommt bei einem über 20 Jahre laufenden Mietvertrag also einiges zusammen. "Wir schicken immer schon frühzeitig eine Vorberechnung", sagt Tanczer. Auf das Geld würden Mietinteressenten auch im Luxussegment schauen – letztendlich würde dieses österreichische Spezifikum aber natürlich kein internationales Unternehmen vom Markteintritt abhalten.

Zukunft des Goldenen Quartiers

Und dann könnte in den kommenden Wochen oder Monaten noch ein größerer Eigentümerwechsel im Grätzel anstehen: Wie es mit René Benkos Goldenem Quartier, das sich über Graben, Tuchlauben und Am Hof erstreckt, weitergeht, wird von vielen mit Argusaugen beobachtet. Die deutsche Schoeller Group ist mit ihrem Angebot vor wenigen Tagen vor dem Gläubigerausschuss vorerst abgeblitzt. In der Branche geht man jedenfalls davon aus, dass auch ein neuer Eigentümer das Luxus-Einkaufszentrum wie gewohnt fortführen wird. Und alles beim Alten – und vor allem sehr, sehr hochpreisig – bleibt. (Franziska Zoidl, Michael Steingruber, 24.3.2024)