Siliziumkarbid-Wafer
Ein US-amerikanisch-chinesisches Forschungsteam bringt die Forschung an Graphen weiter – mit der Hilfe von Siliziumkarbid.
Georgia Institute of Technology

Die Zukunft findet man im Nanobereich: In unserer immer stärker von Technologie abhängigen Welt wird es wichtig bleiben, starke und verlässliche Hardware zu liefern, auf der vom Smartphone bis zum Quantencomputer alles funktioniert. Doch ob die Entwicklungen mit den Erwartungen Schritt halten können, ist fraglich. Der Richtwert, demzufolge sich als Maß für Leistungsfähigkeit die Anzahl an Transistoren auf modernen Computerchips alle zwei Jahre verdopple, kommt nicht mehr nach. Die Naturgesetze der Physik geben die Grenzen vor.

Das betrifft vor allem das Halbmetall Silizium. Es kommt in fast allen modernen elektronischen Geräten vor. Als Halbleiter hat es wichtige Eigenschaften, vereinfacht gesagt: Wie gut ein Halbleiter Strom leitet, lässt sich beeinflussen und für unterschiedliche Bauteile nutzen. Doch viel kleiner als jetzt scheint es nicht mehr zu gehen.

Hoffnungsträger Graphen

Seit mindestens zehn Jahren setzen viele Fachleute große Hoffnungen in eine Struktur, die neue Möglichkeiten liefern könnte. Graphen (Betonung auf dem e) besteht ausschließlich aus miteinander verbundenen Kohlenstoffatomen in der für Bienenwaben typischen sechseckigen Form. Das Besondere: Es ist komplett flach, quasi zweidimensional. Für die erstmalige Herstellung 2004 und die Erforschung seiner Eigenschaften sprang 2010 ein Nobelpreis heraus.

Graphen Symbolbild
So kann man sich die flache Struktur von Graphen vorstellen: Die miteinander verknüpften Kohlenstoffatome sind in Bienenwabenstruktur angeordnet.
vchal/Getty Images/iStockphoto

Einer der Menschen, die Graphen als Ergänzung für Silizium voranbringen wollen, ist Walter de Heer vom Georgia Institute of Technology in den USA und der Tianjin University in China. Er arbeitet seit 2001 daran, das zweidimensionale Graphen zu entwickeln und zu erforschen. Das Problem: Graphen selbst ist kein Halbleiter wie Silizium. Mit seinem Team gelang ihm nun etwas, das in einer Aussendung als Durchbruch gefeiert wird: Das Forschungsteam produzierte erstmals einen funktionsfähigen Graphen-Halbleiter. Veröffentlicht wurde die Studie im Fachjournal "Nature".

Dem US-amerikanisch-chinesischen Team gelang es, Graphen auf dünnen Scheiben (sogenannten Wafern) aus Siliziumkarbid "wachsen" zu lassen, also auf einer Verbindung zwischen Silizium- und Kohlenstoffatomen. Das Material hat die Gruppe über zehn Jahre hinweg verbessert. Mit dem richtigen Verfahren entstand in kontrollierter Umgebung eine chemische Bindung zwischen Graphen und Siliziumkarbid – und diese Kombination hat die Eigenschaften eines Halbleiters.

Walter de Heer hält ein rundes, transparentes Objekt vor ein Auge
Walter de Heer mit einem Siliziumkarbid-Wafer.
Georgia Institute of Technology

Die Lücke mit der Lücke

Die größte Lücke in dem Unterfangen war lange Zeit, dass eine Lücke fehlte – die sogenannte Bandlücke. Das ist, vereinfacht ausgedrückt, ein energetischer Abstand im Material, der für einen Halbleiter etwas wie einen Knopf zum Ein- und Ausschalten bietet. Weil dies bei Graphen nicht möglich ist, waren Expertinnen und Experten lange Zeit skeptisch, ob das Material in diesem Bereich so zukunftsträchtig ist wie erhofft.

Georgia Tech Researchers Create First Functional Graphene Semiconductor
Georgia Tech Research

Doch die Fachwelt hat zwei Umgehungen gefunden. Es gelingt etwa, wenn Graphen umgeformt wird in sogenannte Nanobänder. So winzig man sich diese Bänder auf Atomebene vorstellen muss, ist dies mittlerweile doch mit erstaunlicher Präzision möglich, schreiben die Graphen-Fachleute Francesca Iacopi von der University of Technology Sydney (Australien) und Andrea Ferrari von der University of Cambridge (Großbritannien), die an der aktuellen Studie nicht beteiligt waren, in einem Begleitartikel. Die Variationen bei der Herstellung seien jedoch weiterhin problematisch, vor allem, wenn man dies in großem industriellem Stil umsetzen will.

