Einem Team um den österreichischen Chemiker Erwin Reisner von der Uni Cambridge ist es in der Vergangenheit bereits mehrfach gelungen, "künstliche Blätter" zu entwickelt, also Systeme, die mithilfe von Sonnenlicht aus CO2 und Wasser einen Energieträger herstellen. War bisher jedoch sauberes Wasser dafür nötig, stellt Reisner nun im Fachjournal "Nature Water" ein System vor, das mithilfe der Sonne aus verunreinigtem oder Salzwasser gleichzeitig grünen Wasserstoff und sauberes Wasser produziert.

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Wie sein Vorbild aus der Natur soll das "künstliche Blatt" mithilfe von Sonnenlicht aus CO2 und Wasser einen Energieträger produzieren.
Foto: REUTERS/JORGE SILVA

Verbessertes System

Reisner arbeitet bereits seit mehr als einem Jahrzehnt daran, nach dem Vorbild von Pflanzen die Energie des Sonnenlichts zur Produktion eines Energieträgers zu nutzen. Während Pflanzen mithilfe der Photosynthese Zucker herstellen, wollten die Forschenden mit einem künstlichen Blatt direkt aus Kohlendioxid (CO2) und Wasser bei Raumtemperatur Synthesegas nachhaltig erzeugen. Mit einem ersten, 2019 vorgestellten Prototyp haben Reisner und sein Team von der Universität Cambridge (Großbritannien) dieses Ziel erreicht und seither das System immer wieder verbessert und in mehrere Richtungen weiterentwickelt.

Ihr neuester Wurf ermöglicht gleichzeitig die Aufspaltung von Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff und damit die Produktion von grünem Kraftstoff sowie die Reinigung von verschmutztem Wasser bzw. Meereswasser. Bisher war speziell für die Wasserspaltung sehr sauberes Wasser notwendig, da jede Verunreinigung den dafür notwendigen Katalysator vergiftet oder zu unerwünschten chemischen Nebenreaktionen geführt hätte.

Hilfreiches Netz

Gemeinsam mit seinen Doktoranden Chanon Pornrungroj und Ariffin Mohamad Annuar hat Reisner nun das System so weiterentwickelt, dass es auch mit verunreinigtem Wasser oder Meereswasser arbeitet. Dazu nutzten sie ein nanostrukturiertes Kohlenstoffnetz, das auf dem (Schmutz-)Wasser schwimmt und den empfindlichen Photokatalysator davon fernhält. Dieses Netz absorbiert sichtbares und infrarotes Licht sehr gut, erwärmt sich dadurch und erzeugt so sauberen Wasserdampf, den der Photokatalysator mithilfe des UV-Lichts der Sonne in Wasserstoff und Sauerstoff aufspaltet.

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Auch wenn noch viel zu tun sei, habe man den grundsätzlichen Nachweis erbringen können, dass das "künstliche Blatt" auch mit verschmutztem Wasser funktioniere, so die Forschenden.
Foto: University of Cambridge

Durch diese Anordnung kann mehr Sonnenenergie genutzt werden: Denn der Katalysator nutzt nur einen kleinen Teil des Spektrums des Sonnenlichts (UV-Licht) zur Herstellung des Wasserstoffs. Das restliche Licht gelangt auf den Boden des Systems, wo es das Kohlenstoffnetz erwärmt und dadurch das Wasser verdampft wird. Der Wasserdampf kann dann zum Teil für die Wasserstoffproduktion genutzt werden, zum Teil aber auch als sauberes Wasser aufgefangen und für andere Zwecke genutzt werden. "Auf diese Weise ahmen wir wirklich ein echtes Blatt nach, da wir nun den Prozess der Transpiration mit einbeziehen können", erklärte Reisner gegenüber der APA.

Methode für ressourcenarme Gegenden

Tests des Systems zeigten, dass es in der Lage ist, sauberes Wasser und in der Folge Wasserstoff selbst aus stark verschmutztem Wasser und Meerwasser zu produzieren. "Wir konnten das sogar im Fluss Cam im Zentrum von Cambridge erfolgreich testen", so der Chemiker, der den Wirkungsgrad der Wasserstoffproduktion mit 0,14 Prozent und die Wasserdampfproduktion mit 0,95 Kilogramm pro Quadratmeter und Stunde angibt.

Ein solches auch mit stark verunreinigtem Wasser funktionierendes System könnte speziell für abgelegene Gegenden mit geringen Ressourcen interessant sein, lässt sich damit doch ohne externe Energiequelle sowohl sauberer Kraftstoff, als auch sauberes Trinkwasser erzeugen. Die Forscher verweisen dabei nicht nur auf die Milliarden Menschen ohne Zugang zu sauberem Trinkwasser, sondern auch auf die Millionen Todesfälle jährlich, die laut Weltgesundheitsorganisation WHO durch das Kochen mit "schmutzigen" Brennstoffen wie Kerosin in Innenräumen verursacht werden.

Video: Künstliche Photosynthese.
Reisner Lab

Lob von der hohen Politik

"Es ist noch viel zu tun, aber wir konnten den grundsätzlichen Nachweis erbringen, dass das künstliche Blatt funktioniert", betonte Reisner. Klimakrise, Umweltverschmutzung und Gesundheit seien eng miteinander verbunden, "die Entwicklung eines Ansatzes, der dazu beitragen könnte, beide Probleme zu lösen, wäre für so viele Menschen von entscheidender Bedeutung".

Das sieht offensichtlich auch der britische Premierminister Rishi Sunak so, der kürzlich in einer Rede zur Erreichung der Klimaziele seines Landes die von den Cambridge-Forschern entwickelte Technologie zur Erzeugung von Brennstoffen mithilfe von Sonnenlicht als eine der vielversprechendsten Innovationen vorgestellt hat, um die Klimaziele zu erreichen. Zudem wurde Reisners Gruppe für diese Arbeiten kürzlich mit der Hughes Medal der Royal Society ausgezeichnet, und die International Union for Pure and Applied Chemistry (IUPAC) stufte die Technologie als eine der zehn besten aufkommenden Technologien in der Chemie des Vorjahres ein. (red, APA, 13.11.2023)