Polizistin am Polizeifunk
Seit 2020 haben die Ermittlungen der Polizei gegen Jugendliche wegen Sexualdelikten merklich zugenommen.
APA/EVA MANHART

Voraussichtlich im April wird sich am Landesgericht Klagenfurt ein 14-jähriger Bursche verantworten müssen, dem die Vergewaltigung eines elfjährigen Mädchens vorgeworfen wird. Wie berichtet, hat die Staatsanwaltschaft Anklage erhoben, die aber noch nicht rechtskräftig ist. Der Vorfall ereignete sich bereits im Jänner, nach einer vorübergehenden U-Haft ist der beschuldigte Jugendliche derzeit wieder auf freiem Fuß. Er muss eine Therapie absolvieren und Kontakt zur Bewährungshilfe halten. Für den 14-Jährigen gilt die Unschuldsvermutung. Der Prozess wird mit großer Wahrscheinlichkeit unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden. Zum Schutz des minderjährigen Opfers und seiner Familie, aber auch zum Schutz des minderjährigen Beschuldigten, der mit 14 aber bereits strafmündig ist.

Weitere Fälle

Im Februar wurde bekannt, dass in Wien gegen 17 Teenager zwischen 13 und 18 Jahren ermittelt wird, die einem zwölfjährigen Mädchen über einen längeren Zeitraum sexuelle Gewalt angetan haben sollen. Die Polizei hat auch belastendes Videomaterial sichergestellt. Auch im eingangs erwähnten Fall aus Kärnten soll ein 13-Jähriger die mutmaßlichen Straftaten mit seinem Handy gefilmt haben.

In trauriger Erinnerung ist noch der schockierende Tod der 13-jährigen Leonie, die im Juni 2021 in Wien verstorben ist, nachdem ihr Bekannte eine große Menge Drogen verabreicht und sie vergewaltigt hatten. Ein 24-jähriger Täter erhielt eine lebenslange Haftstrafe, zwei weitere, 19 und 21 Jahre alt, wurden inzwischen rechtskräftig zu 20 und 19 Jahren Gefängnis verurteilt.

Mehr Verurteilungen

Häufen sich schwerwiegende Sexualdelikte, bei denen sowohl Opfer als auch Täter sehr jung sind? Oder handelt es sich um selektive Wahrnehmung, weil Verbrechen, in die Minderjährige involviert sind, mehr Aufmerksamkeit auf sich ziehen? Ein Blick in die Statistik zeigt Folgendes: Zwischen 2013 und 2019 wurden jährlich zwischen 60 bis 78 Jugendliche zwischen 14 und 18 Jahren wegen Verstößen gegen die sexuelle Integrität verurteilt. 2020 gab es einen starken Anstieg von Verurteilungen auf 145, ein Jahr später waren es 144. Diese Zahlen stammen aus den jährlichen Sicherheitsberichten, die das Justizministerium für das Parlament erstellt. Für 2023 und 2022 liegt noch kein Sicherheitsbericht vor, aber laut Statistik Austria wurden vor zwei Jahren 169 Jugendliche wegen eines Sexualdeliktes verurteilt – darunter 16 wegen Vergewaltigung, 20 wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen (unter 14), zehn wegen sexueller Belästigung.

Mehr Mut zu Anzeigen

Der Großteil aller Verurteilungen nach dem Sexualstrafrecht, nämlich 92, erfolgte 2022 aber wegen pornografischer Darstellungen von Minderjährigen. Diese sind auch für die starke Zunahme von Verurteilungen verantwortlich. Alle anderen Delikte sind nur leicht angestiegen.

Psychotherapeut Rainer Simader vom Verein Limes arbeitet mit "sexuell grenzverletzenden Jugendlichen". Er sieht im Anstieg der jugendlichen Sexualstraftäter keinen tatsächlichen Anstieg der Delikte. Was sich in den steigenden Zahlen widerspiegle, sei die Tatsache, dass "die Taten eher an die Öffentlichkeit kommen". Opfer sexueller Gewalt würden sich mittlerweile eher trauen, die Täter anzuzeigen, sagt Simader am Donnerstag auf STANDARD-Anfrage. Zudem werde Software zur Erkennung verbotener pornografischer Inhalte auf Smartphones oder Computer immer besser und genauer, betont er.

Der Verein Neustart hat ein Aufklärungsprogramm für Jugendliche gestartet. Denn oft sind es Gleichaltrige, die Nacktfotos von Minderjährigen verschicken. Nach der jüngsten Strafverschärfung gegen pornografische Darstellungen von Minderjährigen drohen junge Versenderinnen und Versender in eine strafrechtliche Falle zu tappen, auch wenn sie aus anderen Beweggründen – Stichwort Sexting und Cybermobbing – verbotene Bilder teilen. Neustart will den jungen Klienten klarmachen, welche Folgen das haben kann. (Michael Simoner, Antonia Wagner, 14.3.2024)