Kind liegt zugedeckt auf der Couch. Es hat ein Fieberthermometer im Mund.
Kleine Kinder haben bis zu zwölf Infekte pro Jahr. Das ändert sich jedoch mit dem Älterwerden.
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Dem ersten Kindergartenjahr sehen so manche Eltern mit Furcht entgegen. Denn Eltern, die das bereits durchgemacht haben, erzählen ihnen: Die Kleinen seien dann nur noch krank. Und tatsächlich ist da viel Wahres dran: Hat die Eingewöhnung nach ein paar Wochen endlich geklappt, müssen die Kleinen oft schon wieder mit Fieber zu Hause bleiben. Manchmal gibt es eine Vorwarnung, etwa wenn im Kindergarten im Eingangsbereich ein Zettel hängt mit der Info, dass gerade Feuchtblattern, Scharlach oder auch Läuse im Umlauf sind.

Gefühlt jagt ein Infekt den nächsten. Kaum sind die Kids wieder halbwegs gesund, wird schon wieder gehustet. "Dafür gibt es eine einfache Erklärung", sagt Thomas Müller, Leiter der Pädiatrie I an der Med-Uni Innsbruck. "Sechs bis acht Infektionen pro Jahr sind für Babys und Kleinkinder absolut normal. In manchen Fällen erwischt es sie sogar bis zu zwölfmal." Vor allem in der kalten Jahreszeit kämpfen die Kinder womöglich sogar mit zwei oder drei Infektionen im Monat. "Wenn man dann noch bedenkt, dass ein hartnäckiger Reizhusten nach bereits überstandener Infektion bis zu sechs Wochen andauern kann und der nächste Luftwegsinfekt direkt im Anschluss erfolgt, entsteht das Gefühl, die Kids hätten über Monate hinweg einen chronischen Husten", weiß der Experte. Das Gefühl, die Kleinen seien dauerkrank, ist also nicht falsch.

Vor allem eine rinnende Nase, Husten, Halsweh und Fieber plagen die Kleinen zu Beginn ihres Lebens. "In den ersten Jahren haben Babys und Kinder hauptsächlich mit Virusinfektionen zu kämpfen", berichtet der Kinderarzt. "Aber es kann auch passieren, dass sich auf eine bestehende Virusinfektion der Luftwege noch Bakterien draufsetzen. Dann kommt es zu einer sogenannten Superinfektion." Schon im ersten Lebensjahr kann das zu einer bakteriellen Lungenentzündung führen. Anzeichen dafür sind hohes Fieber, das auch nach drei Tagen noch nicht sinkt, und ein sich verschlechternder Allgemeinzustand.

Hohes Fieber bringt nichts

Der Allgemeinzustand ist auch ein guter Indikator dafür, ob man zum Arzt oder zur Ärztin gehen soll. Müller sagt: "Mit Babys und Kindern ohne chronische Vorerkrankungen muss man nicht jeden Infekt ärztlich abklären lassen. Anders sieht es jedoch aus, wenn das Fieber auch nach drei Tagen immer noch höher als 38,5 ist oder wenn das Kind nicht mehr trinken will."

Von dem Mythos, dass man Kinder fiebern lassen sollte, damit ihr Immunsystem den Infekt besser bekämpfen kann, hält der Kinderarzt recht wenig: "Fieber über 38,5 bringt den Kindern keinen Vorteil. Ganz im Gegenteil, es kann bei manchen Kindern sogar einen Fieberkrampf auslösen." Das kann dann passieren, wenn das Fieber sehr rasch sehr hoch steigt. Die Babys oder Kinder bekommen einen Krampfanfall, der einem epileptischen Anfall ähnelt. "Ein Fieberkrampf ist per se nicht gefährlich. Er ist aber ein Schock für die Eltern." Häufig werden die Kinder dann mit der Rettung ins Spital gebracht. Dabei kann ein fiebersenkendes Medikament wie Ibuprofen, wenn man es rechtzeitig gibt, einen Fieberkrampf verhindern, es wirkt außerdem schmerz- und entzündungshemmend.

Vor allem bei Kindern, die kurz vor der Pandemie und somit kurz vor den Lockdowns geborenen wurden, fällt auf, dass viele von ihnen vergangenes und auch dieses Jahr besonders häufig krank waren. Immer wieder kursieren Gerüchte, dass sich das Immunsystem der Kleinen nicht ausreichend entwickeln konnte, weil zu dieser Zeit durch Kontaktbeschränkungen und das Tragen von Masken viele Krankheitserreger von ihnen ferngehalten wurden. Haben diese Kinder einen Nachteil, weil ihr Immunsystem nicht von Beginn an trainiert wurde? "Nein", sagt der Kinderarzt. "Die Vorstellung, man müsse das Immunsystem der Kinder trainieren, ist nicht richtig."

Studien zeigen, dass etwa Kinder, die erst mit vier oder fünf Jahren erstmalig in eine Kinderbetreuungseinrichtung gehen, diese Infekte einfach später vermehrt nachholen. "Das Zeitfenster wird etwas nach hinten verschoben. Das bedeutet aber auf keinen Fall, dass das Immunsystem auf lange Sicht in irgendeiner Weise negativ beeinflussen würde." Fachleute gehen davon aus, dass es sich bei den im Lockdown oder kurz zuvor geborenen Kindern ähnlich verhält.

Infektionen vermeiden

Apropos Immunsystem: Eltern wünschen sich natürlich immer, dass die Kinder so wenig wie möglich krank werden, und würden am liebsten das Immunsystem der Kleinen in irgendeiner Form unterstützen. Das ist aber nur bedingt möglich, weiß der Kinderarzt: "Das Einzige, was wirklich nachweislich hilft, ist Muttermilch. Mit der werden Antikörper weitergegeben, die speziell die Schleimhäute schützen." Diese Wirkung kann man auch nicht mit Vitaminpräparaten ersetzen. Für kein Produkt im Handel, egal ob Vitaminpräparate oder Probiotika, gebe es aussagekräftige Studien.

Der Kinderarzt plädiert vielmehr für Maßnahmen, die viele Eltern ohnehin ausführen: "Banale Dinge wie viel an die frische Luft gehen, ausreichend schlafen und auf eine ausgewogene Ernährung achten sind immer gut." Und auch wenn das Kind gerade in einem Alter ist, in dem es jegliches Gemüse mit "Bäh" kommentiert, muss man nicht verzweifeln. Viele Kinder machen diese Phase durch, und es gibt keine wissenschaftlichen Erkenntnisse, dass sie deswegen häufiger krank wären.

Schließlich hilft noch regelmäßiges Händewaschen und Desinfizieren, zumindest den einen oder andere Schnupfen nicht mit nach Hause zu bringen. "Gerade Rhinoviren, die Infektionen der oberen Atemwege auslösen, werden überwiegend über die Hände übertragen. Wenn diese regelmäßig und gründlich mit Seife gewaschen werden, kann man das zumindest reduzieren", betont Müller. (Jasmin Altrock, 19.10.2023)