Im heurigen Superwahljahr 2024 mischt ein alter Player mit neuer Stärke die Innenpolitik auf: Dominik Wlazny will mit seiner Bierpartei bei der Nationalratswahl antreten. Zumindest laut Plan soll im Herbst gewählt werden. Bis Ende April will der Sänger der Punkband Turbobier 20.000 neue Mitglieder gewinnen und sich die finanziellen Mittel für eine Kandidatur sichern. Schon jetzt sorgt Wlazny mit seiner Ankündigung für Aufsehen. Doch welche Rolle spielen Kleinparteien in der anstehenden Wahlauseinandersetzung wirklich? Wie können sie den Ausgang und die folgende Regierungsbildung beeinflussen?

Politiker, Musiker, Kabarettist und Vorsitzender der Bierpartei BPOe Dominik Wlazny alias Marco Pogo während des Pressegeprächs mit einer Stellungnahme zur Nationalratswahl 2024.
Dominik Wlazny will in den Nationalrat einziehen.
IMAGO/Isabelle Ouvrard

Die Zersplitterung der Parteienlandschaft, wie sie derzeit links der Mitte zu beobachten ist, hat das Mitte-rechts-Lager bereits vor ein paar Jahren durchgestanden. 2013 machten vor allem das BZÖ und das Team Stronach der FPÖ Konkurrenz – aber auch die Neos mischten sich erstmals in der Bundespolitik ein. Das Team Stronach zog in der Folge in den Nationalrat ein, das BZÖ unter Josef Bucher konnte hingegen nicht an den Erfolg von Jörg Haider 2008 anschließen und scheiterte knapp. Die Wahl 2013 lasse sich trotzdem gut mit der aktuellen Situation vergleichen, sagt Politikexperte Thomas Hofer. Denn: "Es war ebenfalls eine Post-Krisen-Wahl – die Finanz- und Wirtschaftskrise von 2008 war noch sehr dominant." Die damaligen Koalitionspartner SPÖ und ÖVP erreichten rund 27 beziehungsweise 24 Prozent, die FPÖ landete bei fast 21 Prozent. "Hätten die Freiheitlichen nicht so eine große Konkurrenz gehabt, dann wären sie wohl auf Augenhöhe mit den Regierungsparteien gewesen."

Heuer passiert die Fragmentierung links – neben der Bierpartei fischt die KPÖ traditionell in dem Wählerpool. Und die Kommunisten haben derzeit Konjunktur. Elke Kahr machte in Graz den Anfang, als sie 2021 zur Bürgermeisterin aufstieg. Kay-Michael Dankl legte bei der Landtagswahl in Salzburg nach und fuhr ein Plus von elf Prozentpunkten ein. Im Bund ist dieser Aufschwung allerdings noch nicht angekommen. In Umfragen liegen die Kommunisten meist unter drei Prozent. Ein Grund dürfte die Bekanntheit – besser die Unbekanntheit – der dunkelroten Spitze sein. Tobias Schweiger hat im Gegensatz zu Dankl, Kahr und auch Wlazny wenig Profil.

Marke Spitzenkandidat

Dabei spielt die "personelle Marke", wie Hofer sagt, eine wesentliche Rolle für das Überleben einer Kleinpartei. Ohne sie habe man wenige Chancen, auch permanent gut abzuschneiden. Das zeigt sich am Beispiel der MFG: Die Partei konnte vor allem in regionalen Auseinandersetzungen mit einem Single-Issue-Wahlkampf punkten. Doch die FPÖ schaffte es, mit blauen Positionen zu Corona der neuen Impfgegnerpartei keinen Platz mehr zu lassen.

Wlazny hingegen kann seine Berühmtheit, die er vor allem durch das gute Abschneiden bei der Bundespräsidentschaftswahl erreicht hat, nutzen. Inhaltlich legte seine Bierpartei Überschriften eines Programms vor, die auch die Wahlkampfmanager von SPÖ oder den Grünen aufgesetzt haben könnten.

Sind es also sie, die sich vor den Kleinen fürchten müssen? Wem könnten KPÖ und Bierpartei gefährlich werden?

Allen voran: einander. Mit der Bierpartei tritt eine Partei an, die bei der vergangenen Wahl nur 0,1 Prozent der Stimmen holte, nun aber in Umfragen bei rund sechs Prozent liegt und damit gute Chancen auf den Einzug in den Nationalrat hat. Das könnte besonders die KPÖ, die Grünen, aber auch Neos Stimmen kosten. Außerdem könnte die SPÖ zum Ziel des Stimmenfangs werden. Inhaltliche Schnittmengen gibt es mit den Roten etwa bei den Forderungen nach Chancengleichheit, mit den Grünen in puncto Klimaschutz oder mit der KPÖ beim Thema leistbares Wohnen. Gleichzeitig kann Wlazny aber auch im Protestlager fischen – bei den Nichtwählenden und zusätzlich bei der FPÖ.

Bürgermeisterkandidat Kay-Michael Dankl (KPÖ) bei einem Interview.
Kay-Michael Dankl will Salzburger Bürgermeister werden und verschafft der Bundes-KPÖ Auftrieb.
APA/BARBARA GINDL

Die KPÖ ist aktuell vor allem durch Dankls Antritt bei der Bürgermeisterwahl in Salzburg im Fokus. Dadurch könnten die Grüne durchaus betroffen sein. Aber auch die SPÖ könnte durch den Aufwind der Dunkelroten wichtige Prozentpunkte bei der Parlamentswahl verlieren – im Match gegen FPÖ und ÖVP.

Taktisches Wählen

Wobei hier am Ende die Taktik ins Spiel kommt: Geht es in der heißen Wahlkampfphase darum, wer sich näher an Herbert Kickls FPÖ herantastet, wer die Nummer zwei im Land wird, können jene, die eigentlich die KPÖ oder Bierpartei wählen wollten, wieder umsatteln. Etwa um dem roten Andreas Babler einen Boost zu geben. Gesehen hat man das bereits 2017 als Wählerinnen und Wähler der Grünen zur SPÖ wechselten, um das Duell Christian Kern gegen Sebastian Kurz mitzuentscheiden. Das Resultat dürfte für Wechselwähler unbefriedigend gewesen sein: Kern unterlag, die Grünen flogen aus dem Nationalrat.

Egal ob die Kleinen es ins Parlament schaffen oder nicht – relevant sind sie am Ende trotzdem: Ziehen sie nicht ein, spielen ihre Stimmen bei der Mandatsvergabe keine Rolle. Was das heißt? Es verringert sich der Prozentteil, mit dem die Mandatsmehrheit erreicht wird. Eine Koalition könnte also auch mit weniger als 50 Prozent der Stimmen stabil regieren. So könnte etwa für SPÖ und ÖVP der dritte Partner obsolet werden. Ziehen die Kleinen ein, könnten sie wiederum selbst zum Mehrheitsbeschaffer werden. (Oona Kroisleitner, Max Stepan, 3.2.2024)