Von der IT über Nachhaltigkeit bis zur Pflege gibt es aktuell eine breite Palette an finanzieller Unterstützung für Menschen, die umsatteln wollen. Ist das ein eindeutiges Zeichen, dass die ursprüngliche Ausbildung bald nicht mehr viel über die Berufsbiografie aussagen wird, weil Wechsel zwischen Branchen und Professionen die Zukunft sind? Wird Quereinstieg zum Trend?

Eine Frau blickt nachdenklich, aber nicht negativ, aus dem Fenster
Den beruflichen Weg ändern und etwas ganz anderes machen? Das hängt von der Tiefe der Spezialisierung in der Ausbildung und vom Unternehmen ab, das umschulen soll.
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"Es hängt sehr stark vom Unternehmen und der jeweiligen Recruitingstrategie ab“, sagt Personalberater Daniel Marwan zum Quereinstieg im Berufsleben. Er betreibt mit 230 Mitarbeitenden "epunkt" und beschäftigt selbst viele Quereinsteiger im Personalgeschäft. Eine Bewerberin aus Madagaskar etwa, erzählt er, habe sich nach dutzenden Absagen bei ihm als Reinigungskraft beworben, drei Monate später arbeitete sie im Front-Office, nunmehr in der Buchhaltung. Unternehmen, die auf "hire for attitude", also die Motivation und die Persönlichkeit bei Einstellungen setzen, seien häufig bereit, Quereinsteigerinnen in Betracht zu ziehen.

Aber, so Marwan, oftmals würden diese aufgrund der Unterlagen früh aussortiert – oder sie trauten sich gar nicht, eine Bewerbung außerhalb ihrer nachgewiesenen Kompetenzen abzuschicken. Doch selbst wenn Arbeitgeber aufgeschlossen sind für generelle Berufserfahrung und Lernwillen – es kann nicht in allen Rollen klappen. Klar kann eine Pianistin nicht schnell Finanzchefin werden – aber so krass muss es gar nicht gedacht sein.

Dort, wo spezifisches, tiefes Fachwissen gefragt ist, wird es mit dem Hüpfen zwischen Branchen und Funktionen schwer, oder Arbeitgeber scheuen die oft erheblichen Schulungskosten und wollen doch lieber schon spezifizierte Leute heuern. Grundsätzlich glaubt Marwan aber an den Quereinstieg und sieht derzeit zwei Treiber solcher Umstiege in neue Jobfelder: einerseits die Schwierigkeiten, Personal zu finden, und andererseits das neue Regime im Arbeitsmarktservice (AMS), das nun Kompetenzen "matcht" statt lediglich Jobkasterln.

Die Hürden bei Top-Jobs

Gudrun Heidenreich, Partnerin Human Capital Consulting bei Deloitte und mit Führungskräftebesetzungen beschäftigt, berichtet, dass Unternehmen oftmals das Gefühl von Sicherheit hätten, wenn keine oder kein Branchenfremder kommt, sondern der Trackrecord geradlinig ist und die Expertise solcherart nachgewiesen. In vielen besonders spezifischen Fachbereichen, sagt sie, etwa im regulativen Bereich, sei Quereinstieg notgedrungen quasi unmöglich. Allgemein sieht sie in ihrem Arbeitsfeld, dem Führungskräftebereich, Quereinstieg eher "als Ausnahme".

Auch was den so oft zitierten Umstieg etwa von Konzernstrukturen in Familienunternehmen betrifft. Wobei es hier manchmal explizit gewollt sei, Konzernstrukturerfahrung einzubringen. Auch manche Start-ups holen mittlerweile sich Konzernleute, wenn es um das Wachstum, um die Skalierung geht, berichtet Alexander Kail, Managing Partner Stanton Chase Österreich. Allerdings gehe es aktuell um knappere finanziellen Ressourcen, weniger Venture Capital im gegenwärtigen Zinsumfeld. Grundsätzlich würden aber in Gründungen, die wachsen können und müssen, Manager gebraucht, die Skalierung beherrschen. (Karin Bauer, 29.1.2024)