"Bis dass der Tod euch scheidet" scheint für unsere Protagonisten nicht zu gelten.
DON'T NOD Entertainment

"Banishers: Ghosts of New Eden", der neue Kritikerliebling von Dont Nod, besticht mit griffiger Spannungskurve und gewichtigen Entscheidungen, für die das Entwicklerstudio und Publishing-Haus bekannt ist. Entscheidungen, die zum Teil so schwierig werden, dass sie moralischen Dilemmas, wie etwa dem Trolley-Problem, Konkurrenz machen. In diesem Gedankenexperiment wird man gezwungen das Schicksal vieler Menschen mit dem eines einzelnen aufzuwiegen. Aber nicht nur diese Entscheidungen machen das Action-Spiel mit starker Story zu einem spannenden Titel.

Gespenster in der neuen Welt

Im Spiel steuert man ein Duo, das sich sowohl in der Spielmechanik als auch charakterlich gut ergänzt. Antea Duarte führt den namensgebenden Beruf des "Banishers" aus. Sie ist die erfahrenere Geisterjägerin und wird von ihrem Partner und Gehilfen aus den schottischen Highlands Red mac Raith auf ihren Reisen durch Europa begleitet.

Ein Brief ihres ehemaligen Lehrmeisters und derzeitigen Pfarrers der Gemeinde New Eden bringt die beiden dazu, die Reise ins frisch kolonialisierte Amerika anzutreten. Ein schrecklicher Fluch liege auf dem ganzen Dorf, der das Leben von hunderten Menschen bedrohe. Die beiden Banisher sind die einzige Hoffnung der Siedler. Angekommen in der puritanischen Pilgersiedlung wird man mit einer emotionalen Kälte und viel Misstrauen der geplagten Menschen konfrontiert, wie man es sonst nur aus den Städten in den Werken Lovecrafts kennt. Schroff und kurz angebunden sind die wenigen Personen, die sich noch in der leergefegten Stadt befinden.

Wenig später, nach Ankunft beim örtlichen Gasthof, werden in wenigen Sätzen schlagartig einige Dinge klar. Der Gemeindepfarrer und ehemalige Lehrmeister ist tot. Die restlichen Ratsmitglieder sind sich über Existenz und Herkunft des Fluchs uneinig. Also machen wir uns auf, den Geist unseres Lehrmeisters in einer Séance zu beschwören und so weitere Antworten zu gewinnen.

In Gesprächen wie diesem werden die Intentionen der heimgesuchten Hinterbliebenen klar.
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Schuld, Verbannung oder Aufstieg

Nach erfolgreicher Geisterbeschwörung und der Konfrontation mit der Witwe des Pfarrers wird dem Spieler die zentrale Spielmechanik vorgestellt. Das Ende eines Geistes kann durch drei verschiedene Wege hervorgebracht werden. Einerseits kann die Seele des Verstorbenen in die Untiefen der Hölle verbannt werden, oder ihr wird eine Existenz im ewigen Frieden durch "Ascension" gewährt. Eine dritte Möglichkeit ist die Schuldzuweisung, bei der ein Banisher die Lebensessenz aus dem betroffenen Spukopfer heraussaugt und somit den eigentlichen Grund der Heimsuchung beendet.

Die Integration dieser mit moralischen Dilemmas gespickten Spielmechanik baut stark auf Dont Nods 2018 erschienem Vorgängertitel "Vampyr" auf. Die Handlung dieses Spiels drehte sich um den Arzt Jonathan Reid, der bei seiner Rückkehr aus dem Ersten Weltkrieg mit Vampirismus infiziert wird. Das Problem, den Hippokratischen Eid mit dem verzehrenden Hunger eines Vampirs zu vereinbaren, brachte den Spielerinnen und Spielern einiges an Kopfzerbrechen. "Banishers: Ghosts of New Eden" entwickelt diese Spielmechanik mit seiner Ghostbuster-Detektivarbeit um einige Ebenen weiter. Während man sich in "Vampyr" relativ schnell für oder gegen einen blutdürstigen Spielstil entscheiden muss beziehungsweise vom Spiel dazu gezwungen wird, kommen einem in "Banishers" immer neue Fälle mit neuen menschlich wirkenden Figuren entgegen. Es bleibt emotional schwierig, und das ist genau so gewollt.

Bis dass der Tod uns scheidet?

