Quantenwerkzeug
Mit einem neuen Werkzeug konnten Forscher der Universität Innsbruck die Quantenverschränkung nutzen, um tiefere Einblicke in die Materie zu gewinnen.
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Die Verschränkung gilt als eine der rätselhaftesten Eigenschaften von Quantenteilchen. Es geht dabei um Korrelationen zweier oder mehrerer Teilchen, die es in dieser Weise in der klassischen Physik nicht gibt. In bestimmten Situationen erscheinen verschränkte Teilchen daher wie auf mysteriöse Weise miteinander verbunden: Die Zustandsänderung eines Teilchens ändert instantan auch den Zustand des verschränkten Partnerteilchens. Ein Team um den Physiker Peter Zoller von der Universität Innsbruck hat nun im Fachjournal "Nature" ein Werkzeug vorgestellt, mit dessen Hilfe sich die Verschränkung in Vielteilchensystemen bestimmen lässt. Sie demonstrierten den Nutzen auch im Experiment.

Verschränkte Teilchen können physikalisch nicht als einzelne Teilchen mit definierten Zuständen beschrieben werden, sondern nur als Gesamtsystem. Selbst wenn sie sich in sehr großer Entfernung voneinander befinden, beeinflussen Veränderungen an einem Teilchen auch den oder die Partner unmittelbar. Um das System zu verstehen, müssen alle Teilchen, die einen bestimmten Zustand teilen, gleichzeitig betrachtet werden – für Vielteilchensysteme bedeutet dies einen enormen Messaufwand, der mit klassischen Computern nicht umsetzbar ist.

Quantensimulator als Co-Prozessor

Mit der nun präsentierten neuen Methode könnten sich Physiker künftig viel leichter tun, die große Verschränkung in Quantenmaterialien zu untersuchen. Man habe "eine effizientere Beschreibung" und damit eine Messmethode entwickelt, "die es uns ermöglicht, über Stichproben Verschränkungsinformationen aus dem System zu extrahieren", sagte der Theoretische Physiker Rick van Bijnen, der ebenfalls an der Universität Innsbruck tätig ist. Stichproben meint in diesem Zusammenhang, dass man wiederholt Messungen am Quantensystem ausführt und daraus vollständige Information über die Struktur der Verschränkung von Quantenmaterie erhält, wie Zoller ausführt.

Für die Anwendung der neuen Methode wurde dabei der am Innsbrucker Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) entwickelte und aus 51 Ionen bestehende Quantensimulator genutzt. Das System ermöglicht es, ein reales Quantenmaterial experimentell nachzubauen und unter höchst kontrollierten Bedingungen zu untersuchen. Mit einem klassischen Computer allein wäre dies nicht möglich – in dem Innsbrucker Experiment fungierte der Quantensimulator quasi als Co-Prozessor für einen klassischen Computer und übernahm die hochkomplexen Rechenaufgaben.

Bestätigung für Quantenfeldtheorie

Es gelangt den Forschern um Zoller, erstmals Effekte zu beobachten, die bisher nur theoretisch beschrieben worden sind. Laut der Quantenfeldtheorie kann Teilbereichen eines Systems aus vielen verschränkten Teilchen ein Temperaturprofil zugeordnet werden. "In unserem Fall hat die Temperatur aber nichts mit Thermodynamik zu tun, es geht vielmehr um ein Maß für die Verschränkung. Ist die Temperatur hoch, heißt dies, dass der Verschränkungsgrad zwischen den Teilchen hoch ist. Ist die Temperatur niedrig, so ist der Verschränkungsgrad gering", sagt Zoller.

Im Rahmen des Innsbrucker Experiments konnten die Temperaturprofile des erzeugten Quantenmaterials ermittelt werden und eine Annahme bestätigen: "Im Experiment konnten wir die Verschränkung über die Temperaturprofile nachweisen. Dabei haben wir unseres Wissens das größte System, bestehend aus 51 Ionen, analysiert, das jemals analysiert wurde", sagte Zoller.

Vielversprechendes Werkzeug

Der Physiker bezeichnete die neuentwickelte Methode als vielversprechendes, leistungsfähiges Werkzeug "zur Untersuchung von großer Verschränkung in korrelierter Quantenmaterie" und als Wegweiser "zur Erforschung einer neuen Gruppe von physikalischen Phänomenen mit heute bereits existierenden Quantensimulatoren".

"Wir bauen Quantensimulatoren, um letztlich Quantenmaterialien zu verstehen. Es gibt weltweit sehr viele Experimente, die sehr unterschiedliche Ansätze wählen. Manche nehmen etwa auch kalte Atome in optischen Gittern, es kommen aber auch sehr unterschiedliche Modelle zum Einsatz, die Materialien simulieren. Die Methode, die wir entwickelt haben, können wir sehr universell einsetzen und auf verschiedene Modelle anwenden", so der Innsbrucker Forscher: "Es ist ein universelles Werkzeug, das wir entwickelt haben, und wir gehen davon aus, dass die Signaturen, die wir sehen, in vielen anderen Systemen auch vorkommen." (APA, red, 30.11.2023)