Diamanten, Rohdiamanten
Diamanten wie diese ungeschliffenen Stücke stehen an der Spitze, wenn es um Druckfestigkeit geht. Doch es geht noch härter, wie eine aktuelle Studie zeigt.
Foto: REUTERS/Tatyana Makeyeva

In Sachen Härte kann kein anderes existierendes Material dem Diamanten das Wasser reichen. In der Härteskala nach Mohs hat das kostbare Mineral die Härte 10. Doch es geht noch fester, zumindest in der Theorie: Eine internationale Forschungsgruppe hat in Simulationen ein Kohlenstoffmolekül hervorgebracht, das den Diamanten in dieser Hinsicht weit in den Schatten stellt. Die aktuellen Untersuchungen könnten den Weg für seine Herstellung im Labor ebnen.

Unter den verschiedenen Kristallgittervarianten gilt die sogenannte kubisch raumzentrierte Struktur (BC8) unter bestimmten Umständen als besonders widerstandsfähig. In dieser Kristallversion besitzt jedes Atom acht Nachbarn. Eine solche Struktur besitzen unter anderem α-Eisen, Caesium, Chrom, aber auch Silizium und Germanium. Das Atomium in Brüssel beispielsweise stellt eine 165-milliardenfache Vergrößerung der kubisch-raumzentrierten Elementarzelle des Eisens dar.

Viele neue Möglichkeiten

Die BC8-Phase des Kohlenstoffs kommt auf der Erde nicht vor, aber man nimmt an, dass sie im Kosmos in den Hochdruckumgebungen tief im Inneren mancher Exoplaneten existiert. Theoretisch handelt es sich um die härteste Form von Kohlenstoff, die bei Drücken jenseits des Zehnmillionenfachen des irdischen Atmosphärendrucks stabil bleiben kann.

Gäbe es eine Möglichkeit, diese Kohlenstoffvariante auf der Erde zu synthetisieren und stabil zu halten, hätte man ein um gut 30 Prozent druckfesteres Material als Diamant, berichtet nun ein schwedisch-US-amerikanisches Team im "Journal of Physical Chemistry Letters". Ein solcher Stoff würde nach Ansicht der Wissenschafter für die Forschung und in vielen Anwendungsbereichen erstaunliche neue Möglichkeiten eröffnen.

Gescheiterte Versuche

Die Härte des herkömmlichen Diamanten ist das Ergebnis seiner atomaren Struktur: Seine Atome sind in einem tetraedrischen Gitter angeordnet, jedes Kohlenstoffatom ist dabei mit seinen vier nächsten Nachbarn verbunden, was der optimalen Konfiguration der äußersten Elektronen des Kohlenstoffatoms selbst entspricht.

"Die BC8-Struktur behält diese perfekte tetraedrische Form der nächsten Nachbarn bei, aber ohne die Spaltungsebenen, die in der Diamantstruktur zu finden sind", sagte der Physiker Jon Eggert vom Lawrence Livermore National Laboratory, Ko-Autor der Studie. "Die BC8-Phase des Kohlenstoffs wäre bei entsprechenden Umgebungsbedingungen also viel härter als ein Diamant."

Doch obwohl BC8-Kohlenstoff unter solchen Bedingungen tatsächlich existieren sollte, sind die Versuche, ihn im Labor zu synthetisieren, gescheitert. Um herauszufinden, warum die bisherigen Bemühungen vergebens waren, griff ein Team um Kien Nguyen Cong von der University of South Florida auf die enorme Rechenpower eines Supercomputers zurück.

Superdiamant, Experimente
Berechnungen mit einem Supercomputer weisen den Weg zu einer Art "Superdiamant".
Illustr.: Mark Meamber/LLNL

Der Supercomputer Frontier des Oak Ridge National Laboratory gilt aktuell als schnellster Supercomputer der Welt. Mithilfe dieser leistungsfähigen Hardware entwickelten die Wissenschafter eine Simulation, die die Wechselwirkungen zwischen einzelnen Atomen in einem sehr großen Bereich von Druck- und Temperaturbedingungen beschreibt. Indem sie diese Simulation auf Frontier laufen ließen, konnten sie die Entwicklung von Milliarden von Kohlenstoffatomen unter extremen Bedingungen reproduzieren.

Hilfe vom Supercomputer

Die Ergebnisse enthüllten schließlich den Grund, warum die Synthese von BC8-Kohlenstoff so schwierig zu erreichen war. "Wir konnten feststellen, dass die BC8-Phase des Diamanten nur in einem schmalen Hochdruck- und Hochtemperaturbereich des Kohlenstoff-Phasendiagramms experimentell zugänglich ist", erklärte der Physiker Ivan Olyenik von der University of South Florida.

Mit anderen Worten: Es gibt nur einen sehr kleinen Hochdruck- und Temperaturbereich, in dem sich BC8-Kohlenstoff tatsächlich bilden kann. Frühere Experimente konnten diese Bedingungen allerdings nicht erfüllt. Jetzt, wo man weiß, woran es lag, steht der Synthese von BC8-Kohlenstoff nichts mehr im Weg, meinen die Forschenden.

Mit den neuen Erkenntnissen plant das Team nun an der National Ignition Facility in Livermore, Kalifornien, neue Experimente. Die Hoffnung ist groß, dass es den Physikerinnen und Physikern nun gelingt, ein Material zu erzeugen, das dem bisher härtesten Mineral den Rang ablaufen könnte. (Thomas Bergmayr, 19.3.2024)