Eine Fabrikshalle wird von oben gezeigt. Man sieht unzählige Wagen mit Kleidung. Ein Mitarbeiter schiebt einen Wagen durch die Halle.
Billige Klamotten sind beliebt, schädigen aber die Umwelt. Doch auch die Modebranche muss umdenken. Die Nachfrage nach nachhaltigen Materialien steigt zwar, doch so viel Angebot gibt es derzeit noch gar nicht.
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Trends in der Modewelt kommen und gehen. Schnell sind diese geworden. Was heute in ist, ist morgen out. Fastfashion ist zum Normalzustand geworden, weil viele Kleidungsstücke auch sehr billig geworden sind. Das geht freilich zulasten jener, die diese Kleidung herstellen. Unterbezahlung und Verletzung der Menschenrechte sind in Textilfabriken an der Tagesordnung. Ein Umstand, der sich mit Lieferkettengesetzen und anderen Vorgaben ändern soll.

Denn das Thema Nachhaltigkeit ist auch in der Modebranche groß geworden. Bio-Baumwolle ist in die Verarbeitung eingezogen, das Sortiment an Kleidung aus recycelten Materialien wächst. Auch die Nachfrage nach ökologischeren Klamotten nimmt zu. Für den Textilhandel ist das gut und schlecht zugleich.

Plus bei Umsatz, Mangel bei Angebot

Warum? Das Angebot an nachhaltiger Kleidung könnte den Umsatz anheben, denn die Nachfrage ist ja da. Doch das wird ein knappes Rennen. Denn die Nachfrage nach nachhaltigen Rohstoffen könnte das Angebot bis 2030 um bis zu 133 Millionen Tonnen übersteigen, zeigt der Bericht "Sustainable Raw Materials Will Drive Profitability for Fashion and Apparel Brands" der Boston Consulting Group (BCG). Es wird also zu einem Engpass an nachhaltigen Materialien kommen, sagt Studienautorin und BCG-Partnerin Catharina Martinez-Pardo.

Die Umstellung auf nachhaltigere Materialien werde zudem in Schritten erfolgen. Teilweise haben Textilkonzerne schon rund zehn Prozent ihres Angebots in diesem Segment angesiedelt. Martinez-Pardo erwartet hier einen Ausbau auf rund 60 Prozent in den kommenden Jahren. Aber jene Unternehmen, die zu spät aufwachen, werden es schwierig haben. Denn die Verträge für nachhaltige Stoffe oder recycelte Materialien müssen jetzt für die Zukunft abgeschlossen werden.

Die BCG-Experten weisen in ihrer Studie eine durchschnittliche Nettogewinnsteigerung in den kommenden fünf Jahren von bis zu sechs Prozent aus für jene Mode- und Bekleidungsmarken, die die Rohstofflücke schließen. Wer es nicht schafft, im Segment der nachhaltigen Textilien mitzuspielen, "riskiert auch einen Imageschaden", sagt Martinez-Pardo. Dieser sei zwar schwer zu beziffern, aber das Risiko durch Social Media in den vergangenen Jahren deutlich gewachsen.

Selbstgesteckte Ziele

Dabei hat sich der Handel selbst hohe Ziele gesteckt. Mehr als 85 Prozent der führenden Marken (nach Umsatz) haben öffentlich Dekarbonisierungsziele für ihre Lieferketten erklärt. Druck kommt aber auch von der regulatorischen Seite. BCG hält in seinem Report fest, dass aktuell prognostiziert wird, dass in den kommenden zwei bis vier Jahren weltweit mehr als 35 neue Gesetze zum Thema Nachhaltigkeit in Kraft treten werden, die auf Importbeschränkungen, Produktdesignrichtlinien, Kennzeichnungsanforderungen und mehr abzielen. Das Lieferkettengesetz ist davon nur ein Teil.

"Angesichts der Tatsache, dass Rohstoffe bis zu zwei Drittel der Klimaauswirkungen einer Mode- und Bekleidungsmarke ausmachen können, ist die Sicherung des Zugangs zu nachhaltigen Materialien von entscheidender Bedeutung", sagt Martinez-Pardo. Die BCG-Expertin sieht in Summe eine Win-win-win-Situation. Die Umwelt profitiert davon, wenn Produkte und Materialien nachhaltiger werden, auch jene Lieferanten, die in das Thema schon viel investiert haben, kommen ins Rampenlicht, und letztlich profitiert auch der Handel von einer Umsatzsteigerung.

Rechtzeitig reagieren

Ihr Materialportfolio sollten Textilunternehmen daher rasch diversifizieren, um Risiken zu verteilen und auch den Betrieb zukunftssicher zu gestalten. Denn neue Vorschriften könnten auch dazu führen, dass bestimmte Produkte bzw. Materialien nicht mehr verwendet oder beispielsweise in der EU verkauft werden dürfen.

Die anstehenden Vorschriften sieht BCG als umfassend an. Die Mode- und Bekleidungsindustrie könnte Schwierigkeiten haben, sich anzupassen. Wie weit der Weg ist, zeigt ein Detail: Basierend auf einer Überprüfung von Luxusmarken schätzt BCG, dass derzeit nur 15 Prozent alle Richtlinien des UK Modern Slavery Acts einhalten. Und diese Richtlinie stammt aus dem Jahr 2015. (Bettina Pfluger, 17.12.2023)