Es ist ein ärgerliches Problem, das für Spieler und Hersteller immer wieder auch einmal teuer geworden ist. Der berühmt-berüchtigte "Stick Drift" von Gamecontrollern. Unter dem Begriff versteht man das Phänomen, dass der Controller eine Bewegung der Steuersticks meldet, auch wenn diese unberührt in ihrer zentralen Position sitzen. Die Folge: Es gibt keine effektive neutrale Position mehr, die zu einer präzisen Ermittlung von Controllerbewegungen genutzt werden kann. Eingaben werden daher nur noch ungenau erfasst oder sind überhaupt nicht mehr sinnvoll möglich. In größerem Umfang betroffen davon waren beispielsweise die Joycons der Nintendo Switch. Das bewog Nintendo letztlich sogar dazu, auch noch außerhalb der Garantiezeit kostenlose Reparaturen anzubieten.

Immer mehr Gamecontroller werben allerdings mit einem neuen Feature: Hall-Sensoren. Sie sollen diesem Ärgernis ein Ende machen. Aber wie funktionieren sie, und warum haben sie nicht mit Akustik zu tun?

Etablierter Standard: Potentiometer

Zunächst ist es einmal wichtig, zu verstehen, wie die Bewegung der kleinen Joysticks auf Controllern bisher ermittelt wurde. Unter der Kunststoffhaube befindet sich hier eine mechanische Konstruktion, die an zwei Potentiometer gekoppelt ist. Eines für die Bestimmung der Bewegung entlang der X-Achse und eines für die Y-Achse, aus deren Messungen sich ein Bewegungsvektor ergibt.

Ein Potentiometer ist im Prinzip ein regelbarer, elektrischer Widerstand. Um zu erfassen, wie stark die Bewegung entlang welcher Achse ist, wird dieser Widerstand gemessen. Wie stark er ist, hängt von der Position eines Kontakts ab, der entlang eines leitfähigen Untergrundes geführt wird (auch Gleitkontakt oder Schleifkontakt genannt). Notwendigerweise kommt es dabei durch die ständige Bewegung zu Reibung und folglich langsamen Verschleiß.

Skizzierung der Funktionsweise eines Potentiometers
Skizzierung der Funktionsweise eines Potentiometers.
Last Minute Engineer / David Engstrom

Diesem kann man temporär mit einer Neukalibrierung des Controllers begegnen, bei dem man der Treibersoftware oder dem Betriebssystem die aktuellen Widerstände in der Ruheposition des Sticks beibringt. Der "Stick Drift" tritt in der Regel dann ein, wenn die leitfähige Oberfläche zu stark verschlissen und keine konstante Ablesung in der Ruheposition mehr möglich ist. Dann muss das betroffene Potentiometer getauscht werden. Gerade bei qualitativ schlechteren Controllern sind diese Sensoren deutlich schneller kaputt, als andere mechanisch belastete Komponenten.

Hinzu kommt, dass dieses System auch anfällig für Fehlerkennungen durch Verschmutzungen ist. Gelangt etwa ein Krümel oder Staubkorn ins Innere der Konstruktion und landet im Potentiometer, kann das das Messergebnis ebenfalls stören. Nicht umsonst findet sich in so manchen Ratgebern als "Erste Hilfe" der Tipp, auf den Joystick zu drücken und kräftig an den Seiten hineinzublasen. Mit etwas Glück befördert man den Unruhestifter so an eine Position, an der er keine Störungen verursacht. Mit Pech landet freilich noch mehr Dreck dort, wo er nicht hingehört.

Alter, neuer Herausforderer: Hall-Effekt-Sensoren

Doch wie sieht das nun mit Hall-Sensoren aus? Diese haben nichts mit dem akustischen Effekt des "Ausklingens" zu tun, sondern heißen vollständig eigentlich "Hall-Effekt-Sensoren". Benannt wurden sie nach dem US-amerikanischen Physiker Edwin Hall (1855–1938). Der von ihm im Rahmen seiner Dissertation entdeckte Effekt beschreibt die Veränderung der Spannung in einem stromdurchflossenen Leiter durch die Manipulation eines Magnetfeldes.

Hier finden sich, vereinfacht beschrieben, auf der Unterseite der Stick-Konstruktion ebenfalls zwei Hall-Sensoren – jeweils eine pro Achse – und auch zwei Magnete, die durch die Bewegungen des Sticks ihre Position ändern und damit den Stromfluss im Sensor beeinflussen. Durch die Messung der Spannung kann festgestellt werden, wie weit der Controller auf welcher Achse geneigt wurde, um den Bewegungsvektor zu ermitteln. Während der Joystick selbst natürlich immer noch mechanischer Belastung ausgesetzt ist, trifft das auf die Hall-Sensoren nicht zu. Der Magnet muss den Leiter nicht berühren, um eine Veränderung der Spannung zu verursachen. Damit kann es auch nicht zu "Stick Drift" kommen.

