Organigramm einer Raubserie
Die Polizei hat die aufgeklärte Raubserie auf dieser Infotafel zusammengefasst.
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Die Polizei hat eine Bande ausgehoben, die auf Raubdelikte unter Anwendung von Betäubungsmitteln spezialisiert war. Insgesamt vier Personen – drei Frauen und ein Mann aus Ungarn – wurden festgenommen. Sie sollen im vergangenen Herbst in mehreren Bundesländern in Österreich mindestens zehn Männer im Alter zwischen 56 und 85 Jahren betäubt und ausgeraubt haben. Ihre Opfer hatten sie auf einer bekannten Datingplattform ausgesucht. Den finanziellen Schaden bezifferte Major Armin Kuric vom Landeskriminalamt Wien, Außenstelle Nord, am Mittwoch mit rund 90.000 Euro.

Die äußerst umfangreichen Ermittlungen begannen vergangenen September mit der Anzeige eines Mannes aus Wien. Er gab an, online ein Dame aus Ungarn kenngelernt zu haben, die er nach einem mehrwöchigem Chat und dem Austausch von Telefonnummern zu sich nach Hause eingeladen habe. Als er ihr die Tür öffnete, sei ihm zwar aufgefallen, dass sie auf der Datingplattform das Bild einer anderen Frau verwendet habe, dennoch habe er die Bekanntschaft hereingelassen. Sie konnte nicht Deutsch, er nicht Ungarisch. Kommuniziert habe man mithilfe von Übersetzungsprogrammen auf dem Handy. Das Letzte, woran er sich erinnern könne, sei, dass man gemeinsam einen Drink genommen habe. Als er am nächsten Tag völlig verkatert aufwachte, waren Geld und Wertgegenstände im Wert von 23.000 Euro weg.

Fälle in fünf Bundesländern

Innerhalb weniger Wochen häuften sich ähnliche Anzeigen. Es gab Fälle in Wien, in Linz, in St. Veit an der Glan, in Güssing, in Wels und in Ramsau. Kriminalist Gerald Scheidl vom Wiener Landeskriminalamt erkannte den Modus Operandi und führte die Fälle zusammen. Nachdem es gelungen war, ein echtes Foto einer mutmaßlichen Täterin aus Ungarn auszuforschen, wurde die Kriminalpolizei in Budapest eingeschaltet, die ihre echte Identität feststellte. Schließlich konnte die 43-jährige Frau in Wien festgenommen werden.

Bei ihren Befragungen habe sie ein umfassendes Geständnis abgelegt. Sie und drei Komplizinnen im Alter zwischen 23 und 28 Jahren sowie ein 52-jähriger Komplize hätten die Opfer betäubt und danach ausgeraubt. Der männliche Verdächtige habe in der Nähe gewartet, bis er grünes Licht für das Abholen erhalten habe. Er und eine der beschuldigten Frauen bestreiten die Vorwürfe, alle befinden sich in U-Haft. Die Beute war recht unterschiedlich, in einem Fall in Wien-Döbling waren etwa nur 50 Euro Bargeld zu holen, in Linz wurde ein Mann um Schmuck und Wertsachen im Wert von 35.000 Euro erleichtert.

Die K.-o.-Tropfen hat die Bande laut Polizei selbst hergestellt, genau genommen war es ein Pulver, das unter anderem Benzodiazepin enthielt. Die Dosis dürfte gefährlich hoch angesetzt worden sein. Manche Opfer waren tagelang extrem geschwächt und zogen sich in der Folge bei Stürzen Verletzungen zu. "Der immaterielle Schaden ist nicht zu unterschätzen", betont Kriminalist Kuric. Die Fahnder vermuten, dass es noch wesentlich mehr Opfer geben könnte, die sich aus Scham bisher nicht gemeldet haben. "Aber wer Opfer eines Verbrechens wurde, muss sich nicht schämen", so Kuric.

Kriminalist Kuric
"Niemand muss sich schämen, wenn er oder sie Opfer eines Verbrechens geworden ist", sagt Armin Kuric vom Landeskriminalamt Wien, Außenstelle Nord.
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Was viele nicht wissen, ist, dass Verbrechensopfer in Österreich einen gesetzlich geregelten Anspruch auf Entschädigung haben – unabhängig von Entschädigungszahlungen, zu denen Täter verurteilt werden können. Wer durch eine vorsätzliche Straftat, die mit mehr als sechs Monaten Freiheitsstrafe bedroht ist, eine Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung erlitten hat, erhält auf Antrag finanzielle Entschädigung. Das kann ein Ersatz für Verdienstentgang sein, aber auch für Kosten für Heilfürsorge oder eine orthopädische Versorgung. Auch wenn bei einer Attacke eine Brille kaputtgeht, wird diese ersetzt. Betroffene Personen oder deren Angehörige erhalten beim Weißen Ring unter der Nummer 050 50 16 Auskunft. (Michael Simoner, 20.3.2024)