Zwei Männer auf der Couch, die miteinander reden.
Wie gut können Sie kommunizieren? Machen Sie weiter unten den Selbsttest.
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Schlecht geschlafen, falsche Erwartungen, ideologische Fixierungen, unvereinbare Zielvorstellungen: Es gibt unendlich viele Auslöser, weswegen wir manchmal etwas unwirsch sind. Das beeinträchtigt das private Miteinander ebenso wie das gesellschaftliche. Und auch psychisch nimmt uns das mit. Also erwiese sich verbale Zurückhaltung rundherum als Wohltat für alle und alles. Unnötige Streitereien würden vermieden. Goethes Ratschlag hat also durchaus etwas für sich: "Sei er kein schellenlauter Tor! Es trägt Verstand und rechter Sinn mit wenig Kunst sich selber vor."

Der Hamburger Kommunikationsforschers Friedemann Schulz von Thun brachte es auf den Punkt: "Manches kann schiefgehen, wenn wir miteinander reden." Keine Frage, es ist oft leichter gesagt als getan, in Auseinandersetzungen respektvoll zu bleiben. Chapeau, wer es schafft, die Laune zu zügeln. Dadurch vermeiden Sie, sich selbst zu beschädigen und andere zu verletzen. Auftrumpfen und Rechthaberei in Rede und Gegenrede wirken nun mal als zwischenmenschlicher Brandbeschleuniger. Die Zahl der persönlichen Anschauungen und Interessen, also das, was gemeinhin Wirklichkeit und gern auch Wahrheit genannt wird, hat viele Aspekte und Facetten. Deshalb ist der Anspruch, recht zu haben, oft eine Anmaßung.

Zurückhaltung will gelernt sein

Ein altes Sprichwort mahnt: "Reden ist Silber, Schweigen ist Gold." Sollten wir uns das zu Herzen nehmen? Das öffentliche und politische Leben würde davon profitieren, wie auch die private Atmosphäre, der kollegiale wie der führende Umgang und so manches Kundengespräch. Und nicht zu vergessen die Gesundheit von Seele und Körper. Immerhin gelten beispielsweise die vielbeklagten Rücken- und Nackenbeschwerden auch als psychosomatischer Ausdruck für Belastungen.

Nun haben aber die Forschungen des Psychologieprofessors Schulz von Thun offengelegt, mehr zueinanderführende Kommunikation hängt nicht nur von einer gewissen verbalen Selbstbeherrschung und Zurückhaltung ab, sondern "auch von der Fähigkeit zu durchschauen, welche seelischen Vorgänge und zwischenmenschlichen Verwicklungen ins Spiel kommen, wenn Ich und Du aneinandergeraten".

Vier Schnäbel und Ohren

Diese Erkenntnis seinen Mitmenschen nahezubringen hat Schulz von Thun sein Forscherleben gewidmet. In zahlreichen, angenehm zu lesenden Büchern erläutert er, wie gelungene Kommunikation funktionieren kann. Die Grunderkenntnis ist, dass das Reden stets ein mehrdimensionales Geschehen ist. In dem, was wir von uns geben, schwingt stets Offensichtliches und Verborgenes, Vordergründiges und Hintergründiges mit.

In den Worten des Kommunikationsforschers Schulz von Thun: "Wir reden stets mit vier Schnäbeln und hören stets mit vier Ohren zu." Was ungewohnt anmutet, hat beachtliche Auswirkungen. Mit jeder Äußerung senden wir parallel vier unterschiedliche Botschaften, die unterschiedlich interpretierbar sind: Das Sachohr hört, worum es geht; das Beziehungsohr, was die andere Seite von mir hält und wie wir zueinander stehen; das Appellohr, wozu mein Gegenüber mich veranlassen möchte; das Selbstoffenbarungsohr, was die oder der von sich selbst kundgibt.

Das WIE ist entscheidend

Dieses Konzept verdeutlich die beiden grundlegenden Dimensionen, die in jedem kommunikativen Austausch eine Rolle spielen: die Sachebene und die Beziehungsebene. Auch das muss Goethe bereits bewusst gewesen sein: "Das WAS bedenke, mehr bedenke WIE." Ist das WAS oft bereits schon heikel, wird es durch das unbedachte WIE noch heikler. Ein Gespräch mit unterschiedlichen Sichtweisen kann auf der Sachebene kontrovers diskutiert werden. Noch heikler wird es, wenn das Gesagte auch auf der Beziehungsebene beim Gegenüber falsch ankommt. Dann wird das Gespräch oft zäher und die Person verhaltener, einsilbiger oder sogar wütend.

Diese Signale sollten nicht ignoriert werden, denn dann ist die Chance hoch, dass das Gespräch keinen guten Ausgang nimmt. Wer nach dem WARUM für Ehekräche, Zerwürfnisse in Freundschaften, kollegialem Zwist, Führungsproblemen, Kundenverlusten und natürlich politischem Hickhack sucht, wird bei der Lektüre von Schulz von Thuns "Miteinander reden – Störungen und Klärungen" so manche Erklärung für "eigentlich" Unerklärliches finden. Die stets und überall wirkmächtige Beziehungsebene ruft immer Gemütsbewegungen hervor – die emotionale Gesprächsdynamik. Diese sei der entscheidende Faktor, ob die Gesprächsführenden aufeinander argumentativ zugehen oder sich aber voneinander abwenden.

Selbsttest: Kommuniziere ich respektvoll?

Stellen Sie sich selbst einmal folgende Fragen: Lasse ich andere auch gelten oder nur mich? Höre ich wirklich zu? Lasse ich andere ausreden und falle ihnen nicht ständig ins Wort? Fühle ich mich im Besitz der alleinigen Wahrheit? Achte und respektiere ich andere Meinungen oder ziele ich darauf ab, recht zu haben, zu dirigieren und zu manipulieren? Es ist die innere Einstellung, die die emotionale Gesprächsdynamik beeinflusst.

Was vermieden werden sollte, ist Dominanzgebaren und Gespräche, die darauf abzielen, den eigenen Willen durchzusetzen und bei anderen Unterlegenheitsgefühle und Unterordnungsbereitschaft auszulösen. Auch von vorneherein überzeugt zu sein, es vermeintlich besser zu wissen, die Wahrheit für sich zu beanspruchen und womöglich noch seinen ebenfalls vermeintlich höheren Status kundzutun vergiftet die Kommunikation.

Denn das Ziel dieser Kommunikationsweisen ist allein, andere einzuschüchtern und kleinzumachen. In dieser Manier – und überhaupt unbedacht – draufloszukommunizieren löst immer Empörung und emotionale Widerstände aus und ruft womöglich Rachegedanken aus. Eine alte Weisheit fasst deshalb die Debatte gut in Worte: Hochmut kommt vor dem Fall. (Harmut Volk, 14.12.2023)