Die USA werden immer weiter in einen erweiterten Gazakrieg hineingezogen: US-Präsident Joe Biden.
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Am Wochenende ist der Nahe Osten einem regionalen Konflikt wieder ein Stück näher gerückt. Erstmals wurden an einem der Nebenschauplätze des Gazakriegs mehrere US-Soldaten getötet, von dem Iran nahestehenden schiitischen Milizen. Diese haben auch den Aktionsradius ausgeweitet: Die Angriffe fanden nicht, wie üblich, im Irak oder in Syrien statt, sondern auf jordanischem Territorium.

Die USA werden immer weiter in einen erweiterten Gazakrieg hineingezogen. Sie haben in den letzten Wochen zunehmend scharf auch auf nichtletale Milizenattacken geantwortet. Im Irak haben sie Anfang Jänner einen für den Iran tätigen Milizenführer eliminiert. Im Jemen bombardieren sie Militäreinrichtungen der ebenfalls mit dem Iran verbündeten Huthi-Rebellen, wenngleich unter dem Etikett "Schutz der Handelsroute im Roten Meer". Für US-Präsident Joe Biden stellt sich nun die Frage, was die adäquate Antwort auf drei tote und drei Dutzend verletzte US-Soldaten ist. Diese Zahlen verdeutlichen, dass der Angriff gezielt und massiv war.

Der sogenannte Tower 22 auf der jordanischen Seite im Dreiländereck mit Syrien und dem Irak gehört zur Versorgungsinfrastruktur der US-Militärbasis al-Tanf auf syrischem Territorium. Dort ist die US-Armee – anders als in Jordanien und im Irak – nicht mit der Zustimmung der Regierung, in dem Fall Damaskus, stationiert. Die US-Armee benützte al-Tanf bisher vor allem für Operationen im Zusammenhang mit dem "Islamischen Staat" und der Unterstützung seiner kurdischen Verbündeten in Syrien.

Aber die strategische Positionierung an der Route zwischen Damaskus und Bagdad macht die US-Präsenz zum besonderen Ärgernis für den Iran und für iranfreundliche Milizen in Syrien und im Irak. Dieser Aspekt ist seit Beginn des Gazakriegs noch viel stärker geworden. Zudem hat es immer wieder Gerüchte gegeben, dass auch Israel, das seinerseits Iraner und Iran-Verbündete in Syrien angreift, die Basis nutzt.

Noch keine völlige Eskalation

So wie Washington betont, dass die Schläge gegen die Huthis nicht als gegen den Iran gerichtet zu sehen sind, so distanzierte sich Teheran am Montag von den Angriffen in Jordanien. Noch widerstehen die Akteure einer völligen Eskalation. Noch hält auf beiden Seiten die Linie, dass man sich von der anderen nicht Ort und Zeitpunkt eines Konflikts vorgeben lassen will. Aber das kann sich schnell ändern. Im Iran sind zunehmend erratische aggressive Entscheidungen – wie die Raketenangriffe in Erbil und in Pakistan – zu beobachten. In den USA machen einige Republikaner Druck, dass die nächste Antwort direkt auf iranischem Territorium erfolgen sollte.

Auch die Gefahr für Jordanien wird ausgeblendet. Mit einer palästinensischen Mehrheitsbevölkerung ist es im Gazakrieg eindeutig im israelkritischen Lager, bleibt aber gleichzeitig treuer militärischer Verbündeter der USA, abgesehen vom täglichen Krieg – mit Toten –, den es an der Grenze zu Syrien gegen Captagonschmuggler führt.

Israel begegnet Staaten wie Jordanien und Ägypten, die auch in der jetzigen Situation die Kooperation aufrechterhalten, mit Verachtung: Die israelische Rechte sieht sie nur als Orte, wo sie sich die Bevölkerung aus dem Gazastreifen hinwünscht. Die Folgen einer Destabilisierung dieser Länder werden aber auch die Israelis spüren. (Gudrun Harrer, 29.1.2024)