Kohlekraftwerk und Windräder
Anpassung und Prävention darf keine Entweder-oder-Frage sein. Jedes Zehntelgrad zählt.
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Vorsorge ist besser als Nachsorge – das gilt so gut wie überall. Lieber gesund leben als im Alter Pillen schlucken. Unfälle zu vermeiden ist besser als Erste Hilfe. Einen Konflikt per Diplomatie erst gar nicht ausbrechen zu lassen ist klüger, als Panzer zu schicken.

Das gilt auch für das Klima. Stößt die Welt im gleichen Tempo Treibhausgase aus wie bisher, könnte sich die Erde bereits in sechs Jahren um 1,5 Grad erwärmt haben. Die Auswirkungen der Klimakrise wären dann immer schwieriger kontrollierbar. Am klügsten, sichersten und billigsten wäre es daher, wenn die magische Marke gar nicht überschritten würde.

Es geht nicht ums Gewinnen

Dass das eher unwahrscheinlich ist, zeigt der bisher fast ungebremste Ausstoß an CO2-Emissionen. Statt auf 1,5 Grad bewegen wir uns eher auf drei Grad zu. Während auf Klimakonferenzen – bisher eher mäßig erfolgreich – über Klimaschutz diskutiert wird, fällt die Anpassung an den Klimawandel aber bisher weitgehend unter den Tisch. Denn sie hat den Beigeschmack der Niederlage.

Wer sich an das heißere, immer extremer werdende Wetter anpasst, sorgt schließlich nach und nicht vor, er gibt sich der wohl größten Krise der Menschheit scheinbar kampflos. Doch der Einsatz gegen den Klimawandel ist keine Schlacht, die sich gewinnen oder verlieren lässt. Denn die Auswirkungen der Klimakrise sind bereits heute spürbar.

Anpassung kann vorbeugen

Wir werden uns also ohnehin anpassen müssen. Wir werden auch bei 1,5 oder zwei Grad neue Getreide- und Obstsorten brauchen, die resistenter gegen Trockenheit sind, Schwammstädte, welche die unberechenbarer werdenden Niederschläge aufsaugen, und mehr Bäume, die uns vor der Hitze schützen. Das ist keine Niederlage, sondern ein Anerkennen der Fakten.

Anpassung und Prävention darf aber keine Entweder-oder-Frage sein. Jedes Zehntelgrad, jede nicht ausgestorbene Tierart und jede vor dem Untergang gerettet Insel zählen. Doch oft hilft Klimawandel-Anpassung auch, diesen abzuschwächen. Wer etwa Städte für eine heißere Zukunft rüstet, macht sie idealerweise auch für Fußgänger und Radfahrerinnen attraktiver – und verhindert, dass wir überhaupt ins Auto steigen. (Philip Pramer, 3.11.2023)