Zeitungsstapel
Derzeit wird in der Regierung über neue Regeln für Medien verhandelt. Eine Lösung zeichnet sich bisher nicht ab.
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Zwei Reformvorhaben der türkis-grünen Regierung lassen derzeit bei Medien die Alarmglocken schrillen. Aufgrund einer höchstgerichtlichen Entscheidung muss die Presse künftig stärker an das Datenschutzrecht gebunden werden. Die ÖVP will diese Gelegenheit offenbar nutzen, um Medien im selben Atemzug zu verbieten, aus strafrechtlichen Ermittlungsakten zu zitieren. Der Presseclub Concordia ortet eine "existenzielle Bedrohung der Pressefreiheit im Wahljahr".

Ausgelöst hatte die Reform im Datenschutzrecht ursprünglich ein Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof (VfGH), an dem DER STANDARD beteiligt war. Bis dato sind Medien generell vom Datenschutzrecht ausgenommen. Laut der VfGH-Entscheidung geht diese generelle Ausnahme allerdings zu weit. Künftig müssen auch Zeitungen, Radiosender und Fernsehsender im Einzelfall abwägen: Widerspricht die Verwendung von Daten den Rechten betroffener Personen? Oder überwiegt die Pressefreiheit?

Sorge vor Anfrageflut

Aufgrund der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs läuft die generelle Ausnahme vom Datenschutzrecht für Medien mit Ende Juni 2024 aus. Bis dahin muss die Regierung eine Neuregelung schaffen, die die unterschiedlichen Grundrechte gegeneinander abwägt und miteinander in Einklang bringt. Das Vorhaben ist heikel.

Medien hantieren zum Teil mit Daten, die ihnen von Informantinnen und Informanten zugespielt werden. Personen, über die berichtet wird, könnten nun versuchen, sich via Auskunftsbegehren über Recherchen zu informieren. Wären Medien dazu verpflichtet, diese Daten herauszugeben, wäre das Redaktionsgeheimnis gefährdet und damit eines der wichtigsten Werkzeuge des kritischen Journalismus. Wer Angst haben muss, als Informant enttarnt zu werden, wird davon Abstand nehmen, sich an Medien zu wenden. Die Folge wäre ein Rückschlag für investigative Recherchen.

Müssten Medienunternehmen laufend Auskunftsbegehren betroffener Personen bearbeiten – mögen sie auch aus der Luft gegriffen sein –, könnte das zudem die Berichterstattung verschleppen. All dies zeigt, wie wichtig eine ausdifferenzierte Neuregelung des Datenschutzrechts für Medien ist.

Kritik an Vorhaben

Mittlerweile hat das Justizministerium unter Alma Zadić (Grüne) intern einen Gesetzesentwurf vorgelegt. Das, was bisher über das Vorhaben bekannt ist, sehen Medienvertreter aber durchwegs kritisch. Die Regelung würde der Datenschutzbehörde (DSB) etwa zu viel Entscheidungsmacht übertragen. "Die DSB sollte als Verwaltungsbehörde die Rechtmäßigkeit journalistischer Veröffentlichungen nicht inhaltlich beurteilen", sagt Rechtsanwalt Paul Pichler, der den Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ) vertritt. "Dafür sind im Medienrecht bisher ausschließlich unabhängige Gerichte zuständig. Das sollte so bleiben."

Außerdem werde die Gefahr einer Antragsflut durch Betroffene und von Einschüchterungsklagen (Slapp-Klagen) nicht ausreichend adressiert. Betroffene dürften zwar vor der Veröffentlichung eines Artikels kein Auskunftsbegehren stellen, sehr wohl aber danach. Aus Sicht von Anwalt Rainer Knyrim gibt es dabei zwei Probleme: "Zum einen wird sich die Frage stellen, ob das Redaktionsgeheimnis ausreichend geschützt ist. Zum anderen gibt es eine berechtigte Angst vor Massenverfahren, die bei Medien einen enormen Aufwand verursachen könnten", sagt der Datenschutzexperte.

Laut STANDARD-Informationen ist in den Verhandlungen derzeit viel in Bewegung. Der Verfassungsdienst prüft, ob das Auskunftsbegehren von Betroffenen noch weiter eingeschränkt werden könnte. Denkbar wäre auch eine Erhöhung der Gebühren, um mehr Handhabe gegen mutwillige Masseanfragen zu haben. Debattiert wird zudem darüber, ob man statt der Datenschutzbehörde die Medienbehörde KommAustria zuständig macht.

Verhandlungen laufen

Aus dem grünen Justizministerium heißt es, dass man bei der Neuregelung des Datenschutzrechts für Medien offen für weitere Verbesserungsvorschläge sei. Die Redaktionsgeheimnis sei jedenfalls geschützt. Daten, die dem Redaktionsgeheimnis unterliegen, "müssen niemals offengelegt werden".

