Morgenmantel – ja oder nein?
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Pro

Am Wochenende frühstücke ich stets auswärts – nämlich in der Wohnung meiner Schwester, die einen Stock über mir lebt. Auf den 24 Stufen hinauf zu ihr fühle ich mich in meinem wallenden zartlila Traum von einem Morgenmantel, als ob ich in meiner Villa an der Côte d’Azur gerade unterwegs zum Austernfrühstück wäre. Denn mit einem Morgenmantel geht man nicht – man schreitet, auch wenn das Stiegensteigen mit einem bodenlangen Modell zugegebenermaßen geübt sein will. Oben angekommen, stehe ich gern mit einer heißen Tasse Kaffee am Fenster und schaue sehnsüchtig aufs Meer hinaus, auch wenn es nur das Meidlinger Häusermeer ist.

Bei Bedarf kann der Morgenmantel enger um den Körper geschlungen oder, wenn die Austern schwer im Magen liegen, gelockert werden. Und wenn ich im Stiegenhaus doch einmal spontan die Nachbarn treffe, sind mir ihre Blicke sicher. Sie merken schon: Ein Morgenmantel ist ein Lebensgefühl, ein Hauch von wehender Leichtigkeit in einer Welt, in der sich so vieles so schwer anfühlt. (RONDO, Franziska Zoidl, 3.11.2023)

Kontra

Wer Morgenmantel trägt, schiebt nur das Unvermeidbare auf. Ja, wir müssen uns täglich anziehen, und ja, das kann ganz schön lästig sein. Was ziehe ich an? Was ist gewaschen? Und in meinem Fall mit Kleinkind: Habe ich ein paar Minuten Ruhe, um mir überhaupt was anzuziehen? Der Morgenmantel ist ein Kleidungsstück für Zwischenphasen, für die ich schlichtweg keine Zeit habe. Zugegeben, vielleicht war ich dreimal in meinem Leben in einer Situation, in der es an der Tür klingelte und ich noch nicht bekleidet war. Dann wäre ein Morgenmantel praktisch gewesen. Aber ganz ehrlich: Die drei Sekunden, die es länger dauert, sich anzuziehen, habe ich dann auch.

Lange Wochenendmorgen voller Müßiggang waren mir als Frühaufsteherin schon immer zuwider. Wer sich gleich anzieht, hat zumindest das schon einmal geschafft und sein Leben im Griff. Was nicht heißt, dass ich keine Morgenmäntel oder Kimonos besitze, nur trage ich sie nicht träge zu Hause, sondern draußen und über Jeans und T-Shirt, wo die schmucken Stücke jeder sehen kann. (RONDO, Bernadette Redl, 3.11.2023)