Wolfgang Sobotka
Wolfgang Sobotka soll laut Aussagen von Thomas Schmid bei einer Steuerprüfung interveniert haben.
APA/GEORG HOCHMUTH

Wien – Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) ist am Freitagabend vom Nationalrat "ausgeliefert" worden. Die Abgeordneten stimmten dem Ersuchen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), wegen des Verdachts einer strafbaren Handlung gegen Sobotka zu ermitteln zu können, am Ende der Plenarsitzung des Nationalrats einstimmig zu. Die beiden parlamentarischen Untersuchungsausschüsse, denen Sobotka wiederum vorstehen will, sind unterdessen fix.

Befremdlich fanden es FPÖ und SPÖ in der Debatte vor der Abstimmung, dass Sobotka selbst den Vorsitz der Debatte über die Aufhebung seiner Immunität führte. Auch die mitregierenden Grünen zeigte sich darüber irritiert: "Das Szenario wirkt, als müsste man in dieser Republik tatsächlich etwas zurechtrücken", sagte die Mandatarin Agnes Sirkka Prammer. Die Geschichte werde über die Amtsführung beurteilen.

Die NEOS warfen Sobotka einmal mehr vor, dem Amt schweren Schaden zuzufügen und forderten seinen Rücktritt. Die SPÖ appelliert dagegen diesmal an die ÖVP "endlich die nötigen Konsequenzen" zu ziehen. Die FPÖ appellierte an den Nationalratspräsidenten, wenigstens seinen Hut zu nehmen, falls Anklage gegen ihn erhoben werde.

In der Sache geht es um eine Steuercausa, in der der frühere Generalsekretär des Finanzministeriums, Thomas Schmid, belastenden Schriftverkehr vorgelegt haben soll. Laut Schmids Darstellung soll Sobotka bei einer steuerlichen Prüfung der (mittlerweile aufgelösten) Erwin-Pröll-Stiftung bei ihm interveniert haben. Der Nationalratspräsident bestreitet das vehement.

WKStA untersucht Zeitraum von 2017 bis 2018

Der Untersuchungszeitraum der WKStA reicht von Sommer 2017 bis Herbst 2018. Sobotka ist seit Dezember 2017 Präsident des Nationalrats, zuvor fungierte der ÖVP-Politiker als Innenminister. Die Erwin-Pröll-Privatstiftung sorgte bereits in der Vergangenheit für Aufregung: Sie verfügte über viel Geld, ohne dass sichtbare Tätigkeit erkennbar wären. Auch rund 1,35 Millionen Euro an Förderungen des Landes Niederösterreich flossen in die Pröll-Stiftung. 2017 wurde sie aufgelöst, Subventionen wurden an das Land zurückgezahlt. Die Kapitalertragsteuer musste 2018 nachbezahlt werden.

Sobotka beteuert seine Unschuld und bestreitet die Intervention, für ihn gilt die Unschuldsvermutung. Es stimme nicht, dass er sich mit Wünschen an Schmid gewandt habe, sagte er. Dieser legte nun jedoch neue Chats vor, die für die Anklagebehörde auch die nun erfolgenden Ermittlungen begründen. Aus den Chats soll hervorgehen, dass der damalige Sektionschef (und spätere Finanzminister) Eduard Müller eine Nachricht an Schmid geschickt habe, in der es um die Steuerprüfung der Erwin-Pröll-Stiftung geht.

Mitglieder des Nationalrat, der Bundesrats und der Landtage genießen grundsätzlich Immunität. Damit bleiben Verfolgungshandlungen gegen diese Mandatsträger unzulässig, solange keine Auslieferung durch das jeweilige Parlament erfolgt ist.

U-Ausschüsse fixiert

Mit den Aufrufen im Nationalratsplenum wurden am Freitagabend am letzten Sitzungstag vor den Weihnachtsfeiertagen nacheinander der von SPÖ und FPÖ verlangte Cofag-Ausschuss und der von der ÖVP beantragte U-Ausschuss zum "Rot-Blauen Machtmissbrauch" formal eingesetzt. Beide Untersuchungsausschüsse sollen planmäßig am 11. Jänner starten. In beiden Untersuchungsausschüssen will Wolfgang Sobotka den Vorsitz führen.

Die Oppositionsparteien SPÖ und FPÖ wollen mit ihrem Cofag-Ausschuss die durch die Covid-Finanzierungsagentur Cofag vergebenen Förderungen beleuchten. Dabei soll die mutmaßliche Bevorzugung von Milliardären in Österreich durch die Regierungspartei ÖVP im Vordergrund stehen.

Der U-Ausschuss, der von der Volkspartei alleine getragen wird, befasst sich mit dem von der ÖVP vermuteten "Rot-Blauen Machtmissbrauch". Konkret sollen die Regierungsbeteiligungen der SPÖ und der FPÖ in der Zeit vom 11. Jänner 2007 bis zum 7. Jänner 2020 unter die Lupe genommen werden. Dabei soll es um eine mögliche zweckwidrige Verwendung öffentlicher Gelder in von "roten" und "blauen" Ministern geleiteten Ressorts gehen. Die Cofag soll auch in diesem Ausschuss Thema sein.

Die konstituierenden Sitzungen sind für den 11. Jänner angesetzt, die Berichtslegung soll am 1. Juli erfolgen. Die Befragungen im Cofag-Ausschuss starten am 6. und 7. März. In der darauffolgenden Woche beginnt am 13. und 14. März der Ausschuss zum "Rot-Blauen Machtmissbrauch". In weiterer Folge wird wochenweise gewechselt. Die letzte Möglichkeit für Befragungen haben die Ausschussmitglieder am 22. und 23. Mai. (APA, red, 15.12.2023)