Es waren Österreicher, die einst das deutsche Privatfernsehen als Spitzenmanager großgemacht haben. Nun soll die Personifizierung des Privatfernsehens in Österreich einen deutschen Fernsehriesen operativ auf dem Weg ins Streaming steuern. Markus Breitenecker (55) wird mit 1. April Vorstandsmitglied des deutschen TV-Riesen ProSiebenSat1. Der neue Chief Operating Officer aus Wien ist, mit Vorstandschef Bert Habets, zuständig für Entertainment und Streaming. Auf dieses Kerngeschäft will sich der mit wechselhaftem Erfolg zum Gemischtwarenhaus entwickelte Medienkonzern konzentrieren.

Zeit für nächsten Schritt nach 25 Jahren Mr. Privat-TV in Österreich: Markus Breitenecker wird Pro-Sieben-Vorstand.
Zeit für nächsten Schritt nach 25 Jahren Mr. Privat-TV in Österreich: Markus Breitenecker wird Pro-Sieben-Vorstand.
Foto: ProSiebenSat1Puls4, Gerry Frank

Breitenecker rückt damit an die Spitze jenes Mutterkonzerns auf, für den er in Österreich über ein Vierteljahrhundert den größten privaten TV-Konzern aufgebaut hat. Mit einer fixen Idee vom privaten Funken in Österreich, das sich Jahrzehnte vehement genau dagegen wehrte. Das kam Breitenecker, so paradox das klingt, durchaus entgegen.

In Deutschland konnten Privatsender wie Sat.1 und RTL 1984 ganz legal starten. Österreichs Medienpolitik ließ sich Zeit bis ins Jahr 2001, bis es privates TV landesweit über Antenne zuließ. Vor allem zum Schutz des ORF, auf den sich Regierungsparteien stets Einfluss erhoffen.

Fixe Idee Privatfernsehen

Über Kabel und Satellit waren private Programme längst auch in Österreich zu sehen, als die Republik 1993 ein erstes Kabel-TV unter massiven Beschränkungen zuließ, die wirtschaftliches Programmmachen praktisch verunmöglichten. Sie mussten im Kabel gegen RTL und Sat.1 und bald auch ProSieben antreten, die ihre hochprofessionellen Programme schon im zehnfach größeren deutschen Markt mit Werbung ausfinanziert hatten. Und die in Österreich ähnlich gut beim Publikum ankamen.

Ab 1996 verkauften RTL und Sat1 die Werbeplätze in ihren deutschen Programmen noch einmal in Österreich. Vielfach günstiger als der ORF und günstiger als österreichische Kabelkanäle, die mit den Werbeeinnahmen auch Programm finanzieren mussten. Für den berufszynischen RTL-Gründer Helmut Thoma waren die sogenannten Werbefenster für Österreich die "Idealform des Privatfernsehens: Werbeeinnahmen ohne Programmkosten".

Breitenecker war nicht der erste TV-Fenster-Vermarkter, als er in einer Garage seines Elternhauses in Wien-Döbling 1998 damit begann, in Österreich Werbung auf ProSieben zu verkaufen. Aber er war ihr lautstärkster, pointiertester, angriffigster Vermarkter, zugleich der härteste Verhandler. Und er hatte diese fixe Idee von Privat-TV für Österreich. Breitenecker konnte sie dank beeindruckender Einnahmen aus dem Werbeverkauf in ProSiebenAustria und Co auch finanzieren.

Auf Augenhöhe mit ORF

Erst öffnete er Programmfenster mit einem Societyformat und bald Österreich-Nachrichten auf ProSieben. Mit einer Kooperation unterstützte er schon den privaten Stadtsender Puls TV, den er mit ProSiebenSat1 2007 übernahm und zum österreichweiten Programm Puls 4 ausbaute. Er generierte Reichweiten mit dem senderübergreifenden Frühstücksfernsehen Café Puls, lange bevor sich der vielfach größere ORF ein Morgenmagazin zutraute.

"Ich glaube, Breitenecker könnte ein fantastischer ORF-Generaldirektor sein.": Gerhard Zeiler 2017 über den TV-Manager.

