Eine Hand hält viel Geld, die andere wenig.
Deutliche Gehaltsunterschiede zeigen sich nicht nur zwischen den Geschlechtern, sondern auch in Berufen, die einem Geschlecht eher zugeschrieben werden.
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Frauen verdienen hierzulande im Durchschnitt weniger als Männer – und zwar um 18,8 Prozent. Vielleicht noch schockierender ist die Tatsache, dass Österreich damit den vorletzten Platz in der EU belegt. Nur in Estland sind die Gehaltsunterschiede zwischen den Geschlechtern noch größer.

Doch wie sieht es mit Universitätsabsolventinnen und -absolventen aus? Der Gehaltsunterschied bei dieser Gruppe sollte nicht besonders auffällig sein, da alle die gleiche Qualifikation vorweisen können. Doch das Gegenteil ist der Fall, wie eine neue Studie des Instituts für Frauen- und Geschlechterforschung der Johannes-Kepler-Universität (JKU) Linz zeigt.

Daten aus 16 Jahren

Untersucht wurden die Lohnunterschiede von knapp 27.000 Universitätsabsolventinnen und -absolventen im ersten Jahr nach ihrem Abschluss in den Jahren von 1997 bis 2013 (aktuellere Zahlen sein nicht vollständig vorhanden). Da es diese Art von Daten für Österreich nicht in dieser Ausführlichkeit gibt, griffen die Forschenden auf Aufzeichnungen aus Deutschland zurück (Daten des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung). "Aufgrund ähnlicher Strukturen darf man annehmen, dass die Ergebnisse vom Trend her auch auf die Lage in Österreich umgelegt werden können", sagt Doris Weichselbaumer. Sie leitet das JKU-Institut für Frauen- und Geschlechterforschung, das das einzige überfakultäre Institut für Geschlechterforschung in ganz Österreich ist.

Die Forscherinnen haben die Einkommensverhältnisse der Absolventinnen und Absolventen über einen Zeitraum von 16 Jahre verglichen. Wenn in Berufen und Studienfächern mehr als 70 Prozent Frauen sind, bezeichneten die Autorinnen diese als frauendominiert. Der gleiche Prozentsatz gilt auch für die männerdominierten Bereiche. "Bei jungen Menschen, die eben erst die Universität abgeschlossen haben, spielen Faktoren wie Praxiserfahrung noch keine so große Rolle", erklärt Juliane Ransmayr, die ebenfalls Autorin der Studie ist.

Große Gehaltsunterschiede trotz gleicher Ausbildung

"Studienabschlüsse in frauendominierten Fächern sowie frauendominierten Berufe werden schlechter entlohnt", erklärt Weichselbaumer. Das wird durch das Studienergebnis bestätigt: Wenn Männer frauendominierte Studiengänge wählten, sahen sie sich im Job danach mit finanziellen Nachteilen konfrontiert. Ihre Gehälter waren trotzdem noch um fünf bis sechs Prozent besser, als die ihrer weiblichen Kolleginnen.

Es gibt einige Fächer und Berufe, in denn sich allerdings sehr deutliche Unterschiede zwischen den Geschlechter auftaten. In den Natur-, Ingenieurs-, Rechts-, und Wirtschaftswissenschaften verdienten die Frauen im Job deutlich weniger als ihre Kollegen – obwohl sie die gleiche Ausbildung absolviert hatten. "Eines zieht sich durch: Je höher die Löhne in einem Berufsfeld, desto größer sind auch die Unterschiede zwischen Männern und Frauen", sagt Weichselbaumer.

Die Forscherinnen entdeckten noch einen weiteren statistischen Effekt: Je mehr Frauen in eine bestimmte Branche drängten, desto niedriger wurden die Löhne. In der Wissenschaft nennt sich dieses Phänomen Abwertungstheorie. Es könnte aber auch sein, dass die Löhne in einer Branche niedriger wurden und infolgedessen mehr Frauen in diese Branche drängten.