Die Sprecherin von Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) verweist darauf, dass die Verhandlungen mit dem Koalitionspartner laufen und man sich "zum derzeitigen Zeitpunkt nicht dazu äußern" möchte. In einem Statement von Medienministerin Susanne Raab hieß es am Samstag, dass der Entwurf des Justizministeriums "die Arbeit in den Redaktionen massiv erschweren würde". Man habe dem Ministerium Anmerkungen "für einen besseren Schutz des Redaktionsgeheimnisses" übermittelt. In den vergangenen Monaten hatte das Medienministerium auf Anfragen des STANDARD auf die Zuständigkeit des Justizministeriums verwiesen.

Die Zeit drängt: Damit das Gesetz vor Juli das herkömmliche parlamentarische Prozedere inklusive Begutachtungsfrist durchlaufen kann, müsste Mitte April ein fertiger Ministerialentwurf vorliegen. Für die Verhandlungen bleiben also wenige Wochen.

Pattstellung in der Regierung

Dem Vernehmen nach will die ÖVP der Reform nur zustimmen, wenn es Medien gleichzeitig verboten wird, wörtlich aus strafrechtlichen Ermittlungsakten zu zitieren. Die Grünen haben ein derartiges Verbot bisher immer abgelehnt. Doch einigt sich die Regierung bis Ende Juni 2024 nicht auf eine Neuregelung, würden Medien mit einem Schlag ganz generell dem Datenschutzrecht unterliegen. Die Folge wäre nicht nur ein europarechtswidriger Zustand, sondern massive Rechtsunsicherheit für Medien, sagt Nikolaus Forgó, Professor für Medienrecht an der Universität Wien, dem STANDARD.

Selbst ohne Neuregelung dürfte die Datenschutzbehörde (DSB) freilich nicht automatisch jedem Auskunftsbegehren stattgeben, das Betroffene an Medien stellen. Behörden und Gerichte müssten dennoch europarechtskonform agieren und die Pressefreiheit stets mit dem Grundrecht auf Datenschutz abwägen. Wenn es keinen gesetzlichen Leitfaden gibt, nach welchen Grundsätzen diese Abwägung ablaufen soll, bedeutet das für Medienunternehmen allerdings große Unsicherheit, weil jeder Einzelfall völlig individuell beurteilt werden müsste. "Das kann so nicht sein", sagt Forgó.

Dass Medien künftig stärker in die Pflicht genommen werden, hält der Jurist aber grundsätzlich für notwendig und europarechtlich geboten. "Schließlich geht es um die Grundrechte betroffener Personen. Deshalb ist es auch so wichtig, dass eine ausgewogene gesetzliche Regelung geschaffen wird." In Deutschland, wo die Abwägung von Datenschutz und Pressefreiheit bereits gesetzlich geregelt ist, funktioniere das System in der Praxis gut. Als Vorbild für Österreich ist die Regelung jedoch kaum geeignet, weil sie zum Teil im Zuständigkeitsbereich der deutschen Bundesländer liegt und jeweils unterschiedlich geregelt wird.

Zerreißprobe Zitierverbot?

Ob die ÖVP die Reform des Datenschutzrechts tatsächlich an ein Verbot des Zitierens aus Ermittlungsakten knüpfen will, wollte man auf Nachfrage des STANDARD im Büro von Verfassungsministerin Edtstadler nicht mitteilen.

Aus Sicht des Presseclubs Concordia wäre die Regelung jedenfalls eine "entscheidende Schwächung der medialen Kernaufgabe". Zudem würde sie zu einer "Kriminalisierung" von Journalistinnen und Journalisten führen.

In Deutschland, wo es bereits ein Zitierverbot gibt, hegen Verfassungsrechtler Bedenken gegen dessen rechtliche Zulässigkeit. Die deutsche Regelung führt in der Praxis zudem ein Schattendasein, weil der Bundesgerichtshof (BGH) Journalistinnen und Journalisten im öffentlichen Interesse sehr wohl das Recht zubilligt, aus Aktenbestandteilen zu zitieren, erklärte der deutsche Medienrechtler Thomas Hoeren zuletzt dem STANDARD.

Erlaubt wurde in der Vergangenheit etwa das Zitieren aus Tagebucheinträgen, die in Akten vorkommen. Diese Rechtsprechung ließe sich wohl auf Chats übertragen. Im Ergebnis unterscheide sich die Rechtslage in Deutschland deshalb kaum von der aktuellen Situation in Österreich, sagte Hoeren. (Jakob Pflügl, 21.3.2024)