Die Bewegung des Magneten sorgt für Spannungsänderungen im Leiter des Hall-Sensors, über welche schließlich die erfasst wird, wie stark der Stick in welche Richtung gedrückt wird.
Texas Instruments

Neu sind Hall-Sensoren in Controllern eigentlich nicht, schon 1998 lieferte Sega die Steuergeräte seiner Dreamcast-Konsole mit selbigen aus. Das war allerdings lange die Ausnahme von der Regel und Potentiometer die Norm. Das hat dreierlei Gründe. Erstens: Hall-Sensoren sind eine teurere Lösung. Zweitens litten sie damals noch an Kinderkrankheiten, inklusive Genauigkeitsproblemen. Drittens verbrauchten sie erheblich mehr Strom, was insbesondere für die Umsetzung von drahtlosen Controllern ein Problem war.

Seitdem hat sich aber einiges getan. Die Bauteile sind günstiger geworden und mittlerweile erfolgt die Erfassung der Joystickbewegungen präziser, als mit Potentiometern. Und dank Miniaturisierung, schlauer Steuerungselektronik, welche die Hall-Sensoren deaktiviert, wenn sie gerade nicht gebraucht werden und andere Fortschritte wurde auch der Energiebedarf erheblich gesenkt. Kein Wunder also, dass sie auch in vielen anderen Geräten zu finden sind, reichend von bürstenlosen Motoren bis zu Smartphones, wo sie beispielsweise ermitteln, ob ein magnetisches Cover geöffnet oder geschlossen ist.

Für einzelne beliebtere Controller gibt es sogar Umbaukits, wenn man deren Potentiometer mit Hall-Effekt-Sensoren ersetzen möchte. Dazu finden sich am Markt auch immer mehr günstige Controller, die auf sie setzen. Sie sind freilich kein Garant für Problemfreiheit, denn sie müssen trotzdem ordentlich implementiert werden. Mechanische Gebrechen des Sticks bzw. seiner Kunststoffummantelung, können sie nicht verhindern. Aber der "Stick Drift" ist immerhin passé.

Turtle Beach Stealth Ultra Controller
Turtle Beach Stealth Ultra, ein Wireless-Controller mit Hall-Effekt-Sensoren.
DER STANDARD/Pichler

Ausprobiert

Doch wie spielt es sich mit einem Controller, der Hall-Effekt-Sensoren nutzt. Um das Herauszufinden, stellte uns Turtle Beach seinen Wireless-Controller "Stealth Ultra" zur Verfügung. Der Name ist nicht Programm, mit seinen markanten LED-Streifen ist der Controller alles andere als unauffällig. Allerdings ist er gut verarbeitet und bringt ein kleines integriertes Display sowie eine Schnellladestation und eine Reihe an Zusatzfeatures mit. Darf man um knapp 200 Euro allerdings auch erwarten.

Eines davon sind Regler für die hinteren Schultertasten, mit denen man je nach Vorliebe einen langen oder kurzen Druckpunkt festlegen kann – und zwar getrennt für beide. Weiters gibt es vier Zusatztasten am Rücken des Gerätes sowie einen Anschluss für Kopfhörer. Verbunden wird der Controller per USB-Dongle (2,4 GHz) oder via Bluetooth LE. Ergonomisch kann man ihm keine Vorwürfe machen, in etwas größeren Händen liegt er gut und auch bei längerem Spielen gibt es keine Probleme ob der Handhaltung.

Turtle Beach Stealth Ultra Ladestation
Die Schnellladestation des Turtle Beach Stealth Ultra.
DER STANDARD/Pichler

Zurück zum eigentlichen "Star" dieses Hands-ons: den Joysticks. Ohne eine allzu große Vergleichsmenge zu haben, lässt sich subjektiv feststellen, dass sich die Sticks annähernd widerstandslos bewegen lassen. Vorteilhaft fällt hier auch die geringe "Deadzone" auf. Darunter versteht man die Distanz, die man den Stick bewegen muss, ehe die Bewegung registriert und an den PC, Mobilgerät oder die Konsole weitergegeben wird. Diese fällt hier merklich kleiner aus, als auf den anderen Controllern, die der Autor dieser Zeilen bisher in Händen hatte. Auch das ist übrigens ein Vorteil moderner Hall-Sensoren. Offiziell ist die Größe der Deadzone im Datenblatt mit 5 Prozent angegeben.

Beim Spielen von "Rocket League" ("eFootball 2024" wollte den Controller partout nicht erkennen) erwiesen sich diese Eigenschaften als vorteilhaft. Verglichen mit einem – zugegebenermaßen wesentlich billigeren – Wireless-Controller klassischer Bauart erschien es leichter, das Fahrzeug durch die Arena zu lenken und den Ball aus dem gewünschten Winkel zu erwischen. Den dramatischen Mangel an Übung vermag aber auch das Highend-Steuergerät nur teilweise auszugleichen.

Als Ersteindruck lässt sich nicht nur festhalten, dass das Turtle Beach Stealth Ultra ein sehr kompetenter, wenn auch nicht gerade günstiger Controller ist. Und auch, dass der Trend hin zu Hall-Sensoren als Standardlösung für die Steuergeräte nur zu begrüßen ist. Nicht nur, weil es dem Stick Drift damit endlich an den Kragen geht. (gpi, 16.3.2024)