Das Team um de Heer wählte ein zweites Verfahren. Dabei geht es um eine Kombination mit anderen Materialien, genauer gesagt, um das Substrat, auf dem Graphen gezüchtet wird. "Schon 2008 war bekannt, dass die Graphen-Pufferschicht, die auf SiC (Siliziumkarbid, Anm.) entsteht, ein Halbleiter sein könnte", schreiben Iacopi und Ferrari. Das Ganze im Maßstab von Wafern herzustellen war jedoch schwierig.

Robustes Material, hohe Mobilität

Dies gelang dem Forschungsteam, auch wenn es "sehr, sehr lange dauerte", bis das Material optimiert wurde, sagt de Heer. "Wir waren von der Hoffnung beseelt, drei besondere Eigenschaften von Graphen in die Elektronik einbringen zu können", betont der Physiker. "Es ist ein extrem robustes Material, das noch dazu eine sehr hohe Stromstärke verarbeiten kann und sich dabei weder erhitzt noch zerfällt."

Das neue Material im Experiment sei ebenfalls sehr widerstandsfähig und weise eine hohe Mobilität auf, ein Maß dafür, wie leistungsfähig ein Halbleiter ist. Der Wert ist bei Raumtemperatur für die Pufferschicht im Material zehnmal so groß wie für Silizium und fast dreimal so groß wie für Germanium, ein weiterer alternativer Halbleiter.

Weitere Baustellen

Problematisch sei nur, dass die Mobilität der Graphen-Pufferschicht 200-mal geringer ausfiel, als das Team sie in eine Transistorstruktur einbaute. In Isolation bringt das Material freilich wenig, hier ist also eine Baustelle, die künftig durch weitere Optimierungen angegangen werden muss. Der Graphen-Halbleiter soll mit üblichen Verarbeitungsmethoden kompatibel sein, für die Industrie ein wichtiger Aspekt.

Graphen auf Siliziumkarbid Herstellung
De Heer patentierte eine Apparatur, mit der er Graphen auf Siliziumkarbid züchten kann.
Georgia Institute of Technology

Den unabhängigen Fachleuten zufolge ist die Arbeit ein Schritt auf dem Weg zum Einbau von Halbleitern, die nicht (nur) aus Silizium bestehen, in Chips. Dies sei wiederum notwendig, um Sensor- und Energietechnologien voranzutreiben. Zwar sei das Material "nicht als Ersatz für siliziumbasierte Elektronik gedacht, könnte aber vielversprechend für die Herstellung von Logikgattern auf SiC sein". Bei einem Logikgatter handelt es sich um Schaltungen, die binäre Signale verarbeiten können.

Anwendung für erneuerbare Energien

Was die Anwendung angeht, liegt die Zukunft dieser Forschung demnach also vor allem im Bereich von erneuerbaren Energien wie Solarzellen und der Elektronik, die hinter der Energieversorgung von E-Fahrzeugen steckt. Die Hybridstruktur des Forschungsteams bietet die Möglichkeit, Geräte mit verschiedenen Funktionen in denselben Chip aus Siliziumkarbid einzubauen, etwa Sensorik und logische Komponenten. "Dies könnte der Erzeugung von Energie aus erneuerbaren Quellen zugutekommen, bei der aufgrund wechselnder Wetterbedingungen der Input unregelmäßig sein kann", schreiben Iacopi und Ferrari.

Bis es so weit ist, dürfte es freilich noch dauern. Andere Anwendungsbereiche, die sie sehen, sind die Photonik und Quantentechnologien. Immerhin können quantenmechanische Welleneigenschaften von Elektronen genutzt werden – eine Voraussetzung für Quantencomputer. Generell seien Substrate aus Siliziumkarbid nützlich für herausfordernde Bedingungen, etwa hohe Temperaturen und Strahlung. Deshalb könnten sie etwa für Elektronik im Weltraum und in medizinischen Geräten nützlich sein.

Studienautor de Heer ist jedenfalls sehr optimistisch und stellt in Aussicht, dass eine neue Generation an Elektronik auf dem Weg sein könnte. Er vergleicht dies sogar mit Luftfahrtpionieren, den Gebrüdern Wright: "Sie haben ein Flugzeug gebaut, das 300 Fuß durch die Luft fliegen konnte. Die Skeptiker fragten, warum die Welt Flugzeuge bräuchte, wenn sie doch schon schnelle Züge und Boote hatte. Aber sie blieben hartnäckig, und so war es der Beginn einer Technologie, die Menschen über Ozeane bringen kann." (sic, 3.1.2024)