In den USA, Großbritannien und Indien dürfen Programme, die mithilfe von künstlicher Intelligenz funktionieren, ohne Restriktionen verwendet werden. Werden wir abgehängt, wenn wir nicht bald auf den Zug aufspringen?
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In den USA, Großbritannien und Indien dürfen Programme, die mithilfe von künstlicher Intelligenz (KI) funktionieren, ohne Restriktionen auch in der Personalverwaltung verwendet werden. Hierzulande ist das anders. Datenschutzregeln versperren den Weg. Zu Recht? Werden wir technisch bald abgehängt sein, wenn wir nicht bald auf den KI-Zug aufspringen?

"Ich bin der Überzeugung: Jetzt geht’s erst richtig los", sagt Gernot Winter auf dem diesjährigen HR Summit in Wien. Er ist Unternehmer und Verleger. Er ist sich sicher, dass seine Arbeit als Verleger bald von einer KI übernommen werden kann, seine Firma also obsolet wird. Deshalb bildete er sich weiter. Mittlerweile programmiert seine Firma Superintelligenz.eu Chatbots für Unternehmen. In seinem Vortrag beschreibt er mögliche Chatbot-Anwendungen für das Personalmanagement.

Anwendungsmöglichkeiten

Nehmen wir an, jemand interessiert sich für einen Job. Die Person geht auf die Website, scrollt sich durch und landet dort, wo freie Stellen ausgeschrieben sind. Ein Chatbot könnte automatisch erscheinen und Fragen rund um die Bewerbung beantworten – im Dialog mit der Interessentin oder dem Interessenten.

Eine weitere Anwendungsmöglichkeit ist das Onboarding. "Hinterlegt werden alle Daten und Informationen, die für den Start im Unternehmen wichtig sind. So kann man spielerisch durch Frage und Antwort alle Infos erhalten und sie sich sogar vielleicht besser merken", sagt Winter. Ein solcher Chatbot kann auch für alle Mitarbeitenden hilfreich sein; denn Hand aufs Herz: Wer hat nicht schon mal ein bestimmtes Dokument oder eine Information in den Firmendatenbanken gesucht?

Chatbots selbst erstellen

Eine weitere Idee ist, einfache Fragestellungen, die Mitarbeitende immer wieder haben, durch einen Chatbot beantworten zu lassen und so E-Mails und Zeit zu sparen. Das wären zum Beispiel folgende Fragen: "Wie viele Urlaubstage habe ich noch?" oder "Wo finde ich die Reisekostenabrechnung, und was muss ich dafür genau ausfüllen?". "Die Anwendungsmöglichkeiten von Chatbots in der Personalabteilung sind wirklich beinahe grenzenlos", meint Winter.

Es gibt einige Plattformen, auf denen man einfache bis etwas komplexere Chatbots sogar selbst programmieren kann. Ein wenig herumzuspielen und auszuprobieren kann dabei helfen zu verstehen, wie die Systeme funktionieren. Die Kosten für die Programme starten bei rund 20 Dollar und gehen bis zu mehreren Hundert Dollar im Monat. Gernot Winter nannte ein paar Websites, mit denen Chatbots erstellt werden können. "Dafür braucht es wenig Vorwissen", sagt Winter. Er nennt beispielsweise Chatbase, Dante-ai oder Voiceflow.

Hürden

Was vielversprechend klingt, hat aber auch seine Tücken. Zum einen ist da der Datenschutz. Die meisten Chatbots verwenden als Grundlage Daten und Codes großer KI-Anwendungen, wie ChatGPT (von OpenAI), Llama (von Meta) und vieler mehr. "Die bekanntesten und am weitesten fortgeschrittenen haben ihren Ursprung in den USA. Dort stehen auch die Server, also die Rechner, auf denen die Daten verarbeitet werden", so Winter.

Ein Beispiel kann die Problematik klarer machen: Sie sitzen in Österreich und trainieren gerade einen Chatbot für Ihr internes Onboarding. Sie füttern dazu das Programm Ihres Unternehmens mit bestimmten Daten, damit der Chatbot lernt, wie er die Fragen beantworten soll. Ein neuer Mitarbeiter in einer Rechtsanwaltskanzlei könnte zum Beispiel fragen, wo bestimmte Verträge zu finden sind und welche Klauseln extra eingesetzt werden können – eine Information, die nicht an die Öffentlichkeit gelangen darf. Diese Verträge müssten Sie aber zuvor eingespeist haben. Eine Kopie dieses Vertrags liegt somit auch auf den US-Servern. Dort herrschen ganz andere Datenschutzregeln, und die Verträge könnten im schlimmsten Fall von externen Personen eingesehen werden.

Der AI Act (Richtlinie für künstliche Intelligenz), der ab 2025 in der EU gelten soll, stuft in seiner momentanen Fassung die Verarbeitung von Daten für Aus- und Weiterbildungszwecke als Bereich mit hohem Risiko ein. Das würde bedeuten, dass Chatbots für diese Zwecke in Zukunft nicht verwendet werden dürfen. Ob das Gesetz allerdings in der jetzigen Form in Kraft tritt, ist noch nicht endgültig entschieden.

Besser in englischer Sprache

Ein weiteres Problem ist, dass ChatGPT und andere Programme meist in englischer Sprache arbeiten. Der Grund dafür ist einfach: Der Großteil der Daten, die die Basis für die KI sind, ist auf Englisch. Es zwar gibt die Möglichkeit, die Sprache zu ändern, aber die Antworten werden dann vor allem sprachlich etwas schlechter sein als auf Englisch. "Besser wäre es, die Daten der eigenen Firma ins Englische zu übersetzen", erklärt Winter.

Erschwerend hinzu kommt noch, dass in Zeiten von Personalmangel es sicher für einige Firmen nicht einfach ist, Mitarbeitende freizuspielen, um die neuen Technologien im Unternehmen zu integrieren. "Aber es macht Spaß, und ich bin der vollsten Überzeugung, dass Chatbots in ein paar Jahren nicht mehr aus unserem Alltag wegzudenken sind – auch in der HR", sagt Winter. (Natascha Ickert, 23.11.2023)