Ein Blick in einen Zylinder mit Lasern, die ein Ziel im Zentrum bestrahlen.
Diese künstlerische Darstellung zeigt, wie das Fusionsexperiment im Lawrence Livermore National Laboratory funktioniert, das nun zum Vorbild für deutsche Bestrebungen zum Bau eines Fusionskraftwerks wird. 192 starke Laser werden auf eine winzige Menge Fusionsgas gerichtet.
AFP/Lawrence Livermore National

Kernfusion gilt seit Jahrzehnten als Zukunftstechnologie, die saubere Kernenergie liefern soll. Im Gegensatz zur Kernspaltung, bei der lange strahlende, schwere radioaktive Elemente entstehen, sind es bei der Kernfusion, die nach dem Vorbild der Sonne Wasserstoffatome zu Helium verschmilzt, nur geringe Mengen radioaktiven Abfalls mit vergleichsweise kurzer Halbwertszeit.

Doch die Entwicklung funktionierender Fusionsreaktoren verzögert sich immer wieder. Vor allem der große Forschungsreaktor Iter, der als Prototyp Kraftwerken den Weg weisen sollte, wurde zum Milliardengrab mit ungewissem Ausgang.

Hoffnung weckte zuletzt ein US-Experiment. Im Lawrence Livermore National Laboratory gelang es erstmals, eine Fusionsreaktion zu erzeugen, die mehr Energie lieferte, als hineingesteckt werden musste. Die Ausbeute ließ sich bei Folgeexperimenten sogar mehrmals verbessern. Doch es gibt starke Zweifel, ob die Technologie sich für ein Kraftwerk eignen würde. Zumindest einige Jahrzehnte sollte die Entwicklung eines Kraftwerks dauern.

Deutschland will Führungsrolle

In Deutschland widmet das Forschungsministerium der Fusion seit dem Erfolg in den USA von 2022 verstärkte Aufmerksamkeit. Nun hat Ministerin Bettina Stark-Watzinger ein neues Fusionsforschungsprogramm vorgestellt. Das definierte Ziel: "schnellstmöglich" ein Fusionskraftwerk in Deutschland zu bauen.

Fachleute warnen aber vor zu großem Optimismus. Jan Wohland, wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Professur für Klimaphysik an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich, sagt: "Angesichts der begrenzten Fortschritte in der Kernfusion in der Vergangenheit erscheint es mir sehr unwahrscheinlich, dass Kernfusion in den nächsten Jahrzehnten nennenswert zu unserer Energieversorgung beitragen wird." Falls sie jemals funktioniert, wäre Kernfusion sehr wohl ein "Gamechanger", weil sie unabhängig vom Wetter arbeiten würde.

Doch: "Stand jetzt wissen wir weder ob noch wann oder zu welchen Kosten Kernfusion einsetzbar sein wird", betont Wohland. "Deswegen macht es keinen Sinn, in heutigen Planungen des Energiesystems auf Kernfusion Rücksicht zu nehmen. Wir verlassen uns bei unserer Altersvorsorge ja auch nicht darauf, dass wir demnächst im Lotto gewinnen. Auch wenn das natürlich toll wäre.“

Klaus Hesch, Sprecher des KIT-Programms FUSION, Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Eggenstein-Leopoldshafen, sagt: "Zwischen den deutschen Fusionsforschungseinrichtungen herrscht Konsens, dass ein deutsches oder europäisches Demonstrationsfusionskraftwerk bei einem sehr ambitionierten und entsprechend mit Ressourcen ausgestatteten Programm auf einer Zeitskala von circa 20 Jahren realisiert werden könnte." Bis ein Kraftwerk ans Netz gehen könnte, würde das noch einmal deutlich länger dauern.

Kein Ersatz für Emissionsreduktion

"Wir müssen jetzt Emissionen reduzieren, um den Klimawandel aufzuhalten. Kernfusion funktioniert – Stand jetzt – nicht und wird deswegen zum Beispiel im Energiekapitel des aktuellen IPCC-Berichtes nicht erwähnt", sagt Wohland.

Für die Energiewende weg von fossilen Energieträgern werden künftige Fusionskraftwerke also zu spät kommen. Das zeigt gerade Iter, an dem Deutschland ebenfalls beteiligt ist. Bis dahin müssen Windkraft, Solarenergie und das dazugehörige Netz aus Speichern und Leitungen längst die Energieversorgung übernommen haben. (Reinhard Kleindl, 16.3.2024)