Saioa Alvarez Ruiz
Die 1990 geborene Saioa Alvarez Ruiz wurde für ihre Rollen in der Tanzperformance "Ophelia’s Got Talent" vonFlorentina Holzinger geehrt.
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Von dem barrierefreien Steg, der auf die Bühne der Nestroy-Preis-Verleihung führte, habe sie sich nicht automatisch angesprochen gefühlt. Dieser sollte doch eine Selbstverständlichkeit sein, stellte Saioa Alvarez Ruiz zu Beginn ihrer Dankesrede fest. Die kleinwüchsige Performerin wurde am Sonntagabend mit einem Nestroy als beste Schauspielerin für ihre Rollen in Florentina Holzingers Ophelia’s Got Talent ausgezeichnet.

"Sie beeindruckt mit faszinierender Bühnenpräsenz, doppelbödigem Witz und Draufgängertum – und macht absolut nicht, was man von Menschen mit Behinderung im Theater gewohnt ist", hieß es in der Jurybegründung.

Jubel kam auch von Holzinger selbst, in deren preisgekrönter Tanzperformance Alvarez Ruiz neben zwölf anderen Performerinnen beeindruckte. Darin ist sie nicht nur als toughe Jurorin einer Talenteshow und nackte Stepptänzerin zu sehen, sondern erlebt nach einer inzwischen legendären Helikopter-Sexszene eine Wassergeburt und strippt als Magic Mike im Blaumann. "Ich wünsche mir mehr von diesen starken, selbstbestimmten Rollen. Ich hoffe, das ist erst der Anfang", sagte die Performerin in ihrer Rede.

Kein "schön" und "hässlich"

Saioa Alvarez Ruiz wurde 1990 in Bilbao geboren, wo ihre Eltern ein Obstgeschäft betrieben, und kam mit drei Jahren nach Deutschland. Sie studierte Soziologie, Politik- und Medienwissenschaften in Düsseldorf und Theaterpädagogik an der Universität der Künste Berlin, wo sie heute auch lebt. Bisher war sie als Darstellerin bei kleineren Produktionen dabei oder auch bei Oratorium des Kollektivs She She Pop. Abseits der Bühne arbeitet die Performerin mit Audio und Text.

Immer wieder äußerte sich Alvarez Ruiz kritisch zum Umgang mit behinderten Menschen im Alltag. Mit ihrem Medienkunstprojekt Double Trouble macht sie die Intersektionalität von Frausein und Behinderung sichtbar. In einem Interview mit Theater heute beklagte sie, dass sie sich im Theater immer noch ziemlich allein fühle, wenn es um das Thema Behinderung gehe.

Eine diverse Gruppe wie bei Ophelia’s Got Talent sei eine Seltenheit. Bei Holzinger gehe es nie um die Kategorien "schön" oder "hässlich", sondern "schlicht um den Körper in seiner Funktionalität", so Ruiz in einem Interview. Für Menschen mit Behinderung sei das befreiend, weil ein nackter behinderter Körper "doppelt und dreifach mit Scham behaftet" sei. (Katharina Rustler, 6.11.2023)