Über Dubai hingen am Mittwochmorgen dichte Smogwolken, während die Verhandlungsteams ein letztes Mal zum Konferenzgelände fuhren. Dass ausgerechnet hier, in einer Stadt, die ihren Reichtum mit den Einnahmen aus dem Erdölgeschäft aufgebaut hat, an diesem Tag die Abkehr von fossilen Brennstoffen beschlossen werden sollte, hätte vor wenigen Wochen kaum jemand für möglich gehalten. Doch genau das gelang: Die knapp 200 Staaten erreichten einen Konsens zum "Übergang" weg von fossilen Energien. In demselben Satz heißt es: Mit diesem Umstieg müsse "im Einklang mit der Wissenschaft die Klimaneutralität bis 2050 erreicht werden".

COP-28-Präsident Al Jaber spricht von einem "historischen" Ergebnis.
AP/Kamran Jebreili

Zwar forderten viele Staaten klarere Worte zum "Ausstieg" aus Kohle, Erdöl und Erdgas. Doch diese Formulierung blockierten insbesondere erdölexportierende Staaten wie Saudi-Arabien.

Viele Beobachtende sehen in dem Text dennoch einen Fortschritt. "Die Klimakonferenz sendet insgesamt ein starkes Signal an die Welt", kommentiert Christoph Bals, politischer Geschäftsführer der Organisation Germanwatch. "Es könnte sogar ein historischer Schritt werden – aber nur, wenn in den nächsten Jahren tatsächlich weltweit ein massives Herunterfahren von Kohle, Öl und Gas erfolgt."

Untermauert werde der Erfolg dadurch, dass die Kapazität erneuerbarer Energien global bis 2030 verdreifacht und die Energieeffizienz verdoppelt werden soll. Auch nennt der Text konkrete Zahlen zur Emissionsreduktion: Die Emissionen sollen bis 2030 im Vergleich zu 2019 um 43 Prozent gesenkt werden und um 60 Prozent bis 2035. Die Klimaneutralität müsse bis 2050 erreicht sein.

"Die Einigung läutet den Anfang vom Ende fossiler Brennstoffe ein", sagte EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra. Dafür hatte sich die EU auf der COP 28 eingesetzt.

Hintertür für "falsche Lösungen"

Doch auch dieses Ergebnis ist bloß ein Kompromiss – die Klimakonferenzen der Uno können nur mit einem kleinsten gemeinsamen Nenner enden, schließlich gilt hier der Konsens. Und auch dieses Mal trägt das Abkommen die Handschrift der Erdölindustrie.

Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock gemeinsam mit der Delegation der Marshall Islands.
IMAGO/Sebastian Rau

Starke Formulierungen zum Ausstieg aus den Fossilen wurden verhindert, zudem lässt die Einigung Schlupflöcher für umstrittene Technologien offen. Die CO2-Abscheidung und -Speicherung (CCS) wird neben den Erneuerbaren genauso als Lösung angeführt wie auch die Atomenergie.

"Der Prozess lässt uns im Stich", sagte Anne Rasmussen, Verhandlerin für Samoa, in einer Reaktion als erste Staatenvertreterin nach Al Jabers Rede zu der Einigung. Der Text sei eine "Litanei von Schlupflöchern", kritisierte sie. "Wir machen langsam Fortschritt gegenüber dem Status quo. Eigentlich bräuchten wir exponentiellen Wandel." Der Saal reagierte mit tosendem Applaus.

"Der Text ist nicht so ambitioniert, wie er sein könnte", kommentiert auch Jasmin Duregger von Greenpeace Österreich. Zwar sende der Entwurf ein starkes Signal, doch lasse er eine Hintertür für "falsche Lösungen".

Eine ähnliche Einschätzung gibt auch Bals von Germanwatch: "Nicht nur die kleinen Inselstaaten haben Zweifel, dass alle Staaten tatsächlich an einem Strang ziehen und ihr Überleben sichern", ergänzt er. "Die Akzeptanz von Erdgas als Brückentechnologie kann große Schlupflöcher öffnen."

Die philippinische Klimaaktivistin Mitzi Jonelle Tan bei einer Demonstration für einen gerechten Ausstieg aus fossilen Brennstoffen.
AP/Peter Dejong

Eine weitere Einigung errangen die Verhandlungsteams: ein Ziel für die Anpassung an die Erderhitzung. Hier liefen die Verhandlungen schleppend. Mehreren Beobachtenden zufolge hatten die arabischen Staaten den Bereich blockiert, um damit gleichzeitig den Fortschritt im Klimaschutz zu bremsen. Zwischen den beiden Bereichen braucht es in den Verhandlungen stets eine Balance.

"Anpassung ist für Milliarden von Menschen in den ärmsten Staaten keine Option, sondern überlebenswichtig", erklärt Lina Yassin, Verhandlerin für den Sudan. Zu dem Ergebnis meint sie: Die Gruppe der ärmsten Staaten sehe es als Gewinn, wenngleich die Zusagen zur Finanzierung schwach ausgefallen seien.

Dieses Thema wird die Konferenz im nächsten Jahr dominieren: Dann geht es um ein neues globales Ziel für die Klimafinanzierung. Bisher galt als Messlatte ein Versprechen der Industriestaaten, jährlich mindestens 100 Milliarden Dollar zur Verfügung zu stellen. Diese Marke ist 2023 zum ersten Mal erreicht worden – ab 2025 soll die Summe deutlich nach oben geschraubt werden.

Viel Arbeit in Österreich

"Nach 28 Weltklimakonferenzen, nach unzähligen Verhandlungstagen ist heute beschlossene Sache: Die Welt muss weg von den fossilen Energien", so Klimaministerin Leonore Gewessler. Ermöglicht habe das die enge Zusammenarbeit mit der Allianz der ambitionierteren Staaten, der auch Österreich beigetreten ist. Doch das bedeute eine Menge Arbeit, so die Ministerin: etwa im Ausbau von Wind- und Solarkraft. Mit den Gesetzen der EU sei man aber auf einem guten Weg.

Der WWF verweist hingegen auf Versäumnisse: Mit dem aktuellen Kurs werde die Republik seine Klimaziele verfehlen. "Österreich hat einen viel zu hohen Energie- und Bodenverbrauch und verschwendet immer noch Milliarden für umweltschädliche Subventionen", so Klimasprecher Thomas Zehetner. "Die erste globale Bestandsaufnahme zeigt nicht genug Verbindlichkeit, damit die nächste Runde der nationalen Klimabeiträge die Welt auf Klimakurs bringt", kritisiert er.

Die Diskussion auf dem diesjährigen Klimagipfel hatte im Uno-Prozess dieses Mal nämlich besonderes Gewicht: Mit der "globalen Bestandsaufnahme" wird ab jetzt alle fünf Jahre geprüft, wie weit die Welt bei der Umsetzung ihrer Ziele gekommen ist. Damit sollen die Staaten stetig nachkorrigiert werden – auch in Österreich ist dazu viel zu tun. (Alicia Prager aus Dubai, 14.12.2023)