Gespannt hatte der Nahe Osten und mit ihm die Welt am Freitag auf die Rede des libanesischen Hisbollah-Chefs Hassan Nasrallah gewartet, der sich am Nachmittag zum ersten Mal seit Beginn des Gaza-Kriegs per Videoansprache an seine Gefolgsleute wandte. Seit Wochen geht in Israel die Angst um, dass Nasrallahs hochgerüstete Miliz der Hamas von Norden zu Hilfe kommen und auf diese Art eine zweite Front eröffnen könnte. Israels Armee steht deshalb unter "sehr, sehr hoher Alarmbereitschaft", wie es am Freitag hieß.

Nasrallah auf Videoleinwand
Tausende hörten dem Hisbollah-Chef in Beirut zu.
EPA/ABEDIN TAHERKENAREH

Allein im Süden der libanesischen Hauptstadt Beirut, der als Hochburg der Hisbollah gilt, versammelten sich Tausende unter "Gott segne Nasrallah"-Rufen. Minutenlang pries dieser den "Al-Aqsa-Flut" genannten Terrorangriff militanter Palästinenser auf israelische Zivilistinnen und Zivilisten und lobte die versuchten Angriffe der jemenitischen Huthi-Rebellen auf Ziele im Süden Israels. Seine eigenen Kämpfer würden zudem Israels Armee im Norden binden und dort Panik auslösen. Dies, so Nasrallah, sei zwar bisher ein "gemäßigter" Einsatz, stelle aber eine wichtige Unterstützung für die "palästinensischen Brüder" dar.

"Weiser" Hamas-Angriff

Deutlich wurde aber auch, dass Nasrallah darum bemüht war, jegliche Beteiligung an der verheerenden Terrorattacke abzustreiten. Diese sei "zu 100 Prozent palästinensisch" geplant und durchgeführt worden, weder die Hisbollah noch, wie von Israel behauptet, Teheran hätten die Hamas bei ihrem "weisen Einsatz" unterstützt.

Sollte sich die sunnitische Hamas im Gazastreifen abseits dieser Rhetorik aber ein stärkeres Engagement der schiitischen Hisbollah erhofft haben, wurde sie enttäuscht: Zwar rief Nasrallah die arabischen Staaten auf, diplomatisch gegen Israel vorzugehen und etwa Ölexporte dorthin zu stoppen. Militärisch wollte er seinen Krieg gegen Israel aber nicht eskalieren – vorerst jedenfalls.

Israels Krieg gegen die Hamas ging am Freitag unvermindert weiter. Die Armee meldete, sie habe Gaza-Stadt umzingelt. US-Außenminister Antony Blinken, der am Freitag abermals Israel besuchte, rief die Regierung von Benjamin Netanjahu dazu auf, Zivilisten zu schützen: Ein palästinensisches Kind zu sehen, das aus den Trümmern eines Gebäudes gezogen werde, "trifft mich genauso hart wie der Anblick eines Kindes in Israel oder irgendwo anders".

Netanjahu lehnt eine Waffenpause weiter kategorisch ab: Erst müssten die mehr als 200 Geiseln freigelassen werden. (Florian Niederndorfer, 3.11.2023)