Studierende zusammen am Tisch bei der Ideenfindung für ein Start-up
Wer im Studium gründet, ist meist mit Überzeugung dabei, hat aber kaum Freizeit.
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Für ihren Erfolg mussten sie in der Freizeit viel zurückstecken. Weniger Reisen, weniger Sport und dafür viel gemeinsames Brainstorming. Alexandra Kick und Felix Ambros tüftelten schon während der Studienzeit an der Wirtschaftsuniversität Wien die Geschäftsidee für einen sozialen Thinktank und ein entsprechendes Start-up aus. Mit "Thinkubator" forschen sie heute zu Nachhaltigkeit und Klimaschutz an Lösungen und bringen ihre Erkenntnisse über Bildungsprojekte an die Gesellschaft oder durch Beratung an Unternehmen.

Aber um das Start-up schon im Bachelorstudium voranzubringen, ist gute Planung notwendig – auch finanziell. 30 bis 35 Stunden arbeiteten sie während der Uni-Zeit an der Gründung, sagt Kick. "Ich glaube es ist in dieser Zeit trotzdem noch leichter als später, wenn man einen anderen Lebensstandard hat", sagt sie. "Da ist es in der Studienzeit noch einfacher, ein bisschen zurückzustecken."

Für viele Studierende ist die Universität oder Fachhochschule ihre Zeit, um sich mit Theorie und Praxis auf die Arbeitswelt vorzubereiten, vielleicht erste Praktika zu absolvieren. Einige aber nutzen die Zeit im Bachelor oder Master gleich, um ihre Idee oder Leidenschaft in eine Firma umzuwandeln. Gerold Weiß, Leiter des Zentrums für Unternehmensgründung der Fachhochschule Oberösterreich (FH OÖ), forscht im Bereich Entrepreneurship und berät Studierende bei der Gründung neuer Unternehmen. Er sieht die Zahl der Gründungen durch Studierende auf einem "sehr guten hohen Niveau", auch wenn sie nach Corona etwas gesunken seien. "Rund drei bis fünf der Hochschulabsolventinnen und -absolventen gründen ein Start-up", sagt Weiß. An der FH Oberösterreich seien es rund sieben bis acht Prozent. "Während es bis vor wenigen Jahren hauptsächlich IT-Start-ups waren, die von Studierenden ausgingen, sind es heute viele im Bereich Nachhaltigkeit und Klimaschutz."

Der Austrian Start-up Monitor (ASM) 2019 zeigt: Rund die Hälfte der Jungunternehmerinnen und -unternehmer, die während der Studienzeit gründen, haben bereits einen Masterabschluss, etwas mehr als ein Fünftel einen Bachelor und 6,4 Prozent einen Doktortitel. Knapp 13 Prozent der studentischen Selbstständigkeit kommen von Studienabbrechern. Die Hauptmotive sind meist, die Lösung für ein Problem zu finden oder die eigene Idee zu verwirklichen. Ein Drittel gründet etwa aus finanziellen Motiven. Auch soziale und ökologische Ziele bewegen laut Monitor Menschen dazu, ein Start-up auf die Beine zu stellen.

So war es auch bei Kick und Ambros, die sich über gemeinsame Freundinnen und Freunde kennengelernt hatten. Ambros arbeitete vor der Gründung bei einem Raumfahrt-Start-up, welche ferngesteuerte Fahrzeuge für den Mars herstellen. Weil in dem Unternehmen viele davon überzeugt gewesen wären, dass der eigene Planet nicht mehr lange überlebt, wollte Ambros nach seiner Stelle bei dem Start-up etwas dafür tun, dass die Erde noch weiter existieren kann.

Kick hingegen studierte Sozioökonomie und hatte alle ihre Joberfahrungen und Praktika im Bereich Nachhaltigkeit gesammelt. "Ich habe aber gemerkt: Je größer die Organisation, desto frustrierter war ich, weil alles so langsam ging." Also entschieden sich die beiden Gründenden im Bachelorstudium, ein junges Unternehmen zu starten. Finanziert haben sie sich zunächst zur Gänze selbst, wie Ambros erzählt, also ohne Investoren. Erst nach zweieinhalb Jahren gab es dann die erste öffentliche Förderung.