Der Gender-Pay-Gap bei gleicher Qualifikation und gleichem Beruf liegt in der beobachteten Zeit zwischen fünf bis sechs Prozent. "Traurigerweise sieht man, dass der Abstand über die beobachteten Jahre hinweg relativ konstant geblieben ist", meint Weichselbaumer. Etwa vier Euro in der Stunde verdienten Frauen weniger als Männer. Österreichische Datensätze zeigen, dass sich der Lohnunterschied bei Betrachtung aller Beschäftigten in den letzten Jahren etwas verringert hat, sagt Weichselbaumer. Trotzdem ist man noch weit weg von einer echten und dauerhaften Gleichstellung der Gehälter.

Gründe für die Lohnschere

Die Gründe für die Lohnschere wurden in der Studie nicht untersucht, aber es wurde auf andere Studien referenziert. Grundsätzlich gebe es geschlechtsspezifische Stereotypen, die noch immer in der Gesellschaft vorherrschen und Frauen und Männer in bestimmte Studien und Berufsrichtungen einordnen – Frauen zum Beispiel in Richtung Erziehung oder Gesundheit und Männer zu den Naturwissenschaften. "Die "Devaluationstheorie" etwa sagt, dass frauendominierte Tätigkeiten schlechter bezahlt werden, weil sie weniger gesellschaftliches Prestige haben", so Weichselbaumer.

Frauen nähmen auch eher flexiblere Jobs an, um die Arbeit besser mit den Betreuungspflichten vereinbaren zu können. Und das auch dann, wenn diese Jobs vielleicht sogar schlechter bezahlt sind. Die hohe Teilzeitquote von Frauen in Österreich (knapp 50 Prozent) zeigt, dass Männer immer noch nicht flächendeckend Familien- und Haushaltsaufgaben mit übernehmen, sondern die sogenannte Care-Arbeit hauptsächlich von Frauen erledigt wird. Andere Studien belegen auch, dass Männer eher Männer befördern.

Was gegen ungleiche Bezahlung getan werden könnte

Das Frauenberufe tendenziell schlechter bezahlt sind, liegt auch an der Bewertung ihrer Arbeit. Es könnte die Frage gestellt werden: Welcher Beruf, welche Tätigkeit ist wie viel wert und warum? Dabei könnten auch andere Kriterien hinzugezogen werden, wie zum Beispiel die emotionale Belastung des Jobs.

Mehr Gehaltstransparenz hat in Großbritannien nachweislich zu einer Angleichung der Lohnunterschiede geführt. Hier sind die Einkommensberichte öffentlich einsehbar. "Solche Maßnahmen darf man nicht unterschätzen", sagt Weichselbaumer. Mit der EU-Lohntransparenz-Richtlinie, müssen demnächst auch große Firmen in Österreich mehr Einblick in die Gehälter gewähren.

Es gibt aber auch einfachere und schneller umsetzbare Lösungen, die wissenschaftlich erwiesen zu einem geringeren Gender-Pay-Gap führen. Werden in Stelleninseraten nicht nur das Mindestgehalt angegeben, sondern explizit darauf hingewiesen, dass das Gehalt verhandelbar ist, sinkt der Lohnunterschied zwischen Frauen und Männer. Denn dadurch wurden Frauen ermutigt, mehr Gehalt zu fordern.

Der kanadische Nobelpreisträger David Card wies auch nach, dass Jobinserate, die genderneutral oder für beide Geschlechter ausgeschrieben wurden – zum Beispiel Sekretär/Sekretärin –, zu mehr Bewerbungen führten. Die Stellen wurden in diesen Fällen auch diverser besetzt.

Damit es noch mehr solcher Forschungsergebnisse gibt, braucht es vermehrt Geschlechterforschung. Die Empfehlungen des deutschen Wissenschaftsrats vom Juli diesen Jahres zeigen jedoch eine andere Entwicklung: "In vielen Disziplinen und Forschungseinrichtungen in Deutschland sind Geschlechterperspektiven nach wie vor nur unzureichend verankert. Hier bedarf es konkreter Anstrengungen, Geschlechterperspektiven in Forschung (und Lehre) stärker zu integrieren und den Austausch mit der Geschlechterforschung zu suchen." (Natascha Ickert, 5.12.2023)