Rund 5.000 Kilometer von der heimatlichen Front entfernt, sollen ukrainische Spezialeinheiten im Sudan gegen Söldner der russischen Wagner-Truppe kämpfen. Dies geht aus zahlreichen Videoaufnahmen hervor, die in jüngster Zeit sowohl in sozialen Netzwerken wie auch in den Sendungen etablierter Fernsehanstalten, unter anderem im US-Sender CNN, zu sehen sind. Die Bilder zeigen den von Drohnen ausgehenden Beschuss von Militärfahrzeugen, Luftaufnahmen eines nächtlichen Angriffs hellhäutiger Uniformierter auf einen Wohnblock sowie auf einem Hügel kauernde Scharfschützen bei der Abgabe von Schüssen.

Wagner-Söldner vor der Firmenzentrale in Sankt Petersburg
Wagner-Söldner vor der Firmenzentrale in Sankt Petersburg. Dass sie im Sudan nun auch von ukrainischen Soldaten bekämpft werden, ist neu.
REUTERS/Igor Russak

Die Mehrheit der Videos wurde nach Recherchen von Faktenprüfern in Omdurman, der heftig umkämpften Zwillingsstadt der sudanesischen Hauptstadt Khartum, aufgenommen. Andere stammen offenbar von einem der Stadt nahegelegenen Hügel. Verschiedene Details legen nahe, dass es sich um Aufnahmen ukrainischer Spezialkräfte handelt, die in dem nordostafrikanischen Kriegsland angeblich Jagd auf russische Söldner machen. Die ukrainische Zeitung "Babel" und die französische Tageszeitung "Le Monde" berichten übereinstimmend, Geheimdienstkreise in Kiew hätten die Präsenz ukrainischer Soldaten bestätigt.

Die meisten Bilder wurden von Drohnen aufgenommen und zeigen von ferngesteuerten Flugkörpern getroffene Fahrzeuge oder ein nächtliches Gefecht um einen Gebäudekomplex, in dessen Verlauf auch Raketenwerfer eingesetzt wurden. Von CNN zitierte Waffenexperten sind sich sicher, dass es sich bei den Drohnen um den für Privatkonsumenten entwickelten Typ DJI Mavic handelt, die in Afrika bislang noch nie beobachtet worden, von den ukrainischen Streitkräften jedoch für militärische Einsätze umgerüstet worden seien. Auf einer Aufnahme sind auch ukrainische Worte zu sehen.

Dass sich russische Söldner im Sudan aufhalten, ist seit Jahren bekannt. Doch dass sie dort von ukrainischen Soldaten bekämpft werden, ist neu. Ob die Wagner-Truppe auch in die Kämpfe der sudanesischen Kriegsparteien verwickelt ist, ist unklar. Fest steht, dass sie die Rapid Support Forces (RSF) genannte Miliz unter General Mohamed Hamdan Dagalo (alias Hemeti) mit Waffen beliefern. Der Machtkampf zwischen Hemeti und dem Streitkräftechef Abdel Fattah al-Burhan hält seit acht Monaten schon an und hat tausende Menschen das Leben gekostet und über eine Million zur Flucht gezwungen.

Seit Jahren stationiert

Die Wagner-Truppe wurde bereits von Diktator Omar al-Bashir ins Land geholt, um ihm bei der Unterdrückung der Aufstände gegen seine Herrschaft behilflich zu sein. Auch nach seiner Entmachtung im April 2019 blieben die russischen Söldner im Land: Sie waren vor allem mit der Sicherung der Goldminen beschäftigt, an deren Ausbeutung sie finanziell beteiligt waren. Presseberichten zufolge ließ der verstorbene Gründer der Söldnertruppe, Jewgeni Prigoschin, Gold im Wert von mindestens vier Milliarden Dollar über Syrien und die Arabischen Emirate nach Russland ausfliegen. Das Geld kam auch der von Wirtschaftssanktionen geschwächten Regierung Wladimir Putins zugute.

Nach dem Bruch al-Burhans mit Milizenchef Hemeti stellte sich Moskau auf die Seite Hemetis: In dessen Hochburg in den Darfur-Provinzen liegen auch die Goldvorkommen des Landes. Seit dem Ausbruch der Kämpfe versorgt die Wagner-Truppe die RSF-Miliz mit Waffen, die vor allem aus dem Nachbarstaat Libyen herbeigeschafft werden. Einem CNN-Bericht zufolge ist Hemeti zu 90 Prozent auf Waffen aus Russland angewiesen und hat auch Boden-Luft-Raketen erhalten, die für seine Miliz ohne Luftwaffe besonders wichtig ist. Militärisch soll die RSF derzeit im Vorteil sein, wird aus dem Sudan berichtet.

Der Hintergrund des militärischen Eingreifens ukrainischer Soldaten ist offensichtlich der fortgesetzte illegale Export sudanesischen Goldes nach Moskau. Es kommt der Finanzierung des russischen Krieges gegen die Ukraine zugute. Auf ihrem Rückweg von der UN-Vollversammlung in New York trafen im September überraschend Streitkräftechef al-Burhan und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj auf dem irischen Flughafen Shannon zusammen. "Wir haben über gemeinsame Herausforderungen bei der Sicherheit, vor allem die Aktivitäten illegaler von Russland finanzierter bewaffneter Gruppen gesprochen", ließ Selenskyj anschließend über X (vormals Twitter) wissen. (Johannes Dieterich, 25.11.2023)