Impfspritze
Medikamente, die zurzeit in flüssiger Form verabreicht werden, sollen künftig in Form von Tabletten auf den Markt kommen. Das könnte die Kosten für die aufwendige Lagerung flüssiger Arzneien bedeutend senken.
Fleig / Eibner-Pressefoto via ww

Dem Ideal des reinen, nicht an Anwendung interessierten Erkenntnisstrebens steht heute – im Unterschied zur griechischen Antike, in der es entstand – ein anderes Ideal gegenüber: jenes der Wissenschaft als eines schlagkräftigen Instruments im nationalen wie globalen ökonomischen Wettbewerb. Forschung soll demzufolge der Volkswirtschaft dienen, positiv auf die Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts wirken und damit den Wohlstand erhöhen. Nicht zuletzt deshalb, weil sie ja oft durch öffentliche Gelder ermöglicht wird.

Vorteilhaft für Unis und BIP

Ein probates Mittel, dem Ziel des Wissenstransfers näherzukommen, ist es, die Ausgründung von Unternehmen aus akademischen oder auch außeruniversitären Forschungseinrichtungen zu unterstützen. Dafür wurde das österreichische Förderprogramm "Spin-off-Fellowship" entwickelt. Es soll jungen Forscherinnen und Forschern die monetären Mittel, insbesondere aber auch das Know-how an die Hand geben, um den Schritt in die Selbstständigkeit wagen zu können. Die Finanzierung erfolgt durch das Wissenschaftsministerium, mit der Abwicklung ist die Forschungsförderungsgesellschaft FFG betraut.

Um den Nutzen solcher Programme zu evaluieren, hat das Wissenschaftsministerium eine Studie in Auftrag gegeben. "Dabei hat sich ganz klar gezeigt, dass die gezielte Förderung von Spin-offs nicht nur die Drittmittelfinanzierung der Unis befördert, sondern auch generell einen Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts von bis zu sieben Euro pro investierten Euro bewirkt", sagte Wissenschaftsminister Martin Polaschek kürzlich in einer Pressekonferenz. Das Programm ist explizit unkompliziert und niederschwellig konzipiert. Wissenschafterinnen und Wissenschafter, die eine wirtschaftlich potenziell erfolgreiche Idee haben, können diese bei der FFG einreichen. Das Geschäftsmodell muss lediglich als grafische einseitige Darstellung vorgelegt werden – als sogenanntes Lean Canvas oder Business Model Canvas. Bei positiver Bewertung gibt es zwischen 100.000 und 500.000 Euro Förderung für eine Projektlaufzeit von mindestens zwölf und maximal 18 Monaten.

15 Millionen Euro Budget

Während dieser Zeit soll sich der Fellow beziehungsweise das Fellow-Team auf die technologische Weiterentwicklung der Gründungsidee konzentrieren. Erst danach beginnt die eigentliche Unternehmensgründungsphase. Insbesondere sind die geförderten Fellows in der Projektzeit von organisatorischen Verpflichtungen seitens ihres Arbeitgebers entbunden. Deshalb ist die Einbindung des Arbeitgebers ein Kernelement des Fördermodells. Beispielsweise muss es eine Vereinbarung zwischen Fellow und Forschungseinrichtung über die künftige Verwertung der geistigen Rechte geben.

Die Fellows sind außerdem zur Wahrnehmung bestimmter Weiterbildungsangebote verpflichtet – etwa Workshops zu Unternehmensgründung, Organisationsentwicklung, Finanzierung oder Marktanalyse. Auch die Teilnahme an Netzwerktreffen ist vorgesehen, um sich mit anderen Gründerinnen und Gründern, aber auch potenziellen Investorinnen und Investoren auszutauschen und so hilfreiches Feedback zu bekommen. Die Förderungsquote beträgt 100 Prozent. Damit dürfen Entwicklungskosten, aber auch Personalkosten, Reisekosten oder Leistungen Dritter finanziert werden.

2017 wurde das Programm ins Leben gerufen, bisher wurden 24 Projekte mit einem Budget von 8,7 Millionen Euro gefördert, die in 16 Firmengründungen resultierten. Das entspricht einer durchaus guten Erfolgsquote von 66,67 Prozent. Für die Periode 2022 bis 2025 wurde eine zweite Ausschreibungsrunde mit einem Gesamtbudget von 15 Millionen Euro gestartet. In dieser Runde laufen aktuell 22 Projekte, erste Firmengründungen könnten im Herbst dieses Jahres stattfinden.

Medikamente in neuer Form

Typischerweise sind die Projekte in den Bereichen Life Sciences, Materialwissenschaften oder Quantenphysik beheimatet. David Wurm etwa ist einer, der das Programm erfolgreich absolviert hat. Der studierte Chemiker ist CEO und Co-Gründer des Unternehmens Novoarc, dessen Ziel es ist, Medikamente, die derzeit in flüssiger Form gespritzt werden, in Tablettenform auf den Markt zu bringen. Damit ließe sich medizinisches Personal einsparen, aber auch Kosten für die oft aufwendige Lagerung flüssiger Medikamente empfindlich reduzieren.

Den größten Fokus legt das Unternehmen auf die Entwicklung einer Schluckimpfung für mRNA-Impfstoffe. "Ohne die Förderung wären wir heute nicht dort, wo wir sind", sagt er. "Bei der Einreichung standen wir an einem sehr entscheidenden Punkt: Unsere Produktidee war bereits zu weit fortgeschritten, um noch Grundlagenförderung zu bekommen. Aber noch nicht weit genug, dass ein Investor Geld hineingesteckt hätte. Genau für diese Phase war das Programm perfekt." Das wissenschaftliche Kern-Know-how der Wiener besteht darin, Wirkstoffe in Lipide "einzupacken" und sie so vor Enzymen und Magensäure zu schützen. Die Lipide wiederum entnehmen sie den Zellmembranen sogenannter extremophiler Mikroorganismen – Lebewesen, die bei Temperaturen um 80 Grad und in einem pH-Wert-Milieu von unter drei leben. Man findet sie etwa im Yellowstone-Nationalpark.

Zehn Mitarbeiter hat Novoarc bereits, das auch über die Austria Wirtschaftsservice GmbH gefördert wurde. Zudem konnte Novoarc im Jahr 2022 bei der Start-up-Competition "Best of Biotech" in der Kategorie Biotech/Pharma überzeugen. Langfristig sieht das Geschäftsmodell vor, die Lipide selbst zu produzieren und gemeinsam mit pharmazeutischen Firmen Medikamente in Lizenz auf den Markt zu bringen. "Wir versuchen, potenzielle Partner von unserer Technologie zu überzeugen", sagt Wurm. "Es reicht nicht, einen Mehrwert für die Patienten zu bieten. Nur wenn sich eine Technologie auch wirtschaftlich rentiert, kann sie auch auf den Markt kommen." (Raimund Lang, 31.3.2024)