In Kleists Lustspiel
In Kleists Lustspiel "Der zerbrochne Krug" wird der Richter selbst Gegenstand von Ermittlungen - Frau Brigitte (Katharina Klar, hockend) spricht Tacheles.
Philine Hofmann

Diese beiden werden nicht in den großen Weihnachtsurlaub fahren: Katharina Klar und Alexander Absenger stehen zwischen den Feiertagen am Jahresende siebenmal in Folge gemeinsam auf der Bühne der Kammerspiele. Die Innenstadt-Dependance des Theaters in der Josefstadt vollzieht seit einiger Zeit einen sachten programmatischen Wandel. War sie früher ein Ort für einfache Unterhaltung, laufen in der schmucken Bühne in der Rotenturmstraße heute Bertolt Brecht und Heinrich von Kleist. Wir haben die beiden Schauspieler zu ihrer bevorstehenden Mammut-Spielserie befragt.

STANDARD: Sie spielen in der Weihnachtswoche siebenmal in Serie den "Zerbrochnen Krug" und dabei auch die Silvesterdoppelvorstellung. Befürchten Sie Abnützungserscheinungen?

Klar: Eine solche Spielserie kommt im Repertoirebetrieb wirklich nicht oft vor. Es tut den Aufführungen auch gut, wenn sie dazwischen länger liegen, finde ich. Aber eine dichte Serie kann auch eine Art Flow erzeugen, weil man als Team viel zusammen ist.

Ein Brautpaar (Katharina Klar, Alexander Absenger, mit Jakob Elsenwenger, re.
Ein Brautpaar (Katharina Klar, Alexander Absenger, mit Jakob Elsenwenger, re.) in fundamentalen Nöten in Brechts Komödie "Die Kleinbürgerhochzeit".
Moritz Schell

Absenger: Besonders wenn man mit einer so tollen Sprache wie beim Zerbrochnen Krug zu tun hat, da findet man innerhalb eines gewissen Rahmens auch Raum zum Ausprobieren. Wir spielen hier an der Josefstadt im Vergleich zu anderen Häusern generell sehr viel. Mir geht es da auch immer um das eigene Erleben bei der Vorstellung. Es macht keinen Sinn, den Abend gewissermaßen auf der linken Arschbacke dahinzurutschen.

Klar: Es sind viele Variablen, die eine Aufführung gelingen lassen. Man neigt immer wieder dazu, etwas ableiten zu wollen oder in Bezug auf Vorstellungen einen gewissen Aberglauben zu entwickeln, aber eigentlich ist es unvorhersehbar. Das ist schrecklich.

Absenger: Oder auch erlösend!

STANDARD: Dann gleich eine Aberglaubenfrage: Spielt man bei einer Silvestervorstellung "lustiger"?

Klar: Hm, vielleicht sollten wir uns etwas überlegen. Aber im Ernst, es führt zunächst zur Frage, was ist lustig. Manchmal verwechselt man ja lustig und leicht. Für mich hat ­Komödie dann Sinn, wenn ich über schreckliche Dinge lachen kann, dann wird es erlösend.

Absenger: Beim Krug steht zwar Lustspiel drüber, aber es ist ja doch ein Stück, bei dem einem das Lachen im Hals stecken bleibt. Ich finde es auch gut, dass zu Silvester keine Hau-drauf-Komödie gespielt wird. Man merkt die etwas andere Stimmung zu Silvester dann vielleicht bei der zweiten Vorstellung um 20 Uhr, wenn die Menschen schon ein Glas Prosecco getrunken haben. Da ist dann eine gewisse Lockerheit zu spüren.

STANDARD: Die Rolle von Frau Brigitte ist aufgewertet. Wie kam es zu dieser Entscheidung?