Ist eine dieser drei Entscheidungen über das Schicksal des Pfarrers getroffen, wartet nur mehr der wahre Kern des Fluchs auf einen. Ein "Nachtmahr", der aus dem tragischen Tod einer noch unbekannten Frau entstanden ist, hat sich im Versammlungshaus, einer Vorstufe zur Kirche, eingenistet. Im erbitterten Kampf gegen die paranormale Bedrohung, in dem wir auch das erste Mal in den Kilt des Schotten schlüpfen dürfen, werden wir haushoch besiegt. Antea ist tot und Red meilenweit im Meer abgespült nur noch beinahe am Leben. Anders als bei langatmigen Opern sterben die Protagonisten in diesem Spiel nicht erst im dritten Akt.

Mit Schlafparalyse hat dieser Nachtmahr wenig zu tun.
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Eine auszubildende Hexe rettet das Leben des stark lädierten Schotten, und Antea ist als Geist immer noch an die Welt der Lebenden gebunden. Ihr Körper wird noch immer in der Basis des Nachtmahrs festgehalten und verhindert, dass ihre Seele zur nächsten Station weiterwandern darf. Nun steht der Spieler vor einer großen Entscheidung, die mit einem Schwur besiegelt wird: Entweder rettet man den Körper Anteas und lässt sie friedlich von dieser Welt gehen, oder man erntet genug Lebensessenz von Spukopfern, um ein dunkles Rituals für ihre Wiederbelebung zu ermöglichen.

Ein Spiel fürs Binge-Watching

In "Banishers: Ghosts of New Eden" sind alle Bausteine einer altgriechischen Tragödie vorhanden. Nur sind sie hier mit den Techniken einer amerikanischen Hochglanz-Fernsehproduktion poliert, und Spieler dürfen sich auf Kinoniveau den moralischen Entscheidungsabgründen des Spiels stellen. Jeder Beweggrund und jedes Ereignis, das zu einer Heimsuchung führt, wird so nachvollziehbar erzählt, dass am Ende keine der vorhandenen Optionen als die völlig richtige heraussticht. Schlussendlich sind es die eigenen persönlichen Wertvorstellungen, die ausschlaggebend für Entscheidungen sein werden. Das Spiel unterstreicht des Öfteren, dass man selbst nach getätigtem Schwur nicht in seiner Entscheidungsfreiheit eingeschränkt ist.

Schwächere Gegner werden schon von der halbstarken Version dieser Attacke pulverisiert.
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Ein einziger Kritikpunkt könnte sein, dass das Kampfsystem in diesem Action-RPG zwar Spaß macht und auch eine Handvoll Spielstile durch gezielte Skillverteilung ermöglicht, aber dennoch ein besonderes Alleinstellungsmerkmal vermisst. Anteas Geistfähigkeiten bieten mehrere Arten, einen Kampf zu kontrollieren, doch ist auf dem normalen Schwierigkeitsgrad eine sehr einfache Taktik oft die optimalste Herangehensweise: ein Sprint in Geisterform, dem eine halbaufgeladene "Area of Effect"-Explosion mit einer Faustvoll Nahkampfangriffe folgt. Spätestens nach ein bis zwei abschließenden Säbelhieben des Schotten sind auch größere Geisterhorden schnell besiegt. Das sieht beeindruckend aus, wird aber mit zunehmendem Spielverlauf langweilig. Ein Umstand, den das Spiel nicht mit angepassten Gegnertypen behebt. Die Spieler sind gefragt, den eigenen Spielstil zu adaptieren, um die volle Bandbreite an Möglichkeiten genießen zu können.

Insgesamt ist "Banishers: Ghosts of New Eden" eine mehr als runde Spielerfahrung. Die Spielerinnen und Spieler werden am laufenden Band vor Entscheidungen gestellt, die gern auch mal längere Zwischensequenzen ablaufen lassen. Immer wieder unterbrechen Kämpfe diese passive Erfahrung und schaffen so eine ausgewogene Balance zwischen einnehmender Geschichte und aufregenden Action-Sequenzen. Ein Mix, den man sich perfekt auf Ein- bis Zwei-Stunden-Sessions zu Feierabend aufteilen kann und der so eine Alternative zu den Streamingserien stark wechselnder Qualität darstellt. (Georg Laurenz Dittlbacher, 23.2.2024)