GASTBEITRAG: Tamara Kapeller

Menschliche Hände halten einen Stapel aus Goldmünzen, aus dem ein Baum mit grünem Schirm als Blätterdach wächst
Aufsichtsgremien tragen Verantwortung für gelebte Nachhaltigkeit in ihren Unternehmen.
Getty Images/iStockphoto

Aufsichtsräte haben es auch nicht leicht: Erfordern schon ihre angestammten Kontrollaufgaben – von der Unternehmensstrategie über Investvorhaben, Finanz- und Ertragslage und Liquiditätssituation bis zu Personalfragen – ein großes Maß an Kompetenz, hat sich dieses Spektrum sukzessive um Krisenresilienz, Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Künstliche Intelligenz erweitert. Nicht zuletzt sollen auch ihre Gremien diverser, unabhängiger und professioneller und die beaufsichtigten Organisationen immer komplexeren Regularien gerecht werden. Aber was heißt das konkret? Das Thema Nachhaltigkeit ist ein gutes Beispiel dafür.

Nachhaltigkeit verpflichtet

Unternehmen können nicht mehr wählen, ob sie beim Thema Nachhaltigkeit "mitmachen" wollen. Sie sind unmittelbar betroffen. Ob es um die Zukunftsfähigkeit des Geschäftsmodells, die Dekarbonisierung des eigenen Betriebes inklusive vor- und nachgelagerter Lieferketten, die Einbeziehung von Nachhaltigkeitskriterien in Investitionsentscheidungen oder den Umgang mit Mitarbeitenden, Kundinnen, Kunden und Gesellschaft geht. Nachhaltige Unternehmensführung wird nicht nur aufgrund rechtlich verbindlicher Vorgaben zur unternehmerischen Verpflichtung.

Somit muss sich auch ein Aufsichtsrat damit befassen. Und zwar doppelt: sowohl mit der Frage wie Nachhaltigkeitsthemen von außen auf das Unternehmen einwirken als auch damit, wie das Unternehmen Umwelt, Menschen und Gesellschaft beeinflusst. Das Instrument dafür heißt Wesentlichkeitsanalyse. Bei ihrer Erstellung sollte der Aufsichtsrat eine aktive Rolle einnehmen. Denn aus ihr leitet sich die Nachhaltigkeitsstrategie des Unternehmens ab, die wiederum Einfluss auf die Geschäftsstrategie und ihre Umsetzung haben kann.

Faktor Mensch

Die vermehrten Forderungen nach nachhaltiger Unternehmensführung verleihen auch People & Culture-Themen mehr Bedeutung in der Aufsichtsratstätigkeit. Das beginnt auf der Top-Ebene: die Zusammensetzung der leitenden Gremien muss Diversität, ausreichendes Nachhaltigkeits-Know-how und eine an langfristigen, nachhaltigen Unternehmenszielen geknüpfte Vergütung sicherstellen. Auch Daten zur Vergütung der Mitarbeitenden, Diversität und Inklusion, Aus- und Weiterbildung sowie zur Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben müssen veröffentlicht werden. Dadurch lassen sich Verbesserungspotenziale identifizieren und entsprechende Handlungsfelder für die Geschäftsleitung festmachen

Hier hat der Aufsichtsrat als Dialogpartner eine wichtige Aufgabe bei der Schwerpunktfindung: In welchen Bereichen sind bis wann Fortschritte zu erzielen? Welche Maßnahmen eignen sich dazu? Wie ist etwa mit einem Gender-Pay-Gap umzugehen? Wie divers sind wir tatsächlich? Stimmen die Versprechen im Recruiting und in Social-Media-Profilen mit der gelebten Praxis überein? All das ist nicht nur vor dem Hintergrund potenzieller Greenwashing-Vorwürfe wichtig. Es ist eine Frage der Glaubwürdigkeit gegenüber (potenziellen) Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und allen Stakeholdern.

Transparenz als Gamechanger

Die gute Nachricht für Aufsichtsräte: sie bekommen Rückendeckung. Bisher war die externe Bestätigung veröffentlichter Nachhaltigkeitsdaten nicht verpflichtend. Viele Unternehmen haben das freiwillig getan. Künftig müssen jedoch alle verpflichtenden Nachhaltigkeitsberichte von Prüfern bestätigt sein. Damit rückt die nichtfinanzielle Berichterstattung näher an die finanzielle. Lediglich der Grad der Prüfpflicht wird limitiert. Rund 2.000 österreichische und 50.000 europäische Unternehmen werden damit – stufenweise bis 2028 – im Lagebericht des Geschäftsberichts geprüfte und bestätigte Nachhaltigkeitsdaten veröffentlichen. An der bestehenden Prüfpflicht der Aufsichtsräte ändert dies nichts.

Darüber hinaus müssen sich Unternehmen künftig kurz-, mittel- und langfristige Nachhaltigkeitsziele geben. Oder schlüssig erklären, warum sie dies nicht tun. Die Auswahl der Ziele obliegt ihnen selbst. Auch hier sollte der Aufsichtsrat eine aktive Rolle einnehmen. Ziele müssen messbar, ergebnisorientiert und mit Terminen versehen sein. Und sie sollten für das Unternehmen relevant sein – und aus der Geschäftsstrategie abgeleitet. Sind die Ziele veröffentlicht, ist über ihre Verfolgung laufend zu informieren. Zwar besteht keine gesetzliche Verpflichtung, sie auch zu erreichen, aber einmal veröffentlicht, werden Unternehmen ihre Umsetzung schon allein aus Reputationsgründen betreiben. (Tamara Kapeller, 3.3.2024)