Absenger
Alexander Absenger spielt in "Die Kleinbürgerhochzeit" und in "Der zerbrochne Krug".
Moritz Schell

Klar: Amélie Niermeyer, die Regisseurin, wollte nicht unklar lassen, dass es sich bei dem nächtlichen Besuch des Richters um eine Vergewaltigung handelt. Bei Kleist ist Frau Brigitte so ein wenig die alte Verrückte, die den Richter durch Zufall überführt. Wir wollten, dass diese Figur ganz genau weiß, was sie tut, und dass sie aus Solidarität mit Eve so handelt.

Absenger: Amélie Niermeyer ist eine tolle Regisseurin, sie involviert das ganze Team in Entscheidungsprozesse. Das ist eine Qualität ihrer Arbeit, dass sie den Begriff Labor tatsächlich ernst nimmt, sodass am Ende alle hinter der Arbeit stehen können. Andere behaupten oft nur, dass sie alle im Boot haben wollen, in Wahrheit wird dann aber hierarchisch runterdekliniert.

STANDARD: Sie beide spielen auch das Brautpaar in "Die Kleinbürgerhochzeit". Ist Ihrer Meinung nach in diesem Stück Brechts die Häme über die einzelnen Figuren gerecht verteilt?

Absenger: Brecht ist mit allen gleich gemein, finde ich.

Klar: Dadurch, dass alle immer auf der Bühne sind, ergibt sich auch viel aus der Situation und nicht unbedingt aus dem Text. Es ist also nicht immer klar, wem der Lacher gehört. Aber wir als Brautpaar sind tatsächlich mehr Projektionsfläche für die Peinlichkeiten der anderen. Es ist keine psychologische Spielaufgabe, und deshalb ist da auch viel Platz für Blödsinnigkeiten, die uns einfallen. Allein in der Behauptung, dass hier nichts schiefläuft, während alles schiefläuft. Dass Abend für Abend das ganze Mobiliar flöten geht, ist schon sehr lustig – auch für uns.

Katharina Klar ist derzeit in sieben Produktionen des Theaters in der Josefstadt zu sehen.
Katharina Klar ist derzeit in sieben Produktionen des Theaters in der Josefstadt zu sehen.
Moritz Schell

STANDARD: Die Kammerspiele haben sich neu profiliert. Die "Dreigroschenoper" übersiedelt in das Haupthaus, die beiden Bühnen nähern sich also an. Inwiefern unterscheidet sich das Publikum noch?

Absenger: Ich glaube, ein bisschen unterscheidet sich das Publikum schon. Man merkt jetzt, dass sich auch viel jüngeres Publikum in die Kammerspiele begibt. Das Programm ist ein Spagat, weil wir ja das Abo bedienen müssen und zugleich Neues bieten wollen. Diese Mischung spiegelt sich auf sehr angenehme Weise im Parkett wider.

Klar: Das Kammerspiele-Publikum ist sehr liebevoll. Die Menschen kommen immer wieder und sind entschlossen, sich zu unterhalten. Dieser sanfte programmatische Wandel, den die Bühne vollzieht, gelingt aus meiner Sicht sehr gut.

Absenger: Besonders toll ist auch der Theaterraum selber, der durch seine Intimität eine echte Qualität hat. Für Sprechtheater ist das ideal. Ich glaube sowieso nicht mehr so ganz an die großen Tanker, da muss dann immer ganz groß aufgefahren werden, um Wirkung zu erzeugen.

Klar: Auch die größere Josefstadt ist eine intime Bühne, finde ich. Da funktionieren besondere, auch sehr feine Spielweisen.

Absenger: Das Publikum kommt, wie gesagt, immer wieder, es ist sehr neugierig, und wenn es den Leuten nicht gefällt, bringen sie auch die Liebe auf, uns zu schreiben, was genau sie nicht gut fanden. Das ist einzigartig. Manchmal hat man das Gefühl, das Publikum hat das Haus bereits gekauft und möchte bei allem mitentscheiden. Genau das ist aber toll! Während andere Bühnen händeringend "in die Stadt hinausgehen", um Publikum zu finden, klopft uns das Josefstadt-Pu­blikum auf die Finger. Wie geil, dass sich Menschen für ein Haus in der Intensität interessieren. (Margarete Affenzeller, 10.11.2023)