Auf Augenhöhe mit dem ORF beamte Breitenecker seinen österreichischen Privatfernsehkonzern mit der – kartellrechtlich diskutablen – Übernahme von ATV und ATV 2 2017. Seither ist ProSiebenSat1Puls4 in Österreich meist Marktführer vor dem ORF in der Werbezielgruppe unter 50 Jahren.

Die Übernahme finanzierte die Gruppe laut Breitenecker aus eigenen Gewinnen in Österreich. Lange schon zählt ProSiebenSat1Puls4 mit deutlich zweistelligen Millionenergebnissen bei um 180 Millionen Umsatz zu den größten und renditestärksten Medienhäusern im Land.

Doch das Geschäft für ein größtenteils werbefinanziertes Medienunternehmen wurde zunehmend zäher. Der Großteil der Werbebuchungen inzwischen auch aus Österreich geht an internationale Digitalriesen wie Google und Youtube, Facebook und Insta, Tiktok und Co.

Auf der Bugwelle von Joyn

Globale Streamingriesen machen Fernsehen massive Konkurrenz um Publikum und Werbebuchungen. Breitenecker suchte schon lange mit Zappn einen Platz für ein österreichisches Streamingangebot. 2023 nahm er mit Joyn unter deutscher Konzernmarke einen neuen Anlauf für einen "österreichischen Superstreamer" mit Inhalten auch von ORF und Servus TV.

Auf der ansehnlichen Bugwelle von Joyn Österreich segelt Breitenecker nun weiter nach Deutschland, bevor der ORF mit vergleichbaren Zahlen für seine Streamingplattform ORF On herausrückt, die die jedenfalls größere TVthek in den nächsten Wochen ablösen soll.

Österreichs global erfolgreichster Medienmanager Gerhard Zeiler, lange Zeit Boss der RTL Group, empfahl Breitenecker 2017 als "fantastischen" ORF-Chef. Zeiler zeigte sich überzeugt, dass "keine noch so großen Schwierigkeiten ihm und dem Unternehmen, dem er vorsteht, den Erfolg streitig machen können".

Das kann Breitenecker nun eine Stufe höher bei ProSieben zeigen. Für deutlich mehr Geld: Der ORF-Chef verdient derzeit unter 400.000 Euro pro Jahr. Bei ProSieben wird ein Dreiervorstand mit gemeinsam hohen einstelligen Millionenbeträgen abgegolten.

Kapuzensweater-Sammlung für Gamechanger

Ob er mit Frau und zwei Töchtern nun ganz nach München übersiedelt, ließ Breitenecker am Dienstag unbeantwortet, vermutlich war er nach der Verkündigung seines neuen Engagements ab 1. April 2024 mit anderen Fragen beschäftigt. Sein jahrzehntelanges Markenzeichen Kapuzensweater hatte er auf dem Pressefoto zum Vorstandsjob in München noch an, allerdings ohne die gewohnten Logos - erst für seinen allerersten Österreich-Sender Puls 4, dann für seinen österreichischen Nachrichtenkanal Puls 24 und schließlich für die Austro-Markenvariante von Joyn.

Diesen Joyn-Sweater könnte er schon mal nach München mitnehmen. Oder samt den anderen Logosweatern an seine bisherigen Mitstreiter und Nachfolger in Österreich weiterreichen – Bernhard Albrecht und Thomas Gruber als nunmehrige Co-CEOs von ProSiebenSat1Puls4 in Österreich und Michael Stix als Chief Commercial Officer der Privatsendergruppe mit Sitz in Wien-St. Marx.

Zum diesjährigen 4Gamechangers-Festival Mitte Mai in Wien, das Breitenecker erfunden und für das er inzwischen den öffentlich-rechtlichen Frenemy ORF zu einer Eventpartnerschaft gewonnen hat, kann der Markus seine Sweater ja auch als ProSiebenSat1-Vorstand ausführen. Vielleicht schaut ja auch Vorstandschef Habets wie 2023 vorbei. Dienstagabend waren weder Habets noch Breitenecker unter den Speakern zu finden. Aber die Liste wirkte auch noch nicht komplett. (Harald Fidler, 20.3.2024)