Was macht einen guten Wein aus? Sorte und Unterlage sind Geschmacksträger, die Arbeit im Weingarten prägt ihn ebenso wie jene im Keller. Starken Einfluss darauf hat das Klima. Nicht zu vernachlässigen ist die Lage. Alles das fließt in den Preis des Rebensafts ein. Geht es nach Österreichs Weinwirtschaft, werden seine Qualität und sein Wert jedoch zusehends zur Frage der regionalen Herkunft.

In Österreichs Weinwirtschaft hängt der Haussegen schief.

Das birgt Zündstoff. Bisher entlud sich dieser primär hinter den Kulissen der Weinbauvereine. Nun wird sich damit, wie DER STANDARD erfuhr, auch die Justiz befassen.

Stein des Anstoßes ist eine neue Klassifizierung, die auf die Lage einzelner Weinberge abzielt: Bundesweit werden in Österreich künftig auf gesetzlicher Ebene Rieden definiert, die sich vom Rest der Rebflächen abheben. Möglich machte dies eine Novelle der Regierung.

Reizwort in der Branche sind die Begriffe "Erste Lage" und "Große Lage". Wer Wein damit bewerben und schmücken darf, darüber entscheiden in Zukunft ausschließlich regionale und nationale Komitees.

Ziel ist es, Weinbaugebiete besser international zu vermarkten. Weinliebhabern soll die Herkunftskennzeichnung als Wegweiser durch den Dschungel an willkürlichen Prädikaten und Fantasienamen dienen. Gewicht haben "Erste Lagen" aber vor allem finanziell: Winzer, die in ihren Genuss kommen, erfahren mit einem Handstreich eine nachhaltige Stärkung ihres Vermögens.

Hunderte Millionen Euro werden quasi über Nacht verschoben, landwirtschaftliche Grundstücke in einem Ausmaß von rund 48.000 Hektar auf- oder abgewertet, sagen Kritiker. Noch weitaus höhere Summen seien im Spiel, rechne man die Wirkung der gesetzlich verankerten Bewertung von Lagen auf die Preise der Trauben und Weinflaschen ein.

"Keine Chancengleichheit"

Eine Gruppe von Winzerinnen und Winzern, die durch die Regelung den Grundsatz der Chancengleichheit verletzt sieht, ließ diese juristisch überprüfen. Verfassungsrechtliche Bedenken wurden bestätigt, sagt ein Weinbauer, der im Namen zahlreicher Kollegen spricht.

Mitte Jänner werde man daher einen Individualantrag beim Verfassungsgerichtshof einbringen. Die Zahl der Unterstützer wachse stetig.

Anwälte rieten ihnen dazu, vorerst den Schutz der Masse zu suchen und sich nicht persönlich öffentlich zu exponieren. Zu groß ist die Sorge vor Repressalien und Anfeindungen – haben doch jene Betriebe, die sich für die Lagenklassifizierung einsetzen, viel in Vorarbeit investiert.

Nichts und niemand sei jedoch allein aufgrund seiner Herkunft mehr wert, sind sich Gegner der neuen rechtlichen Maßnahmen einig. Das sei weder eine logische noch eine demokratische Entwicklung – stelle aber Weichen für die Zukunft aller österreichischen Winzergenerationen.

Die subjektive Bewertung einer Lage ist ihrer Ansicht nach von minderem Interesse für Konsumenten. Entscheidender sei die persönliche Note der Winzer und Winzerinnen, kurzum der Geschmack des Weines.

"Fehlende Transparenz"

Es gehe um viel Geld, fehle jedoch an demokratischen Prozessen und Transparenz. Vor allem unter kleineren Betrieben geht die Angst um, dass jenen Unternehmen mit den besten Kontakten die besten Lagen zugeschanzt werden könnten.

Winzer fragen sich, ob die Wiener Boku und Forschungsanstalten in die Schaffung von Bewertungskriterien eingebunden wurden, wer genau diese Bewertung mit welchen Interessen formuliere und warum bisher offenbar keiner mit den betroffenen Grundeigentümern Kontakt aufgenommen habe.

Er wolle nicht jede Anstrengung, Wein besser zu vermarkten, verteufeln, sagt ein niederösterreichischer Winzer, der sich bisher nicht in den Reihen jener fand, die sich juristisch wehren. Es sei wichtig, dass große Weinbauern mehr verkaufen, seien sie doch Zugpferde für kleinere Betriebe. Derzeit aber deute vieles darauf hin, dass einige wenige gezielt bevorzugt würden und sich das Gros des Kuchens schnappten, während andere, die sich nicht über Jahre darauf vorbereiten konnten, vor verschlossenen Türen stünden.

"Objektive Abwicklung"

Josef Glatt, Geschäftsführer des Weinbauverbands, versteht die Empörung nicht. Alle relevanten Ausschüsse der Branche hätten sich für die Klassifikation nach Lagen ausgesprochen, betont er. Der gesetzliche Rahmen sei geschaffen, jetzt gehe es um die praktische Umsetzung.

Ein Experte des Landwirtschaftsministeriums stelle eine möglichst objektive Abwicklung sicher. Die Mitglieder der Komitees würden von Wirtschafts- und Landwirtschaftskammer für fünf Jahre bestellt.

Willi Klinger, früherer Chef des österreichischen Weinmarketings, hebt die Bedeutung einer korrekten Abgrenzung von Lagen hervor. Diese gehöre behördlich überprüft.

"Teufel im Detail"

Eine Klassifizierung von Lagen hätte er aber selbst, im Wissen, dass dies die gesamte Branche spalte, nie betrieben, räumt er offen ein. Denn der Teufel stecke hier im Detail. In Frankreich sei diese in Zeiten des Zentralismus installiert worden.

Er hoffe auf eine saubere Lösung, sagt Klinger. Schließlich gehe es um die Reputation der gesamten österreichischen Weinwirtschaft. "Dass es Zoff darüber geben wird, war von Anfang an klar. Das gehört jetzt ausdiskutiert und ausgefochten." (Verena Kainrath, 22.12.2023)