Ausmaß und Qualität von Forschungs- und Innovationsaktivitäten sind in hochentwickelten Ländern wie Österreich maßgeblich entscheidend für Wirtschafts- und Problemlösungskraft. Sie bestimmen die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen, die Standortattraktivität und Erfolge bei der Bewältigung gesellschaftlicher Herausforderungen wie des Klimawandels.

Forschung Innovation Finanzmittel
Österreichs Fördersystem für Forschung wurde zuletzt vor Jahren evaluiert.
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Das Forschungs- und Innovationsfördersystem umfasst alle Hebel zur Unterstützung dieser Aktivitäten, nicht nur die finanzielle Forschungsförderung, sondern auch Rahmenbedingungen wie die Verfügbarkeit von Fachkräften oder Risikokapital für Hightech-Start-ups. Wie funktionieren diese Hebel in Österreich?

Fehlendes Risikokapital

Seit mehr als zehn Jahren gibt Österreich mehr Mittel für Forschung aus als die führenden Innovationsländer der EU, Belgien, Dänemark, Finnland, Niederlande und Schweden. Das ist ein großer Erfolg, Ende der 90er-Jahre grundelte Österreich noch im EU-Mittelfeld herum. Gleichzeitig erreichen wir aber nach wie vor nicht deren Leistungsniveau. Von der globalen Spitze – Ländern wie Japan, der Schweiz, Südkorea oder den USA – ist Österreich noch weiter entfernt. Die EU insgesamt ist in den letzten 20 Jahren trotz aller Rhetorik weiter ins Hintertreffen geraten, die USA setzen sich ab, China hat die EU in der F&E-Quote – Forschungs- und Entwicklungsausgaben als Anteil der Wirtschaftsleistung – überholt.

Zwar hat es Österreich anders als Länder wie Großbritannien geschafft, traditionelle Industrien – Stichwort Stahlerzeugung – durch Forschung und Innovation zu modernisieren und Arbeitsplätze zu erhalten, auch durch richtiges Gegensteuern in Krisenzeiten wie während der Covid-Pandemie. Besonders hapert es aber bei jungen, schnell wachsenden innovativen Unternehmen, zusammenhängend mit dem Fehlen universitärer Spitzeneinrichtungen und der Verfügbarkeit von Risikokapital. Die Innovationsführer der EU investieren relativ zum BIP fünfmal mehr Risikokapital als Österreich. Um mit den Ausgaben je Studierenden der ETH Zürich mitzuhalten, müsste das Budget der TU Wien verdreifacht werden, von 400 Millionen auf 1,2 Milliarden Euro.

Schwieriger und anspruchsvoller

Im Jahr 2023 kommt es auch auf die Leistung in bestimmten Technologiefeldern an. Trotz Impulsen wie der Umsetzung der EU-Missionen oder des Klimafonds ist das österreichische Forschungsfördersystem nach wie vor überwiegend darauf ausgelegt, Forschungsanstrengungen "themenoffen" zu unterstützen. Überspitzt gesagt: Ob die Erforschung von Ölförderung oder von Solarpaneelen Unterstützung erhält, hängt im Wesentlichen nur von der Qualität des Projekts ab. Unter den grob 20 Zielen der österreichischen Strategie 2030 für Forschung, Technologie, Innovation findet sich keines für den möglichen Beitrag von Technologie und Innovation zum Klimawandel, trotz politischer Hoffnungen, unpopuläre Verhaltensänderungen durch technologische Lösungen vermeiden zu können.

Lieferkettenstopps im Zuge von Lockdowns und der russische Angriff auf die Ukraine haben ins Bewusstsein gerufen, dass Österreich – und die EU insgesamt – bei kritischen Schlüsseltechnologien wie Hochleistungschips oder für die grüne Transformation notwendigen Rohstoffen de facto von Ländern abhängig ist, die daraus geopolitisches Kapital schlagen könnten. Ähnlich wie beim Klima sind zielgerichtete, fokussierte Anstrengungen notwendig, die bestimmte Technologien fördern und den Rückstand zur Spitze aufholen. Gezielte Förderung eng umrissener Technologiefelder kann für kleine Länder wie Österreich aber ineffizient sein, weil es nicht genug förderwürdige Forschung gibt. Eine Leistungssteigerung nur in eine bestimmte Richtung, innerhalb eines kleinen Technologiefelds, wirksam zu fördern ist schwieriger und anspruchsvoller, als dies "themenoffen" zu tun, ohne a priori thematische Einschränkung.

Langer Atem

Wenn weder Leistung noch Richtung der Forschungs- und Innovationsaktivitäten angemessen unterstützt werden, wenn völlig veränderte Herausforderungen ihrer Bewältigung harren, ist es an der Zeit, das Fördersystem zu überdenken. Die letzte große Analyse dieser Art fand 2009 statt, als noch nicht einmal die Folgen der Finanzkrise verstanden oder verdaut waren. Eine zentrale Errungenschaft der letzten Zeit könnte dabei helfen: Die Einrichtung eines Mikrodatenzentrums bei der Statistik Austria ist ein Meilenstein, der als Evidenzbasis genutzt werden sollte.

Vielleicht stellt sich dabei heraus, dass wir einfach einen noch längeren Atem brauchen. Oder wir finden neue Wege, die zur Verfügung stehenden Hebel wirksamer einzusetzen. Laut manchen Studien stellen etwa nicht die finanziellen Kosten das größte Innovationshemmnis dar, sondern die Verfügbarkeit qualifizierter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Welche Anpassungen des Fördersystems würde es für einen Fokus auf Fachkräfte brauchen? Eckpfeiler wird jedoch weiterhin die EU-Mitgliedschaft Österreichs sein: Nur gemeinsam mit den EU-Partnerländern lässt sich "technologische Souveränität", die Beherrschung von Schlüsseltechnologien, erreichen. (Jürgen Janger, 16.11.2023)