Die Welt ist casual geworden. Zum Glück, wer hat noch Zeit und Lust zum Bügeln?
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Tschhh, tschhh, tschhh, dröhnt es aus dem Bügelzimmer meiner Mutter. Den Klang des Dampfes, wie er gleichmäßig und per Knopfdruck aus den Düsen des Bügeleisens strömt, werde ich nie vergessen. Obwohl ich schon lange nicht mehr in ihrem Haus wohne, sehe ich sie immer noch vor mir, wie sie da vor ihrem Bügelbrett steht, umringt von Stapeln voller Wäsche, die schon nach ihrem jeweiligen Bestimmungsort im Haus sortiert sind: Kinderzimmer, Bad, Küche, Schlafzimmer. Alles fein säuberlich glattgebügelt, gefaltet und wohlriechend. Bis heute verbringt meine Mutter Stunden mit dem Bügeln, sogar Unterhosen, Hand- und Geschirrtücher werden geglättet und säuberlich gefaltet.

Je älter ich werde, desto intensiver frage ich mich: Warum? Wer hat – vorwiegend den Frauen – dieser Generation eingebläut, jedes noch so mickrige Stück Textil im Haushalt müsse glattgebügelt sein? Ich habe zwar von meiner Mutter gelernt, wie man selbst Kompliziertes (Männerhemden!) bügelt, in meinem Erwachsenenleben habe ich dieses Wissen aber höchstens zehn Mal angewandt. Früher aus einem Widerstand gegen die Etikette und das Hausfrauliche heraus, später, weil es mir einfach unnötig erschien, und heute, mit Kleinkind, weil das Wäschemachen auch ohne Bügeln schon Stunden an Zeit frisst.

Kollektive Übereinkunft

Ich scheine damit nicht alleine zu sein. "Ich bin so froh, dass wir als Generation gemeinsam entschieden haben, mit dem Bügeln aufzuhören", schrieb vor einiger Zeit ein Millennial in den sozialen Medien und traf damit einen Nerv. Wen in meinem Alter ich auch frage, kaum jemand bügelt seine Kleidung. Höchstens hin und wieder ein Hemd oder eine Bluse zu einem besonderen Anlass. Eine Kollegin erzählte mir, ihr Mann, der beruflich immer akkurat gekleidet sein muss, bügle nur noch die Krägen seiner Hemden.

Niemand scheint mehr Zeit dafür zu haben. Kein Wunder. Frauen arbeiten, Männer auch. Logischerweise wurde jene Tätigkeit im Haushalt als Erstes gestrichen, die nicht lebensnotwendig und am ehesten verzichtbar ist. Das macht kreativ: Eine Kollegin zieht der Rückenlehne ihres Schreibtischsessels die nassen Sachen an. Eine andere nutzt ihren eigenen Körper dafür. "Trocken tragen", nennt sie das und ergänzt, dass sie in den kalten Monaten dann doch eher davon abraten würde.

Ich bin mittlerweile an einem Punkt, an dem ich schon beim Kleiderkauf darauf achte, dass kein Teil dabei ist, das gebügelt werden muss. Denn das kenne ich schon von mir: Sämtliche bügelbedürftigen Blusen und Kleider versauern in einer Kiste unter meinem Schreibtisch und warten monatelang darauf, gebügelt zu werden. Irgendwann sortiere ich sie dann aus, weil ich sie ja nie trage.

Keine Lust mehr

Ist das Bügeln also abgeschafft? Die Jungen kaufen höchstens noch einen Steamer, erzählt mir ein Mann, der im Elektrofachhandel arbeitet und täglich um die 20 Bügeleisen verkauft - meist an Ältere. Aber selbst die verzichten immer öfter aufs Selberbügeln, bestätigt mir die Mitarbeiterin einer Putzerei in Wien-Landstraße. Bis zu 300 Hemden würden die Menschen pro Woche bei ihr abgeben, manche zwölf pro Woche - und sie dann gewaschen und gebügelt ein paar Tage später wieder abholen. "Aufs Selberbügeln hat keiner mehr Lust", sagt sie.

