Satire Mittel-Alter Weihnachten Punsch
Wem da nicht umgehend besinnlich ums Herz wird, der ist selbst schuld und verdient den Süßigkeitsschock nicht: aktuelle Punsch-Impression vom Wiener Christkindlmarkt, anno 2023.
APA/EVA MANHART

Die stillsten Tage im Jahr sind, wie gewohnt, die raumfüllendsten. Schon Anfang Oktober wölben sich Weihnachtsgebinde über die Schluchten der Einkaufsstraßen in Bogotà oder Bad Ischl. Die Novembersonne strahlt, die Gastgärten sind noch geöffnet, da steigt einem schon Punschgeruch in die Nase: monströs gesüßter Zimtabsud zu horrenden Preisen.

Beim Besuch eines der Christkindlmärkte wandelt einen verlässlich Platzangst an. Selbst geschworene Philanthropen verfluchen den Tag, als, wie aus heiterem Himmel, der Eiserne Vorhang fiel. Nun besucht uns das liebe Christkind ausdrücklich deshalb, um hinwegzunehmen die Sünden der Welt. Auch vertrieb Jesus bekanntlich die Geldwechsler aus dem Tempel (Johannes 2,13-16). Diese müssen sich jedoch irgendwann zusammengerottet haben. Die Taschen voller Nuss und Kerzenwachs, brachen sie auf und errichteten ihre Holzhütten auf dem Wiener Rathausplatz.

Mir, einem kleinen, dicken Babyboomer im Vorschulalter, imponierte das Weihnachtsfest schon wegen seiner Fülle an Geschenken. Eher rätselhaft erschienen mir dagegen die Umstände von Jesu Geburt. Warum lag der holde Knabe im lockigen Haar ausgerechnet in einer Futterkrippe? War er angerichtet, damit Ochs und Esel, hungrig geworden, sich an ihm gütlich täten?

Erste Ungeschicklichkeit

Nicht recht verständlich blieb mir auch der Einsatz der Heiligen Drei Könige. Warum knieten sie an der Krippe? Was, Gott im Himmel, sollte Klein-Jesus mit der mitgebrachten Myrrhe anfangen? Erst der mir von den Eltern aufgezwungene Besuch eines Klosterkindergartens lehrte mich, Wichtigkeiten neu einzuschätzen. Kaum war mir die erste Ungeschicklichkeit passiert, beschied mir die diensthabende Herz-Jesu-Schwester: Ich hätte jetzt einen Fleck auf der Seele. Noch ein, zwei solcher Verunreinigungen, und ich würde schnurstracks zur Hölle fahren.

Mir dämmerte umgehend: Dort unten gibt es keine Geschenke. Auch nicht zur schönen Weihnachtszeit. (Ronald Pohl, 20.12.2023)