Drei Kinder sitzen auf einem Sofa und lachen wild, ein Kind hält ein Tablet in der Hand
Strahlende Kinderaugen, wildes Gelächter, Freude – so sollen Kinder aussehen. Doch was können Eltern zum Lebensglück ihres Nachwuchses beitragen?
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Wenn man Kinder fragt, was sie glücklich macht, dann fällt das Ranking ziemlich wahrscheinlich so aus: Fernsehen. Einhörner. Schokolade. Mehr Schokolade.

Das ist natürlich eine Momentaufnahme. Durchforscht man die eigene Kindheit nach Glücksmomenten, dann sind es ganz andere Dinge, die in Erinnerung geblieben sind. Und damit eine ungefähre Idee der Eltern, was ihr Kind im Leben glücklich macht. Diese Vorstellung ist bei manchen geprägt von der Idylle aus Astrid-Lindgren-Büchern: von Kindern, die auf Bäume klettern, fröhlich im Bach spielen, Fohlen streicheln und Lebkuchen backen. Bei wieder anderen erschöpft sich die Debatte im Materiellen und Organisatorischen: Ein Kind ist glücklich, wenn es viel Spielzeug hat, in einem Sportverein trainiert oder musikalisch gefördert wird. Nur das Beste fürs Kind, das ist doch Glück. Muss es sein!

Die schwedische Kinderbuchautorin Astrid Lindgren hat oft von ihrer eigenen glücklichen Kindheit erzählt. Dabei sollen es zwei Dinge gewesen sein, die ihr Leben so schön machten: ihre Eltern und die Freiheit, die sie den Kindern gaben. "Die beiden, die einander so gern hatten und die immer da waren, wenn wir sie brauchten, uns aber im Übrigen frei und glücklich herumrennen ließen auf dem fantastischen Spielplatz, den wir in unserer Kindheit auf Näs hatten."

Ist es das? Und wenn es das ist: Wie ermöglicht man es? Auf der Suche nach einer Antwort, was eine glückliche Kindheit ausmacht, werfen wir einen Blick auf Erziehungsstile und befragen Expertinnen aus der Entwicklungspsychologie und Glücksforschung.

Der richtige Erziehungsstil

Die Wahrnehmung, welchen Einfluss die Kindheit auf unsere Entwicklung nimmt, hat sich gewaltig verändert. Bis zur Aufklärung im 18. Jahrhundert galten nur Erwachsene als vollwertige Menschen. Heute hat die Kindheitsforschung in der Soziologie, der Psychologie oder der Erziehungswissenschaft einen enormen Stellenwert. Die Ursachen von Depressionen, Angststörungen oder Beziehungsproblemen werden oft in dieser Phase gesucht.

Aufgeklärte Eltern wissen, dass in der Kindheit die Bausteine für ein glückliches Erwachsenenleben gesetzt werden. Sie suchen nach Wegen, um bei ihren Kindern alles richtig, jedenfalls möglichst nichts falsch zu machen – oft bis zur totalen Verunsicherung. Als Guideline dienen haufenweise Ratgeber, die Eltern erklären, was sie zu diesem Lebensglück beitragen können. Das Buch, von dem du dir wünschst, deine Eltern hätten es gelesen der britischen Psychotherapeutin Philippa Perry ist seit Jahren ein weltweiter Bestseller, übersetzt in über 40 Sprachen. Darin beschreibt sie, wie wichtig nicht die Er-, sondern die Beziehung zum eigenen Kind ist.

Ein autoritärer Erziehungsstil hat ausgedient, "bedürfnisorientierte Erziehung" lautet das Modewort dafür, auf die Grundbedürfnisse eines Kindes so weit wie möglich einzugehen, um die – als elementar erachtete – Bindung zwischen Eltern und Kind zu fördern. Sie setzt auf eine sanfte Erziehung, immer auf Augenhöhe mit dem Kind. Dessen Bedürfnisse seien gleichwertig. An bedürfnisorientierter Erziehung wird oft kritisiert, dass Eltern sich dabei zu sehr aufopferten und dem Willen des Kindes unterordneten.

Tut man damit den Kindern einen Gefallen? Zumindest die Forschung bestätigt, dass eine liebevolle, zugewandte Erziehung in direktem Zusammenhang mit dem Kindheitsglück steht. Natürlich gibt es Dinge, die sind nicht verhandelbar, auch wenn sie dem Kind nicht in den Kram passen: Nur bei Grün über die Straße gehen. Nicht hauen, nicht spucken, nicht treten. Aber es gibt Kämpfe, die muss man als Elternteil nicht gewinnen.

