Das Innere eines Flugzeugs, Männer in Overalls schweben vor einer in Schaumstoff eingepackten Vorrichtung.
Wiener Quantenforscher mit ihrem Experiment. Die Quanteneffekte überstanden die Schwerelosigkeit gut.
Novespace

Quantensysteme sind äußerst zart besaitet: Schon die kleinste Störung lässt all die sonderbaren Effekte, die den Mikrokosmos bestimmen, zusammenbrechen. Nicht ohne Grund sind Quanteneffekte in unserer alltäglichen Welt kaum zu beobachten. Die Erforschung des Mikrokosmos geschieht daher normalerweise in gut abgeschirmten Labors in den Kellergeschoßen von Universitäten und Forschungsinstituten durchgeführt. Zum Teil darf nicht einmal für Toilettenpausen die Tür geöffnet werden.

Für die technische Umsetzung von Quantentechnologien, etwa unknackbarer Verschlüsselungsverfahren, ist das eher ein Problem. Für Anwendungen sollten die Effekte möglichst stabil aufrechterhalten werden können. Einem Härtetest stellte sich nun eine Forschungsgruppe um den Experimentalphysiker Julius Bittermann vom Institut für Quantenoptik und Quanteninformation der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, der auch am Atominstitut der Technischen Universität Wien forscht. Sein Team berichtet in einer Studie im Fachjournal "Quantum" davon, wie es eine Versuchsanordnung in Miniaturform konstruierte und sie mit auf einen sogenannten Parabelflug nahm.

Transportables Labor

Dabei handelt es sich um ein Verfahren, das eigentlich dem Astronautentraining dient. Ein umgebautes Verkehrsflugzeug führt dabei einen steilen Steigflug durch, um nach Erreichen des maximalen Steigungswinkels den Schub zu reduzieren. Das Flugzeug befindet sich daraufhin mitsamt seinen Passagieren im freien Fall. Nicht nur Schwerelosigkeit lässt sich dabei simulieren, beim Beschleunigen und Abbremsen treten auch stark erhöhte g-Werte auf. Menschen kann dabei schon einmal schlecht werden, weshalb diese Flugzeuge hinter vorgehaltener Hand auch "Kotzbomber" genannt werden, im Englischen "Vomit Comet". Doch wie würde ein Quantenexperiment reagieren?

Dort könnten Störungen in Form von Erschütterungen für Fehler sorgen. Oder aber die Gravitationswirkung selbst (Beschleunigung durch Massenanziehung oder Kursänderungen sind laut Allgemeiner Relativitätstheorie ja ein- und dasselbe) könnten womöglich einen Einfluss haben, der die Verschränkung zerstört.

Nobelpreisexperiment

In dem Experiment der Wiener Gruppe handelt es sich konkret um eine Quelle für verschränkte Lichtteilchen. Ihr Zustand ist ähnlich unbestimmt wie jener von Schrödingers berühmter Katze, die weder lebendig noch tot ist, allerdings mit dem Unterschied, dass sie über weite Strecken verbunden bleiben können, bis die Eigenschaften eines der Lichtteilchen gemessen werden. Die experimentelle Bestätigung dieses Verhaltens brachte dem Wiener Physiker Anton Zeilinger gemeinsam mit zwei Kollegen im Jahr 2022 den Nobelpreis ein.

Zwei Männer stehen vor einer etwa mannshohen Vorrichtung und blicken in einen darauf installierten Bildschirm.
Die Installation des Experiments im Inneren des Flugzeugs.
Daniel Hinterramskogler

"Durch die Verschränkung werden beide einzelnen Photonen Teil eines größeren Quantensystems, das nur noch als Ganzes komplett beschrieben werden kann. Wenn ich die Polarisierung eines Photons messe, liegt die Chance, einen der beiden möglichen Zustände "horizontal" oder "vertikal" zu erhalten, bei 50 zu 50. Aber egal welches Ergebnis ich bekomme, ich kenne dann immer auch den Zustand des anderen Photons, das in unseren verschränkten Systemen immer die andere Polarisation aufweisen muss", erklärt Bittermann.

In dem nun durchgeführten Experiment wurde laufend die Verschränkung der erzeugten Lichtteilchen kontrolliert um zu sehen, ob die Beschleunigungskräfte einen Einfluss darauf ausüben. Mehrere Dutzend Beschleunigungsänderungen sind es während eines einzigen Parabelfluges, mit Spitzenwerten von bis zu dem 1,8-Fachen der Erdbeschleunigung.

Wie sich Quantensysteme in solchen Umgebungen verhalten, sei von grundlegendem Interesse, betonen die Forschenden. "Wir haben heute noch keine Vereinheitlichung zwischen der Quantenphysik und der Allgemeinen Relativitätstheorie, die unsere beste Beschreibung der Gravitation darstellt. Deshalb sind Experimente, die den Einfluss von sogenannter nicht inertialer Bewegung auf Quantensysteme untersuchen, so interessant", erklärt Bittermann.

Verschränkung bleibt erhalten

Tatsächlich schienen die Beschleunigungen während des Flugs, der von der Esa-Partnerfirma Novespace vom französischen Bordeaux aus durchgeführt wurde, keinen Einfluss auf die Verschränkung auszuüben. Eine Überraschung sei das nicht, betont man. Ein abweichendes Verhalten wäre eine nobelpreisverdächtige Entdeckung gewesen. "Wir liefern einen weiteren Referenzpunkt für die Wechselwirkung zwischen Beschleunigungskräften und Quantensystemen. Unser Experiment zeigt, dass weder Kräfte zwischen 0 g und 1,8 g noch der Wechsel zwischen ihnen einen Einfluss auf polarisationsverschränkte Photonen haben", sagt Bittermann. Die Demonstration belegte außerdem, dass das experimentelle Setup den Belastungen standhielt. Das empfiehlt die Technologie auch für künftige Raumfahrtprojekte.

"Obwohl Quantenzustände sehr empfindlich sind, können wir durch beachtliche Fortschritte in der Experimentalphysik heute auch außerhalb des Labors spannende Versuche durchführen, die sogar robust genug sind, um den extremen Bedingungen eines Parabelflugs zu trotzen", zeigt sich Bittermann stolz. Womöglich darf das Experiment ja bald noch extremeren Bedingungen in deutlich größeren Höhen trotzen. (Reinhard Kleindl, 19.2.2024)