Ökologin Irene Drozdowski hält eine Heuschrecke auf der Hand
Irene Drozdowski hat sich den Erhalt der natürlichen Vielfalt in ihrer Heimat zur Aufgabe gemacht – und glaubt an die Kraft der vielen.
Werner Gamerith

Wenn Irene Drozdowski einmal begonnen hat, über Naturschutz zu sprechen, ist sie kaum zu bremsen. "Voll am Herzen" liegt ihr das, was sie mit ihrem Landschaftspflegeverein Thermenlinie-Wienerwald-Wiener Becken (LPV) macht: Die Vielfalt der Natur im Wiener Becken erhalten. Als waschechte Ökologin möchte sie dabei vor allem draußen sein. Doch die Arbeit des gemeinnützigen Vereins, den Drozdowski gemeinsam mit einem Kollegen und einer Kollegin gegründet und aufgebaut hat, verlangt ihr einiges an Bürozeit ab. Ein wenig ironisch, denn gerade weil sie weniger Zeit mit dem administrativen Drumherum verbringen wollte, hatte sie ihren früheren Job im Management des Biosphärenpark Wienerwald verlassen.

Netzwerk für die Natur

Für die Artenvielfalt ist Vernetzung enorm wichtig, erklärt Drozdowski. Die Lebewesen brauchen ökologische Trittsteine, um von Fläche zu Fläche größere Distanzen überbrücken zu können. Genau das ist es, was der Landschaftspflegeverein tut: Bestehende naturnahe Flächen erhalten und neue geeignete Flächen ökologisch restaurieren. Mit Spitzhacke, Spaten, Säge, Rechen und Sense wird entbuscht, gemäht, gerecht und Saatgut eingebracht, um eine Verbuschung und in weitere Folge Verwaldung zu verhindern. Das ist mühsame Handarbeit, oft in unwegsamem Gelände. Früher haben das wildlebende, große Weidetiere gemacht. Da diese nicht mehr da sind, müssen es nun Menschen machen – oder die Herden der Schäfereien, mit denen man kooperiert.

Gruppe von Menschen mit Rächen
Mit viel Handarbeit und freiwilligen Helfern aus der Bevölkerung erhält und restauriert der Landschaftspflegeverein ökologisch wertvolle Grünflächen.
LPV / Alexander Mrkvicka

Deswegen ist auch eine andere Art der Vernetzung essenziell für die Arbeit des Vereins: Das Kernteam ist klein, die Pflegeeinsätze könnten ohne die ehrenamtliche Mithilfe von Menschen aus der Region nicht stattfinden. Die Begeisterung, die so ein Pflegeeinsatz bei den Teilnehmenden entfacht, erfasst mit der Zeit auch die Politik in den 25 Gemeinden und drei Wiener Gemeindebezirken, in denen der LPV bereits aktiv ist. Einige Gemeinden unterstützen den Verein auch finanziell.

Breites Bildungsangebot

"Das Einzige, wogegen man ankämpft, sind die Bilder in den Köpfen mancher Leute, wie eine Grünfläche auszuschauen hat", erklärt die Ökologin. Die meisten Menschen würden sich mehr Natur um sich wünschen – die wenigen, die das nicht wollen, würden aber am lautesten schreien, meint Drozdowski. Um dem entgegenzuwirken, betreibt der Verein neben der naturschutzfachlichen Arbeit an den Grünflächen auch ein breites Bildungsangebot.

Regelmäßig bietet der Verein Führungen auf naturnahen Flächen an und sie arbeiten auch mit Schulen zusammen. Kinder und Jugendliche sind die, die in Zukunft Entscheidungen treffen, sagt Drozdowski. Die jungen Menschen für die Natur zu begeistern, so, wie ihre Eltern es bei ihr gemacht haben, ist ihr deswegen besonders wichtig. "Wenn man mit einer Schulklasse im Herbst an einer Fläche arbeitet, die in einem nicht besonders guten Zustand ist, und die Kinder oder Jugendlichen dann im Frühling wiederkommen und sehen, dass auf einmal alles blüht und summt, dann haben sie eine riesige Freude", erzählt Drozdowski. Diese Begeisterung der Menschen, das sei das Schönste an der Arbeit.

Vielfalt schafft Hoffnung

Bringt das lokale Engagement überhaupt etwas, wenn die Ursachen des Rückgangs der Natur globale Phänomene sind? "Gerade deshalb ist es so wichtig, die lokalen Lebensräume und Arten zu erhalten und zu fördern", erklärt Drozdowski. Die Organismen, die auf den Trockenrasen leben, seien genau die, die mit der Klimakrise besser zurechtkämen. "Sie verschwinden nicht wegen des Klimawandels, sondern weil die Flächen verschwinden. Auf diesen leben aber genau jene Arten, die uns auch in der heißeren Zukunft Grünraum und Naturflächen bieten können", sagt die Ökologin.

Schafe weiden auf einer Wiese
Weidetiere spielen eine wichtige Rolle bei der Pflege von artenreichen Grünflächen wie der Perchtoldsdorfer Heide.
LPV / Alexander Mrkvicka

Auch sie als Fachfrau ist manchmal überrascht, wie schnell sich die Klimakrise auswirkt, beispielsweise auf die Schwarzföhren in der Region. Sie ist schockiert, wie schnell diese – oft auf einen Schlag – absterben würden. Es ist ein großes Glück, erklärt Drozdowski, dass andere Arten wie die Flaumeiche besser mit der Trockenheit zurechtkommen und die toten Bäume ersetzen können. Auch hier zeigt sich, wie wichtig es ist, die Vielfalt zu erhalten, sagt Drozdowski.

Trotz der großen Herausforderungen ist sie optimistisch: “Ja, wir haben riesige Herausforderungen mit dem Klimawandel und dem Verlust biologischer Vielfalt. Das klingt alles so groß und unlösbar. In der Geschichte galt aber schon vieles als unlösbar – und dann haben sich Menschen engagiert, zusammengetan, und auf einmal ging es doch." (Paul Sajovitz, 4.6.2024)