Zahlreiche Studien belegen, dass autoritär erzogene Kinder später öfters psychische Probleme entwickeln. Sie würden häufiger depressiv, zeigten ein aggressives Verhalten, mobbten andere oder erbrachten schlechtere Leistung in der Schule. Was in der Erziehung als autoritär gilt, ist nicht exakt definiert. Die "gesunde Watschn" halten laut Umfragen noch immer drei bis neun Prozent der Eltern für angemessen, obwohl in Österreich Gewalt in der Erziehung gesetzlich verboten ist. Auch Hausarrest, emotionale Erpressung und Ignorieren zählen zu psychischer Gewalt und können für die Kinder verheerende Folgen haben.

Die kleine Dosis Probleme

Wie kann es aber sein, dass Menschen, die eine problematische Kindheit hatten, die etwa Gewalt oder Missbrauch erfuhren, später dennoch glückliche Erwachsene werden?

Das hat laut der Psychologin und Glückstrainerin Heidemarie Smolka vor allem mit der Resilienz eines Menschen zu tun. Unter Resilienz versteht man die Fähigkeit des Menschen, Belastungen und schwierigen Lebenssituationen standzuhalten und manchmal sogar noch an ihnen zu wachsen. Die Psychologin weiß, dass eine problematische Kindheit nicht immer zu einem unglücklichen Leben führt. In manchen Ausnahmefällen würde es Menschen sogar gelingen, daran zu wachsen.

Sie findet es bedenklich, wenn Eltern versuchen, ihre Kinder vor allen Herausforderungen des Lebens zu bewahren, um ihnen negative Erfahrungen zu ersparen. "Aus der Resilienzforschung weiß man, dass Kinder nur dann lernen, mit Problemen fertigzuwerden, wenn sie auch mal in Schwierigkeiten geraten", sagt Smolka. Eine kleine Dosis Probleme in der Kindheit sei sogar später nützlicher, als überbehütet aufzuwachsen. "Diesen Kindern fehlt vor allem die Erfahrung von Selbstwirksamkeit." Die wieder stehe in einem direkten Zusammenhang mit dem Selbstbewusstsein. "Wenn Kinder aus eigener Kraft und Motivation heraus ein Problem lösen, fühlen sie sich stark", sagt Smolka.

Für die Entwicklung eines Kindes ist es also vor allem wichtig, dass Eltern oder Bezugspersonen ihm ein gewisses Vertrauen schenken. Dass sie Dinge auch selbst schaffen, dass sie Probleme meistern werden. Die Liebe der Eltern muss dabei immer bedingungslos sein. "Die Liebe der engen Bezugspersonen darf nicht an Leistung geknüpft sein", sagt Smolka. Menschen mit hohem Leistungsanspruch an sich selbst oder Perfektionismus haben laut der Psychologin in ihrer Kindheit oft erfahren, dass Liebe direkt mit Leistung verbunden ist. "Dieses Gefühl kann dem Lebensglück später ordentlich im Weg stehen."

Good enough parents

Für Eltern kann diese Erkenntnis beruhigend sein. Der englische Kinderarzt Donald Woods Winnicott hat im vergangenen Jahrhundert den Begriff der "good enough mother" geprägt, der "ausreichend guten Mutter", die er als ideal für die Kindesentwicklung ansah. Eltern, die liebevoll sind, aber ihr Kind nicht überbehüten. Diese Ansicht teilt auch die Entwicklungspsychologin Stefanie Höhl von der Universität Wien: "Eltern können gar nicht so viel falsch machen, damit das Kind glücklich ist." Neben der Befriedigung der Grundbedürfnisse (Nahrung, Kleidung, Wohnung) und der Sicherheitsbedürfnisse (Sicherheit und Geborgenheit) benötigen Kinder also vor allem eine sichere und emotionale Bindung zu zumindest einer erwachsenen Person. Die aber muss verlässlich sein.

Darf das Kind dann noch möglichst frei die Welt erforschen, in der Natur und an der Luft sein, ist es wohl das, was eine glückliche Kindheit, wie sie Astrid Lindgren hatte, ausmacht. (Nadja Kupsa, 26.10.2023)