Doch was wäre, wenn wir ganz auf die Konventionen pfeifen? In Zeiten, in denen Benimmregeln altbacken wirken und CEOs Sneaker tragen - was macht es da schon aus, mit ungebügelten Kleidern durch die Gegend zu laufen? Sind glattgebügelte Blusen möglicherweise - wie faltenfreie Gesichter auch - ein Schönheitsideal, von dem wir uns langsam verabschieden sollten?

Für viele Millennials und die Generation Z ist jeden Tag Casual Friday.

Für viele Millennials und die Generation Z ist jeden Tag Casual Friday. Kaum ein Ort, an den wir gehen, erfordert noch formelle Kleidung. Selbst Unternehmen orientieren sich immer mehr an der Wurstigkeit ihrer jungen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, wenn es um das äußere Erscheinungsbild geht. Durch die Pandemie ist Sportmode fast überall salonfähig geworden, und Jogginghosen werfen bekanntlich keine Falten. Und sogar die großen Modehäuser setzen immer wieder auf Zerknittertes auf den Laufstegen.

Mir wird das Bügeln jedenfalls nicht fehlen, höchstens manchmal das Gefühl, sich in frisch gebügelte Bettwäsche zu legen. Mir selbst ist das den Aufwand trotzdem nicht wert. Zum Glück aber meiner Mama, die sich immer über meinen Besuch freut. (Bernadette Redl, 10.11.2023)

Bügelalternativen im Test

Iron on the ironing board. Flat design. Vector illustration.
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1. Steamer - Dampfbürsten glätten schnell große Flächen

Dampfbürsten sollen schneller sein - und man braucht dafür kein Bügelbrett. Klingt nach Win-win! Der Test zeigt: Es funktioniert. Allerdings nur auf großen Flächen. Der Kragen der Leinenbluse wird damit nicht annähernd so glatt wie mit dem Bügeleisen. Außerdem braucht der Tank nach jedem Kleidungsstück neues Wasser. Das Gerät wird zwar sehr schnell heiß, doch besteht bei Ungeübten Verbrennungsgefahr.

Bewertung: 4 von 5 Punkten

2. Glätteisen und Fön - Klingt plausibel, funktioniert aber kaum

Klingt in der Theorie super, klappt in der Praxis aber überhaupt nicht. Das Glätteisen ist möglicherweise eine Option im Urlaub, wenn man ein solches dabei hat und kleinere Falten Probleme machen. Große Flächen sind damit allerdings nicht zu glätten. Der Föhn in Kombination mit einer Sprühflasche voller Wasser hat im Test überhaupt nicht funktioniert, zumindest nicht beim verknitterten Leinen-Kleid. Bügeln geht viel schneller!

Bewertung: 1 von 5 Punkten

3. Bügelpuppe - Echte Zeitersparnis durch Aufblasen

Bügelautomaten blasen Hemden und sogar Hosen auf wie Luftballons. Sie erinnern dann optisch an muskulöse Schaufensterpuppen. Sie funktionieren tatsächlich, bestätigt mir eine Kollegin, deren Mann ein solches Gerät sein Eigen nennt. Die Zeitersparnis sei enorm, ein Hemd nach dem anderen wird ein paar Minuten darauf aufgespannt und dadurch geglättet. Einziger Nachteil: Das Gerät ist ziemlich laut.

Bewertung: 5 von 5 Punkten

4. Glättungsspray - Günstige Alternative für alle, die Zeit haben

Ein Textilerfrischer aus der Drogerie um 1,55 Euro verspricht auf seinem Etikett: "Für einfaches Glätten zwischendurch, ohne Bügeln". Bei dem Preis darf man skeptisch sein. Tatsächlich funktioniert das Produkt überraschend gut. Allerdings muss man das gewünschte Kleidungsstück komplett einsprühen, und zwarordentlich, bis es fast ganz durchnässt ist. Wer Zeit hat, es länger trocknen zu lassen, für den ist der Spray eine Option.

Bewertung: 3 von 5 Punkten

(Bernadette Redl, 10.11.2023)