Noch ist man bei den Metallerverhandlungen meilenweit von einer Einigung entfernt.
Heribert Corn

Jedes Jahr versuchen Arbeitgeber in Lohnverhandlungen, den Arbeitnehmern einen Teil der Erhöhung in Form von Einmalzahlungen zukommen zu lassen, jedes Jahr wehren sich die Gewerkschaften dagegen. Das kann man verstehen: Einmalige Aufschläge auf die Gehälter haben keine Wirkung in den Folgejahren. Wird die Inflation nicht durch reguläre Lohnerhöhungen abgefedert, führt das längerfristig zu Kaufkraftverlusten.

Heuer pochen die Arbeitgeber auf besonders hohe Einmalzahlungsanteile, worauf die Gewerkschaft mit Warnstreiks reagiert. So unangenehm das für sie auch sein mag, die Argumente der Industrie sind diesmal stärker als sonst.

Hohe Inflationsrate

Erstmals seit den 1970er-Jahren muss eine hohe Inflationsrate abgegolten werden. Aber anders als damals sind die Preise in Österreich stärker gestiegen als im europäischen Durchschnitt. Für die stark exportorientierte Metallindustrie ist das ein Problem: Steigen die Lohnkosten stärker als etwa in Deutschland, gehen Wettbewerbsfähigkeit, Marktanteile und schließlich auch Jobs verloren. Länder wie Italien haben das einst mit Währungsabwertungen ausgeglichen, aber das geht in der Eurozone nicht mehr. Gleichzeitig rutschen weite Teile der Industrie nach einem sehr guten Geschäftsjahr in eine Rezession.

Wird die Inflation des vergangenen Jahres diesmal zum Teil mit Einmalzahlungen ausgeglichen, dann können die Unternehmen im kommenden Jahr flexibler agieren – und im Fall eines anhaltenden Abschwungs das reale Lohnniveau leicht senken, um ihre Marktposition zu halten. Sollte es wieder besser werden, kann die Einmalzahlung in einen regulären Lohnbestandteil umgewandelt werden. Das Problem für die Gewerkschaft: Sie geht dann aus einer schwächeren Position in die nächsten Verhandlungen, zumindest psychologisch.

Allerdings bieten die Gewerkschafter selbst ein Argument für Einmalzahlungen, indem sie ständig auf die hohen Gewinnausschüttungen an Eigentümer verweisen. Auch Dividenden werden Jahr für Jahr neu beschlossen und sind nicht nachhaltig.

Die Industrie muss der Gewerkschaft ein Angebot machen, das garantiert, dass die Arbeitnehmer mittelfristig nicht weniger vom Gewinnkuchen bekommen als bisher. Das erfordert Kreativität. Wenn das auf dem Tisch liegt, sollte die Gewerkschaft zähneknirschend einen Abschluss unter der Inflationsrate, der mit Einmalzahlungen ausgeglichen wird, akzeptieren. (Eric Frey, 6.11.2023)