Federal Reserve Washington
Bei der Fed in Washington D.C. bleibt vorerst alles beim Alten.
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Wien – Die Zinsen waren heuer das bestimmende Thema an den Märkten. Und sie werden es auch bleiben. Denn: "Die Zinsen sind der Preis für das Geld", sagt Meinhard Platzer, Chef der LGT Bank Österreich. Ist der Preis hoch, wie aktuell, schlägt sich das auf Investitionen durch. Für die wirtschaftliche Entwicklung liegt aber gerade dort ein großer Hebel.

Fed wartet ab

In den USA hat die Fed die Leitzinsen auf die Spanne von 5,25 bis 5,50 Prozent angehoben. In ihrer letzten Sitzung im heurigen Jahr am Mittwoch wurde die Zinsspanne zum dritten Mal hintereinander nicht angehoben. Das war von den Märkten auch so erwartet worden. Fed-Chef Jerome Powell signalisierte im Zinsausblick für 2024 zugleich, dass es im Laufe des nächsten Jahres mit dem geldpolitischen Schlüsselsatz nach unten gehen dürfte – und zwar um 0,75 Prozentpunkte. Keiner der Währungshüter sieht Ende nächsten Jahres ein höheres Zinsniveau als jetzt.

Fed-Chef Jerome Powell steht hinter einem Pult und erklärt die aktuelle Zinsentscheidung.
Fed-Chef Jerome Powell wartet ab und verändert die US-Leitzinsen vorerst nicht. Die US-Inflation ist zuletzt auf 3,1 Prozent gesunken.
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Die EZB hat die Zinsen auf 4,50 Prozent nach oben geschraubt. Alles im Kampf gegen die massiv gestiegene Inflation. Ob es die EZB der Fed gleichtut, wird sich am Donnerstag zeigen, wenn die Euro-Währungshüter sich zum letzten Meeting dieses Jahr treffen. Spannend wir auch hier sein, was die Experten im Ausblick sagen werden.

Grob verschätzt

Der Markt hat sich in Bezug auf die Zinserhöhungen für heuer jedenfalls massiv verschätzt, sagt LGT-Österreich-Chef Platzer. Für die USA wurde nämlich eine Zinserhöhung um 66 Basispunkte erwartet – also eine Zinserhöhung von 0,66 Prozent. Gekommen ist aber ein Anstieg von 150 Basispunkten (1,5 Prozent). Noch drastischer die Fehleinschätzung für Europa: Erwartet worden war ein Plus von 141 Basispunkten (1,41 Prozent), gekommen ist aber ein Anstieg von 250 Basispunkten (2,5 Prozent).

Laut Platzer könnten einige Marktteilnehmer mit ihrer Annahme für das kommende Jahr wieder falschliegen, denn erwartet wird ein Zinsrückgang von 1,1 Prozent für die USA und 1,33 Prozent für den Euroraum. Dass das so kommt, ist laut dem Chef der LGT Bank aber keine ausgemachte Sache. Dass die Inflation sich abkühle, müsse sich erst noch nachhaltig beweisen.

Soft Landing versus Rezession

Bevor die Zinsen wieder sinken, muss der Wirtschaft ein sogenanntes Soft Landing gelingen – also ein Absinken der Inflation ohne großes Leid für die Wirtschaft. Geschieht das Gegenteil, also eine Rezession, müssten die Zentralbanken die Zinsen schneller senken, um die Wirtschaft durch Investitionen wieder anzukurbeln. Doch die Daten vom US-Arbeitsmarkt zeigen aktuell eine stabile Situation bei gleichzeitigem Anstieg der Stundenlöhne.

Der Inflationsdruck hat in den USA zuletzt ebenfalls weiter nachgelassen: Die Teuerungsrate sank im November leicht auf 3,1 Prozent, nach 3,2 Prozent im Oktober. Damit kommt die von der Notenbank angestrebte Inflationsmarke von zwei Prozent allmählich in Sichtweite, die als ideal für die Konjunktur angesehen wird. Die Wirtschaft hat sich trotz der straffen Geldpolitik als robust erwiesen. Sie wuchs im dritten Quartal um auf das Jahr hochgerechnet 5,2 Prozent. Das es in den USA also bald zu einer Zinssenkung kommen könnte, scheint real.

"Die Notenbanken haben jetzt jedenfalls wieder einen Spielraum", sagt Platzer. Was sich die Währungshüter aber am wenigsten leisten könnten, wäre eine zu rasche Zinssenkung gefolgt von einem baldigen Wiederanstieg.

Staatsschulden bleiben großes Thema

Neben den Zinsen werden die Staatsschulden auch im kommenden Jahr ein großes Thema bleiben. Die Verschuldungsquote liegt aktuell weit über jener nach der Finanzkrise. Von den Förderungen etwa während der Pandemie ist auch viel in den Konsum geflossen, das hat die Wirtschaft am Laufen gehalten. Solange die Arbeitslosigkeit stabil bleibe, sollte sich die Angst vor einer Rezession auch in Grenzen halten.

Wo die aktuell hohen Zinsen zur Last werden können, sind im Jahr 2024 anstehende Refinanzierungen. Das wird vor allem Unternehmen und Immobilieninvestoren betreffen.

Grüne Investments legen zu

"Im Bereich der Veranlagung bleibt die Dekarbonisierung ein großes Thema", sagt Platzer. Diesbezüglich habe die Finanzindustrie einen großen Hebel. Wenngleich man hier betonen müsse, dass dieses Thema nicht von heute auf morgen gelöst werden könne. Es brauche hier einen langfristigen Blickwinkel. Die LGT hat sich als Ziel gesetzt, jene Portfolios, die sie für Kunden frei verwaltet, bis 2030 "net zero" zu bekommen. Disponierten die Kunden selbst, zeige sich, dass sich einige oft weniger grün gäben, als ihre tatsächlichen Investments dann seien.

Auch die künstliche Intelligenz wird Anleger weiter beschäftigen. Viele Unternehmen haben Ideen auf den Markt gebracht, "die Frage wird aber sein, wie das Thema in die gewinnorientierte Vermarktung gehen kann", sagt Platzer. Im Moment seien es hauptsächlich Zulieferer, die vom KI-Boom profitieren. Aber irgendwann müssten auch die Anbieter eine Rendite aus ihren Angeboten herausholen.

Kryptoassets wie Bitcoin sieht Platzer skeptisch. "Die Frage ist: Welches Problem soll Bitcoin denn lösen?" Als Zahlungsmittel habe sich Bitcoin nicht bewährt. Als Wertaufbewahrungstool – als Äquivalent zu Gold – wegen der hohen Schwankungen auch nicht. (Bettina Pfluger, 13.12.2023)