Gründungsteam von Thinkubator
Das Team von Thinkubator (v. li.): Alexandra Kick, Lotte Lehtovuori, Bastien Huber, Daniel Nenning, Benjamin Frahndl und Felix Ambros.
Thinkubator

Generell sei die Förderlandschaft in Österreich gut fortgeschritten, sagt Gründungsexperte Weiß von der FH OÖ. Studierende haben die Möglichkeit, sich mit ihrer Idee an das Austria Wirtschaftsservice (aws) zu wenden, wo es etwa das aws-First-Inkubator-Programm gibt. Gründerinnen und Gründer werden hier von Mentoren unterstützt, bekommen Zugang zu Netzwerkveranstaltungen und ein Stipendium. Außerdem bietet das aws noch einen Fonds mit Risikokapital und Startkapital für noch kleinere Jungunternehmen. Die Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) wiederum vergibt jährlich 70 Millionen Euro an neue Start-ups.

Enge Zusammenarbeit mit der Uni

Martin Steiner wurde mit seiner Idee direkt an der Uni unterstützt. Der Physikstudent besucht die Universität Graz und startete gemeinsam ein Projekt mit seinem Studienkollegen Maximilian Philipp. Ihre Gründungsidee "Soundcoil" umfasst eine Softwaretechnologie zur Simulation von elektromagnetischen Spulen. Konkret wollen die beiden eine innovative Mikrofontechnologie für E-Gitarren und E-Bässe anbieten.

Durch Zufall hätten sie das Gründungsstipendium der Start-up-Uni Graz entdeckt, dem Netzwerk für Gründungsinteressierte und Forschende an der Uni Graz. Das Stipendium war mit 6.000 Euro dotiert und beinhaltete sechs Monate Betreuung und Mentoring. Steiner und Philipp reichten ihre Idee ein und gewannen. Jetzt müssen sie noch den Prototypen fertigstellen – aber auch ihr Masterstudium zu Ende bringen. "Natürlich gibt es dadurch viele zeitliche Verpflichtungen", sagt Steiner. Es sei auch ein großer Teil der Freizeit, der an die Weiterentwicklung gehe. Auch finanziell müsse man in so einer Phase gut planen – denn in der Anfangsphase kommt ja noch kein Geld zurück. Rund 15 Stunden würde er neben dem Master mindestens an der Idee weiterfeilen.

Gründer an der Uni Graz
Martin Steiner und Maximilian Philipp (v. re.) erhielten für ihre Technologie das Gründerstipendium der Uni Graz.
Uni Graz

Das Gründungsstipendium an der Uni Graz kommt vom Zentrum für Entrepreneurship und angewandte Betriebswirtschaftslehre und wurde letztes Jahr ins Leben gerufen. "Studierende aller Studienfächer können sich ohne betriebswirtschaftliches Vorwissen mit ihrer Idee bewerben", erklärt dazu Sebastian Ouschan, Gründungs- und Innovationsmanager des Zentrums. Mit dem Stipendium würde die Uni jedes Jahr zwei Projekte fördern, die neben der Geldsumme auch Unterstützung bei der Umsetzung ihrer Idee bekommen und einen Zugang in die Start-up-Szene von Graz. Alle zwei Wochen gibt es einen gemeinsamen Jour fixe mit den Geförderten für den Austausch, und sie haben die Möglichkeit, bei Events ihre Idee zu pitchen.

Eigentlich, sagt Start-up-Berater Weiß von der FH OÖ, sei Gründen und gleichzeitig das Studium fertig zu machen fast ein Widerspruch. Denn ein neues Unternehmen zu starten brauche bereits die volle Aufmerksamkeit. Sinnvoll sei es aber – und sei auch der Weg, den die meisten wählen würden –, während des Studiums die Idee zu entwickeln und nach dem Abschluss erst richtig zu gründen.

Vor allem brauche die Entwicklung und Produktion einer Hardware, aber auch einer Software eines neuen Start-ups oft einige Jahre. Die Thinkubator-Gründerin Kick würde neuen studentischen Gründerinnen und Gründen mit auf den Weg geben, sich mit dem Studium auch etwas mehr Zeit zu lassen, wenn das Start-up etwas mehr Zeit beansprucht. "Es wird einen immer viel mehr motivieren, das Studium abzuschließen, wenn man sich aber auch Zeit nimmt für etwas, wofür man brennt", sagt Kick. Sie selbst hängt jetzt noch einen Master an – aber nur nebenbei. (Melanie Raidl, 27.3.2024)