Werden gewaltbereite israelische Siedler, die Palästinenser im Westjordanland attackiert haben, demnächst nicht mehr nach Europa einreisen dürfen? Eine solche Regelung wird derzeit auf EU-Ebene diskutiert. In der Debatte über einen entsprechenden Vorschlag hatte sich knapp die Hälfte der EU-Staaten für einen Einreisestopp ausgesprochen. Von 27 Mitgliedsstaaten waren 13 für die Idee.

Verwandte am Grab des Palästinensers Bilal Saleh, der Ende Oktober beim Olivenpflücken von radikalen Siedlern erschossen wurde.
AFP/KENZO TRIBOUILLARD

Europa könnte damit dem Beispiel der USA folgen. Bereits im November hatte US-Präsident Biden schärfere Maßnahmen gegen gewaltbereite Siedlergruppen angekündigt. Wer in der Vergangenheit an Übergriffen auf Palästinenser teilgenommen habe, solle künftig nicht mehr in die USA einreisen dürfen.

Mehrere Staaten sind bereits mit nationalen Alleingängen vorgeprescht, allen voran Großbritannien. Im österreichischen Außenministerium heißt es auf STANDARD-Anfrage, man sei "für eine EU-weite Lösung absolut offen". Derzeit warte man aber noch auf konkrete Vorschläge. Sobald es einen Textentwurf gebe, über den man diskutieren könne, werde man ihn prüfen, man stehe dem Anliegen aufgeschlossen gegenüber. "Das gewalttätige Verhalten radikaler Sieder ist absolut inakzeptabel und unverantwortlich", sagt eine Sprecherin.

Keine Schengen-Einreise

Menschenrechtsorganisationen in Israel berichten von einem deutlichen Anstieg der gewaltsamen Attacken auf palästinensische Dörfer im Westjordanland im Jahr 2023.

Israelische Staatsangehörige können ohne Visumsantrag in die EU einreisen. Vorstellbar wäre aber ein spezifisches Einreiseverbot in den gesamten Schengen-Raum, das jeweils auf die betreffende Person abzielt. In diesem Fall würde auch ein Zweitpass eines EU-Mitgliedsstaats, wie ihn zahlreiche Israelis haben, keine Abhilfe schaffen. Konkret könnte also ein österreichischer Staatsangehöriger – in diesem Fall ein Israeli mit österreichischem Zweitpass – an der Einreise am Flughafen Schwechat gehindert werden, falls es eine EU-weite Regelung gibt.

Wie viele Personen tatsächlich von einem solchen Einreiseverbot betroffen wären, ist aber fraglich. In den USA werden die Fälle auf "nicht mehr als ein paar Dutzend" geschätzt. Laut Angaben hochrangiger US-Vertreter bestehe der Sinn eines solchen Visa-Banns aber ohnehin in der erhofften abschreckenden Wirkung in der näheren Zukunft.

Die EU-Behörden würden sich in ihren Täterlisten wohl danach richten, ob jemand in Israel wegen gewaltsamer Übergriffe verurteilt wurde. Das ist aber nur bei einer Minderheit der von Menschenrechtsorganisationen dokumentierten Fälle so.

In Israel umstritten

Wie wahrscheinlich ist es, dass die EU-weite Regelung kommt? Bisher hat sich laut dem EU-Außenbeauftragten Josep Borrell zwar niemand explizit dagegen ausgesprochen. Es ist aber denkbar, dass eine EU-Lösung an Verbündeten der aktuellen israelischen Regierung wie Ungarn und Tschechien scheitert.

Mehrere EU-Staaten erwägen eigenständige nationale Einreiseverbote, sollte keine EU-weite Lösung gefunden werden. Diese wären aber leicht umgehbar, indem die Einreise in den Schengen-Raum über ein anderes EU-Land erfolgt.

In Israel wird die Debatte rund um Einreiseverbote ganz unterschiedlich bewertet. Besatzungskritikern geht die Maßnahme zu wenig weit. Sie argumentieren, dass es sich bei den gewaltbereiten Siedlern um Mitglieder einer terroristischen Vereinigung handle, die keinen Visa-Bann verdienten, sondern strafrechtliche Verfolgung. Da Israels Justiz die Täter verschone, sollten andere Länder einspringen, fordern sie. Israels Regierung lehnt die Maßnahme ab. (Maria Sterkl aus Jerusalem, 27.12.2023)

Anmerkung: Für mehr Informationen zur Geschichte hinter dem Foto, hier ein Bericht des US-TV-Senders CBS.