Brunnemann Dantons Tod Phönix
Danton (Martin Brunnemann) hegt Gedanken an den Tod – seine Frau Julie (Karina Pele) versucht, ihn zurückzuhalten.
Andreas Kurz

Wer Kindern Märchen vorliest, muss bei gewissen Sätzen heute schlucken. Es ist nicht nur ihre schonungslose Brutalität (z. B. hacken in Frau Holle die Tauben zur Bestrafung dem faulen Mädchen die Augen aus), es sind auch überkommene Verhaltensregeln, gesellschaftliche Codes und Rollenbilder, die anno 2023 befremden bzw. einer Erklärung bedürfen. Das Theater Phönix in Linz hat deshalb die Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm wie auch jene von Hans Christian Andersen neu abgeklopft (Text: Martin Brunnemann, Sigrid Blauensteiner).

In Weck mich auf werden die Figuren und Motive aus Märchen wie Des Kaisers neue Kleider,König Drosselbart, Aschenputtel oder Die Sterntaler im Format eines Open-Mic-Abends hinterfragt und neu interpretiert. Gina Christof und Marius Zernatto treten in der Regie von Martin Brunnemann ans Mikrofon und legen los. Weck mich auf ist eine mobile Produktion und geht nach der Uraufführung heute, Donnerstag, auf Wanderschaft zu Schulen.

Meine Meinung zählt

Damit nicht genug. Am Freitag schon feiert das Phönix mit einer weiteren Neuproduktion Premiere. In einer Inszenierung von Christine Eder ringen Christoph Rothenbuchner (als Robespierre) und erneut Brunnemann (als Titelheld) in Georg Büchners Dantons Tod (1835) um jeweils ihre Sicht auf das revolutionäre Geschehen. Im Dezember ist das Drama auch am Burgtheater zu sehen.

Die zentrale Frage der Regie lautet: Wie radikal verteidigen Menschen ihre Diskurshoheit, nachdem die Übereinkünfte mit den allerwichtigsten Mitstreitern aufgelöst wurden und sich die gemeinsamen Wege getrennt haben? In der zerstörten Stadtgesellschaft von Paris stehen sich die beiden Prinzipale der Französischen Revolution samt ihren Lagern beharrlich gegenüber. (Margarete Affenzeller, 12.10.2023)